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Handel - Zusatzsortimente

Fahrräder und mehr …

Mit Fahrrädern lässt sich gutes Geld verdienen. Trotzdem warten manche Händlerinnen und Händler noch Nähmaschinen, sie verkaufen Espressi und Gelati oder übernehmen Aufträge, um Skier und Snowboards für die Piste zu präparieren. Lohnt sich das?

Betriebswirtschaftlich unterscheidet man im Einzelhandel drei Sortimentsformen: In einem Fahrradladen zählen zum Kernsortiment Bikes, Helme, Zubehör und Bike-Bekleidung. Fahrradversicherungen und Leasing-Angebote, also alle zusätzlichen Angebote und Produkte, die das Kernsortiment ergänzen, fallen unter die Bezeichnung Randsortiment. Von einem Zusatzsortiment spricht man, wenn die Angebote und Produkte mit der eigentlichen Branche nichts zu tun haben. Ihre Funktion besteht etwa darin, Kundinnen und Kunden über den zusätzlichen Service an den Bike-Laden zu binden. Gleichzeitig möchte man sich vom Wettbewerb abheben. Manche Zusatzsortimente werden ständig angeboten, andere nur saisonal.

Tradition: Bikes und Nähmaschinen

Stefan Hausmann führt mit seinem Vater zusammen die Geschäfte in der »Fahrradwelt Hausmann« in Gundelfingen. Neben dem Bike-Verkauf, dem Bike-Leasing und -Fitting bieten sie auch Nähmaschinenreparaturen der Marken Pfaff, Bernina und Brother an. Kein Zufall, denn dieses Angebot hat in der »Fahrradwelt Hausmann« eine lange Tradition. Im Frühjahr 1920 gründete Anton Hausmann Senior, Stefans Großvater, ein Spezialgeschäft für Fahrräder und Nähmaschinen. »Nähmaschinen haben bei uns also seit über 100 Jahres einen sehr hohen Stellenwert und vom Fahrrad allein konnte man damals nicht leben«, blickt Stefan Hausmann zurück. 1990 lernte er selbst noch den Beruf des Feinmechanikers, Fachrichtung Nähmaschineninstandsetzung. Schon damals waren sie aus ganz Bayern nur zu zweit und die Tragfähigkeit des Berufsbildes stand in der Diskussion. Heute gibt es die Berufsausbildung nicht mehr. Sie ging in den/die Feinwerkmechaniker/in auf. »Als ich anfing, verkauften und reparierten wir in den Sommermonaten Fahrräder. Im Winter, wenn die Nachfrage dort deutlich zurückging, rückten die Nähmaschinen in den Vordergrund«, erzählt Hausmann. »Bis vor 20 Jahren hatten wir in Lauingen, einem Nachbarort, sogar noch ein eigenes Nähmaschinengeschäft, in dem meine Mutter auch Nähkurse anbot. Doch die Zeiten änderten sich in den letzten beiden Jahrzehnten nicht nur enorm, sondern enormst. Fahrräder haben die letzten 15 bis 20 Jahre einen völlig anderen Stellenwert bekommen. Heute verdienen wir auch im Winter unser Geld damit. Viele, zum Beispiel die, die ein Job-Rad haben, kommen erst dann zur Wartung zu uns, weil sie vorher keine Zeit dafür hatten. Auch deshalb gaben wir den Nähmaschinenverkauf auf. Reparaturen führen wir aber weiter von September bis März durch«, erläutert Hausmann sein erfolgreiches Ladenkonzept. »In diesen Monaten kann ich mich vor Aufträgen kaum retten. Das Geschäft mit den Nähmaschinenreparaturen läuft so gut, weil es heute in einem Umkreis von 40 bis 50 Kilometern niemanden mehr gibt, der diese Arbeit kann und macht, obwohl die Werkstattpreise durchaus mit den E-Bike-Werkstattpreisen vergleichbar sind.« Auch wenn die beiden Geschäftszweige »Fahrrad« und »Nähmaschine« von außen betrachtet kaum Gemeinsamkeiten aufweisen, braucht es in der Werkstatt die gleiche Fertigkeit: mechanisches Geschick. Stefan Hausmann möchte an seinem Konzept nichts ändern, denn »auch die Synergieeffekte sind nicht zu verachten: Wer mit der Nähmaschinenreparatur zufrieden ist, vertraut auch darauf, beim Fahrradkauf gut beraten zu werden. Sorgen bereiten mir eigentlich nur zwei Faktoren: Zeitmangel und Fachkräftemangel«.
Die Situation von Rudolf Forster von »Forster – Radsport – Nähmaschinen« stellt sich demgegenüber anders dar. Er verkauft im Süden Baden-Württembergs, in Spaichingen, das Mitte 2021 genau 13.404 Einwohnerinnen und Einwohner zählte, seit mehr als 40 Jahren Nähmaschinen. Zehn Jahre später zogen auch Fahrräder in den Verkaufsraum ein. Heute liegt sein Fokus wieder klar auf Nähmaschinen, das Fahrradgeschäft ist inzwischen eher in den Hintergrund getreten. »Zwei Mitbewerber bauten in der Nähe ihre Fahrradläden derart groß aus, dass mit ihnen auch in dem kleinen Ort Spaichingen der Fahrradbedarf gedeckt war«, begründet Forster seine Entscheidung.

