Trekkingräder bei Stiftung Warentest
Ernst Brust nimmt Stellung zu Kritik an Prüfmethoden
„Auch in diesem Jahr werden die Testergebnisse der Stiftung Warentest heftig diskutiert. Einerseits bezweifeln betroffene Hersteller eine schlechte Bewertung ihrer Produkte, andererseits weist der ADFC darauf hin, dass auch an teuren Modellen immer wieder billige Komponenten montiert werden, ohne dass es der Käufer erkennen kann. Ein Test zeigt dies auf.
Am Anfang der neuen Saison sollten wir uns die Freude am Radfahren nicht durch schlechte Nachrichten verderben lassen, sondern erkannte Mängel abstellen und froh sein, dass wir dadurch vor möglichem Schaden geschützt werden. Der Fachhandel wird dabei helfen.
Die Hersteller ungünstig bewerteter Produkte sind in einer schwierigen Lage. Diese Fahrräder sind größtenteils bereits produziert, für weitere Chargen befinden sich die Zukaufteile im Hause. Wie groß ist das Risiko, dass Verbraucher zu Schaden kommen tatsächlich und was muss deshalb getan werden? Viele Fragen sind offen.
Fahrräder sind zulassungsfreie Verkehrsmittel. Kraftfahrzeuge benötigen eine Betriebserlaubnis, Fahrräder bringen der Hersteller oder sein Vertreter eigenverantwortlich in den Verkehr. Gesetzlich geregelt sind aber die Haftungsansprüche geschädigter Kunden.
Der Käufer eines Fahrrades hat das Recht, die Qualität geliefert zu bekommen, die er zum Zeitpunkt des Kaufes, unter angemessener Berücksichtigung aller Umstände, berechtigter Weise erwarten konnte. Markenname, üblicher Gebrauch, Preis, Herstellerangaben, Stand der Technik und vieles mehr gehören zu diesen Umständen.
Billige Trekkingbikes gibt es („vormontiert“) schon ab 200,-- Euro. Im Test 2009 waren Trekkingbikes der 1000-Euro-Klasse. Die berechtigten Ansprüche eines Käufers dürfen deshalb hoch sein, entsprechende Prüfanforderungen waren zu stellen.
Vergleichender Warentest von Produkten im oberen Preisbereich hat nicht die Aufgabe aufzuzeigen, dass die Mindestanforderungen geltender Sicherheitsnormen erfüllt werden. Es sind anspruchsvolle Überprüfungen durchzuführen, die den berechtigten Erwartungen eines Käufers gerecht werden. Das entsprechende Prüfprogramm wird lange vor dem Test im Beirat der Stiftung mit den Branchenvertretern beraten und ist den Herstellern bekannt.
Für den Bauteiletest gibt es mehrere Wege z.B. : Wechselbiegebelastungen als gestufte Blockprogramme mit pneumatischer Anregung oder als Betriebslastennachfahrversuche auf dem Hydropulser. Blockprogramme nach DIN-EN 14764 (City/Trekking) als europäische Mindestanforderungen und Blockprogramme nach DIN plus (Trekking) für die obere Fachhandelsqualität in Deutschland unterscheiden sich ganz wesentlich. Am Beispiel der dynamischen Prüfung Lenker/Vorbau-Einheit kann man das erkennen:
Wer behauptet, dass sein Lenker DIN-EN 14764 genügt, sagt damit, dass er nur einfachste Anforderungen erfüllt und im Test berechtigter Weise abgewertet werden musste. Lenkerbügel nach DIN-EN kaufen die Hersteller für ca. 2.-- Euro ein, nach DIN plus getestete für den mehrfachen Betrag. Lenkerbügel der Spitzenmarke Syntace für Trekkingbikes kosten im Einkauf z.B. 24,-- Euro. Diese Preisunterschiede sind auch ein Hinweis auf Qualitätsunterschiede!
Zwei weitere Prüfungen im Test werden kritisiert; der Test des fertig montierten Fahrrades auf dem Rollenprüfstand und der Bremsentest. Auch hierzu einige Hinweise:
Rollenprüfstandstests nach DIN 79100 gibt es seit 1976. Die Stiftung Warentest führt diese Prüfungen fertig montierter Fahrräder seit ca. 30 Jahren durch. In DIN EN 14764 wird auf diesen Test verzichtet. „Sichere“ Bauteile sollen automatisch ein „sicheres“ Fahrrad ergeben. Lediglich im informativen Anhang der deutschen Fassung wird noch auf veraltete Anforderungen hingewiesen. Das ist völlig unzureichend. Das Prüfprogramm der Stiftung Warentest sieht deshalb den Rollenprüfstandstest analog DIN plus vor. Einige Bauteile haben diesen Test nicht bestanden.
Große Verwirrung herrscht offensichtlich in der Branche bezüglich der Bewertung von Bremsverzögerungen. Aus technischen Gründen bezieht man die Sollwerte auf ein Gesamtgewicht vom 100 kg und rechnet dann linear um, wenn das zulässige Gesamtgewicht von 100 kg abweicht. Trekkingbikes mit Gepäckträgern für 25 kg, welche die Anforderungen an die Bremsverzögerung bei Nässe für 100 kg gerade noch erfüllen, werden abgewertet, selbst wenn das ein Hersteller nicht verstanden haben sollte, denn sein Fahrrad kann ca. 140 kg Gesamtmasse haben.
Auch dieser Test zeigt, dass viele Anbieter ihre Fahrräder nicht ausreichend prüfen, bevor sie in den Markt kommen. Die Betriebsfestigkeit und damit die Sicherheit, muss dem angebotenen Produkt entsprechen und nicht nur einfachen Mindestanforderungen genügen. Normen sind keine Gesetze, sondern Absprachen betroffener Kreise, erstellt nach den Regeln des Normungsinstituts. Auf europäischer Ebene ist dabei ein sehr einfaches Sicherheitsniveau festgelegt worden.
An der Testdurchführung ist aber auch begründete Kritik geübt worden. Mancher Hersteller wüsste gerne mehr über den festgestellten Schaden und die Umstände unter denen er eingetreten ist. Das Haftungsrisiko ließe sich leichter einschätzen und Produktverbesserungen könnte man gezielter durchführen. Aber ist das nicht auch ein Hinweis darauf, dass es beim Hersteller an der nötigen Sachkenntnis fehlt?
Der Trekkingradtest wurde im Heft „test Mai 2009“ ab Seite 72 publiziert. Auf Seite 70 wird das „Trekkingrad von Norma“ für 199,-- Euro besprochen. Es gab viele Mängel, aber „die Bremsen funktionieren nass wie trocken gut“ und „Lampenhalter und Gepäckträger waren beschädigt, während Rahmen, Gabel und Lenker durchhielten“ - lautet die Bewertung der Betriebsfestigkeit.
So mancher wird sich da denken, dass ein zu billig eingekaufter Lenker am Ende doch recht teuer werden kann.“
Ernst Brust
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