Premiere für die neue Nischen-Messe
European Handmade Bicycles Expo macht Lust auf Individualität
„Die wichtigste Aufgabe, die wir uns mit der Messe gestellt hatten, war bereits am Freitag Mittag erfüllt“, erklärte Ingo Brantl stolz, zusammen mit Indra Sarkar Veranstalter der EHBE (
www.e-h-b-e.eu
). Angeregt von der Nordamerikanischen Messe für Handgefertigte Fahrräder NAHBS wollten sie der Nische für individuellen Fahrradaufbau auch in Europa eine Kommunikationsplattform bieten. Das zitierte Ziel: Die Rahmenbauer-Szene einmal zusammen zu bringen, „den Auftritten im Internet ein Gesicht zu verpassen“, wie Brantl es ausdrückte.
Das ist den Veranstaltern, die selbst mit ihrem Unternehmen 2SoulsCycles Rahmenbau betreiben, definitiv gelungen, davon konnte sich jeder überzeugen, der am zweiten Mai-Wochenende durch das Schwäbisch Gmünder CongressCentrum Stadtgarten ging. „Eigentlich ist diese Messe ein einziger großer Szene-Treff“, war immer wieder zu hören. Dass die Kommunikation darin so reibungslos funktionierte, hatte vor allem zwei gute Gründe: Der besagte Veranstaltungsort war wie geschaffen für eine derartige Veranstaltung. Offen, mit relativ viel natürlichem Licht und auf mehrere Ebenen verteilt, konnte man sich ohne die klassischen Messe-Gänge von Stand zu Stand treiben lassen - man stand aber immer mittendrin. Die zweite Voraussetzung: Schon bei der Premiere der Messe waren statt der anfangs als Minimum geplanten vierzig Aussteller 69 gekommen – und damit hatte der Veranstalter bereits ein große Hürde genommen.
Alles so schön bunt hier
Vielfältiger als man es vielleicht für eine Rahmenbau-Messe erwarten würde stellte sich die Ausstellerliste dar: Zunächst waren mit Rohrhersteller wie zum Beispiel Columbus, Tange oder Reynolds die Möglichkeiten für Networking an der Rahmenbau-Basis geschaffen. Das Gros der Aussteller setzte sich dann aus Rahmenbauer vieler speziellen Richtungen zusammen, allen voran die italienischen Rennrad-Spezialisten wie De Rosa, Passoni, Zullo oder auch der Rahmenkünstler Dario Pegoretti. Im Gegensatz zum amerikanischen Original waren auf der EHBE aber auch Rahmenbauer aus anderen Bereichen vertreten – vor allem was das Alltags- und Reiserad anbelangt. Hier konnte man auf Innovationen von fast durchweg kleinen Anbietern wie Gebla aus Würzburg treffen, aber auch seit langem etablierte Rahmenbauer wie Norwid.
Riemen statt Kette
Auch wenn die EHBE keine reinen Neuheiten-Messe ist, wurde eine Innovation an auffällig vielen Ständen präsentiert und ins Programm genommen: Der Gates-Riemen hält nun wirklich Einzug in die hochwertig orientierte Fahrradwelt. So will Rudolf Pallesen von Norwid in Zukunft ein Highend-Reiserad mit Zahnriemenantrieb anbieten – sobald die Freigabe des Nabenherstellers Rohloff erfolgt ist. Schließlich entsteht so ein praktisch wartungsfreier Komplettantrieb für das hochwertige Skagerrak-Reiserad. Der Riemen ist aber auch gut für wartungsarmen Minimalismus: Auf dem Fixie-Inc.-Stand überraschten einige Singlesped-Räder mit dieser Art der Kraftübertragung – natürlich mit „Wechselrolle“ im Hinterrad, so dass man wie gewohnt zwischen Fixed Gear und Freilauf wählen kann.
Dasselbe galt auch für ein poppig gestaltetes Eingangvelo am Stand, neben dem ein Schläger lehnte:
Der Prototyp eines Rads für Radpolo – eine Sportart, die laut Fixie Inc. gerade stark im Kommen ist.
Singlespeeder und Fixies waren auch an vielen anderen Ständen zu sehen – manchmal allerdings nur als schmückendes Beiwerk, wie beim jungen Carbonrahmen-Anbieter Rafael.
Hochprofessionelle Anbieter standen neben Newcomern der Branche, und auch der vorinformierte Laie konnte die beiden manchmal nicht auseinander halten – was aber niemals als Problem gesehen wurde, da die von großen Messen bekannte kommunikative Hemmschwelle auf der EHBE praktisch nicht existierte.
Individualität überall
Neben Rahmen- und Bikehersteller nutzten auch zahlreiche Komponenten- und Zubehöranbieter den Auftritt auf der EHBE. Auch hier zählte das individuelle Angebot – wie zum Beispiel beim italienischen Bikewear-Hersteller Biciclista: Er liefert Trikots und Radhosen ganz nach Kundenwunsch, so dass sich also Vereine oder Radgruppen ihr eigenes Trikotdesign ordern können. Für „Individualität en Gros“ sorgen auch die neuen farbig eloxierten Nabenhülsen, die Sram auf seinem Stand vorstellte. „Wir suchen mehr Nähe auch zu kleinen Partnern“, erklärte Tobias Erhard, „und das geht hier sehr gut.“ Andere Komponenten- oder Zubehör-Hersteller, die nicht direkt in die Individualität-Nische passten, fühlten sich auf der EHBE dennoch gut aufgehoben: Sattelhersteller Brooks, Schaltungs-Meister Schlumpf und eine Riege von Leichtbau-Spezialisten gehörten dazu.
Kreativität zählt
Gelobt wurden von den Ausstellern neben der Atmosphäre der Halle auch die erschwinglichen Standgebühren. Sie trugen sicher dazu bei, dass junge, sehr kreative Aussteller und Unternehmen vor Ort waren – wie zum Beispiel Cycloholics, die mit einem überlangen Chopper mit Plüschsessel an den Stand lockten. Und mit dem Angebot, das individuelle Rad jeder Couleur zu bauen – egal ob Fungerät, Lastenrad oder Fantasie-Velo. Ein Blickfang waren auch die Titan-Bikes des spanischen Ausstellers Amaro, der gelungene und schön verarbeitete Rahmen teils sehr exzentrisch kombinierte – etwa mit Breitreifen und Rennlenker.
Die Möglichkeit, Kreativität in Aktion zu zeigen, was sich bei einer so verbrauchernahen Messe anbietet, wurde wenig genutzt: Immerhin demonstrierte Alutech seine Schweißkünste an Hinterbauten eindrücklich gleich neben der Ausstellungshalle. Sicher zielt das Konzept der Messemacher aber auch weniger auf diese Art von Erlebnis-Messe ab.
Die geschätzten 3000 Besucher auf der Premiere sind für die Messe sicher eine gute Basis, und so legten sich die Veranstalter insgesamt rundum zufrieden auch schon für die nächsten drei Jahre fest. Auch die Aussteller waren weitgehend zufrieden: 60 sagten noch am Sonntag Abend für die nächste Ausgabe an Pfingsten 2010 zu.
Einige Aussteller erwarten dann mehr Fachpublikum – der Veranstalter sollte ihrer Meinung mehr die Werbetrommel rühren. Den beschwingten Festival-Charakter der Messe würde das sicher nicht mindern.
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