»Unser ›Monaco Velo Club‹-Café ist ein wichtiger Teil unseres Mottos: ›We sell a dream and the bike is included.‹«

Heiko Wild, Geschäftsführer des Cafes »Monaco Velo Club« und des Fahrradladens »Bikedress«

»Gleichzeitig gaben Einzelhandelsgeschäfte, die neben anderen Produkten auch Nähmaschinen anboten, dieses Segment wieder auf, weil es ihnen zu aufwendig war. Nähmaschinen sind heute nämlich auch computergesteuert. Die verkauft man nicht ›so nebenbei‹. Mit dem Verkauf, der Wartung und Reparatur von Nähmaschinen bin ich heute hier quasi der ›Platzhirsch‹.«

Bike und Café stärken die Community

Eine andere Kombination, die seit einigen Jahren vor allem in großen Städten wie München, Hamburg und Berlin zu finden ist, sind Fahrradläden mit Café. Heiko Wild, Geschäftsführer des Fahrradladens »Bikedress«, und sein Team verkaufen in München nahe der Isar neben Fahrradbekleidung auch Rennmaschinen, Helme und weitere Ausrüstung. Daneben organisiert Wild Bike-Ausfahrten und -Events für die Community. Da lag es nahe, auch räumlich einen Platz zu schaffen, an dem diese sich treffen kann. 2016 eröffnete er deshalb gleich neben »Bikedress« das Cafe »Monaco Velo Club«. »Vor dem Start zu einer Tour trinken wir hier einen Espresso und essen ein Croissant, nach dem Finish klingt der Tag schon mal mit einem Cappuccino und einem Stück Kuchen oder abends mit einer Bruschetta und einem Aperitivo aus.« Für Heiko Wild, der schon während seines Studiums sehr viel in der Gastronomie gearbeitet und danach ein eigenes Café betrieben hat, gehören die beiden Geschäftszweige Bike und Café einfach zusammen. »Die Idee, einen Fahrradladen zu eröffnen, in dem eine andere Gesprächskultur, eine andere Kundenansprache möglich ist, hatte ich schon immer. Mit einer Tasse Espresso in der Hand ändert sich ein Verkaufsgespräch völlig. Früher existierte aber nur der Fahrradladen, die Kaffeemaschine stand da noch in einer Ecke. Das war vor circa 20 Jahren, doch auch das war damals noch kein Standard.« Heute gibt es für das Club-Café einen eigenen, harmonisch gestalteten Raum, der vom Verkaufsraum aus frei zugänglich ist. Neben italienischen Kaffeespezialitäten und diversen Heiß- und Kaltgetränken, inklusive ausgesuchten Weinen und Bier, gibt es im Sommer auch Eiscreme – von »Ballabeni«, einem der angesagtesten Eisproduzenten Münchens. Heiko Wild weiß auch sonst, was gut ist. So lässt er nichts über seine Kaffeemaschine, eine mechanische Faema E61 aus dem Jahr 1961, kommen.
Grundsätzlich, meint Wild, würde sich die Kombination Fahrradladen und Café für alle Händlerinnen und Händler anbieten, doch eine nennenswerte betriebswirtschaftliche Kennzahl stellt der im Café erzielte Umsatz nicht dar. »Es geht um etwas anderes: Selbstverwirklichung und ›nice to have‹ stehen ganz oben. Das Café allein rechnet sich nicht. Aber: Es zeichnet uns auch aus und wir sind damit sogar überregional bekannt geworden. Man spricht über unser Konzept und selbst Touristen besuchen uns. Das Café dient also insbesondere der Kundengewinnung und -bindung. Und nicht zu vergessen: Mit einem guten Cappuccino lassen sich auch Wartezeiten fast unbemerkt überbrücken. Sei es während einer kleineren Reparatur am Bike oder bei einem Besuch eines Pärchens, von dem sich nur einer von beiden für Bike-Produkte interessiert.«
Umsatz generiert Heiko Wild auch über diverse Merchandising-Artikel, die direkt an das Café gekoppelt sind. So kann man die Kaffeebohnen, die aus einer Münchner Rösterei kommen, kaufen, ebenso wie die mit dem »Monaco Velo Club«-Logo versehenen Espresso- beziehungsweise Cappuccino-Tassen, Trinkflaschen und so weiter. »Der Gewinn aus dem Merchandising-Verkauf, zu dem auch ›Monaco Velo Club‹-Trikots und -Hoodies zählen, ist nicht groß, er rundet aber das Konzept ab. Und er passt zu unserer Bekleidungsmarke ›Monaco Velo Club‹, die ich zuvor schon gegründet hatte.« 2025 möchte Heiko Wild noch ein letztes Mal Hand an sein Konzept anlegen. Der Name »Bikedress«, der mit der Aufnahme der Rennräder in den Verkaufsraum heute eher irritierend wirkt, könnte dann in dem alleinigen Namen »Monaco Velo Club« aufgehen. »Ansonsten gibt es nichts zu verändern, denn unser Konzept, die Optik, das Design und die Details haben sich bewährt. Das spiegeln uns auch unsere Kunden wider.«

