Komplizierter Beziehungsstatus
Expertentalk zeigt Stand der Entwicklung bei Bahn & Rad
Auf dem letzten Vivavelo-Kongress beschrieb ADFC-Bundesgeschäftsführerin Ann-Kathrin Schneider das Verhältnis von Fahrrad zu Bahn noch als einseitige und unerwiderte Liebe. Wenn man beim Expertentalk am 9. März 2023 im Deutschen Museum Verkehrszentrum zugegen war, könnte sich dieses Bild etwas gewandelt haben.
So erklärte etwa Andreas Schilling, Vorstandsbeauftragter Marketing der DB Regio AG und verantwortlich für die Fahrradservices bei der Bahn, dass man Multimodalität und Radverkehr schon aus reinem Eigeninteresse sehr gut findet und nach Möglichkeit fördert, da es die eigene Position stärkt. Dementsprechend würden die bestehenden Kapazitäten immer weiter und auf allen Ebenen ausgebaut. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass das gegenwärtige Tempo dieser Bemühungen noch nicht ausreiche. So würde das Ziel, eine Million Fahrradstellplätze in der Republik zu schaffen, bei dieser Geschwindigkeit „niemand von uns zu Lebzeiten erleben, auch nicht die Jüngsten“. Viele der (tatsächlich zahlreichen) Maßnahmen, auch das war zwischen den Zeilen der Experten zu hören, sind noch in Planungs- oder sonstigen frühen Phasen der Umsetzung.
„Steter Tropfen höhlt den Stein“, lautete daher die Devise für Christoph Helf, der für die Stadt München im Mobilitätsreferat wirkt. Die Herausforderungen bei der Umgestaltung der Städte und der Schaffung einer fahrradadäquaten Infrastruktur kamen bei seinen Beiträgen deutlich zum Vorschein. Angesichts der verschiedensten Nutzungsansprüche und daraus resultierenden Nutzungskonflikte werde es nie genug Platz geben. In der Praxis sei ein „feinfühliges Orchestrieren“ notwendig.
Elena Laidler-Zettelmeyer von Zukunft Fahrrad verband das kommende 49-Euro-Ticket mit der Forderung, eine Erweiterung um ein Fahrradticket einzuführen. So könne eine engere Verbindung der beiden Verkehrsträger hergestellt werden. Eine Idee, von der sich der Rest des Panels wenig überzeugt zeigte.
Schließlich bemühte sich Johannes Stuhler, Mitgründer von Verleiher Listnride, die Vorzüge einer funktionierenden Sharing-Infrastruktur für die Fahrradnutzung herauszustellen. Unterstützung bekam er dabei von Bärbel Fuchs, Geschäftsführerin der Bayerische Eisenbahngesellschaft mbH, die auf eine Meta-App hofft, bei der die verschiedensten Sharing-Angebote mit geringen Hürden genutzt werden könnten. Tatsächlich werde bereits an so etwas gearbeitet.
Auch dies ist ein weiterer unter vielen interessanten Ansätzen, die auf der Zu-tun- und Wird-gerade-gemacht-Liste stehen. So richtig überzeugt, dass demnächst der Knoten aufgehen könnte, ist man nach diesem Expertentalk trotzdem nicht.
Die Liebe der Bahn zum Fahrrad: Sie scheint durchaus vorhanden, wirkt aber mitunter sehr kühl und zurückhaltend. Statt mit Elan eine Beziehung zu führen, geht deutlich mehr Aufwand in die Formulierung eines Ehevertrags. Heiß und innig ist da jedenfalls nichts, und auch an einer Zweckbeziehung gibt es noch viel zu feilen.
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