Bike und Ski als saisonale Ergänzung

Das »Radl'n'Ski Eck« in Höhenkirchen setzt auf ein anderes Zusatzsortiment, wie schon der Name zeigt. Übers Jahr werden Fahrräder verkauft, gewartet und repariert, in den Wintermonaten kommen der Ski- und Snowboard-Verkauf, der dazugehörige Service und der Ski- und Snowboard-Verleih dazu. »Dafür bauen wir dann auch unseren Laden etwas um«, erzählt Alex Zollner, Inhaber des »Radl'n'Ski Eck«. Das Konzept setze aber voraus, dass der Ladenraum groß genug ist. »Unser Vorteil ist außerdem, dass die Reichmann-Maschinen für den soliden Standardservice bis zum Race-Service mit High-Quality-Kantentuning bereits abbezahlt sind.« Heute wäre eine Neuanschaffung nicht mehr möglich, man könne diese bestenfalls nur noch leasen oder mieten. Vergleicht Zollner die drei Winterangebote, stellt er fest: »Der Skiverleih macht heute 70 Prozent des Ski- und Snowboard-Umsatzes aus. Sind die Kunden mit dem Einsatz auf der Piste zufrieden, kaufen sie die Skier auch. Nachfragen nach den Serviceleistungen sind unabhängig davon.« Diese lohnen sich für Händlerinnen und Händler allemal, denn sie würden zunehmend mehr Geld in die Kasse spülen, weil die Werkstattpreise steigen. »Beim Ski- und Snowboardservice ist es eher das Problem, geschultes Personal zu finden. Eine Ausbildung gibt es nicht.« Die Personalfrage ist auch deshalb so entscheidend, weil beide Geschäftszweige als Einzelperson nicht zu bewältigen sind. »Wir sind vier bis sechs Leute, wobei einer flexibel einsetzbar ist. Das braucht man aber auch.«

Lastenräder und stylisches Schuhwerk: Diese Kombination dürfte zu den exotischeren gehören. Der Händler aus München hat die Schuhe schon vor Jahren zugunsten des Cargo-Trends aufgegeben.

Auf die Frage, ob das Bike-Geschäft einträglicher als das Ski- und Snowboard-Geschäft ist, antwortet Alex Zollner: »Ja, auf jeden Fall. Ich kenne heute keinen mehr, der kein Rad oder Zweitrad hat. Manche haben sogar schon ein Drittrad.« Allerdings komme der Umsatz ganz klar aus der Werkstatt. »Sehr gute Mechaniker sind wie Köche eines guten Restaurants. Schmeckt das Essen hervorragend, kommen die Kunden immer wieder«, so Alex Zollner.
Gutes Personal allerdings muss sehr gut bezahlt werden, das aber rechnet sich mit Top-Werkstattleistungen immer wieder.
Die beiden Sortimente funktionieren so gut, weil im Voralpenland der entscheidende Faktor die Bewegung an sich zu sein scheint. »Hier steht man einfach im Winter auf Skiern und im Sommer fährt man Rad«, zieht Zollner sein Resümee. »Und es gibt Synergieeffekte. Dabei ist interessant, dass Kinder und Jugendliche eher den Weg vom Ski zum Fahrrad gehen als umgekehrt.«
Auch in München gibt es neben anderen einen Händler, der die Themen Ski und Bike bespielt. Rolf von Ah von »Ski + Bike« führt sein Geschäft allein und hat vor allem Stammkunden, auch weil er ganz spezielle Wünsche erfüllt: Er konfiguriert Fahrräder, verkauft Kinder- und Jugendräder und bietet Ski- und Snowboard-Service-Leistungen an. »Der Aufbau von individualisierten Fahrrädern ist mittlerweile aber aufgrund der Lieferschwierigkeiten bei den Einzelteilen sehr zurückgegangen.« Demgegenüber läuft der Verkauf von Kinder- und Jugendrädern sehr gut. Auch die Nachfrage nach Wartungsarbeiten und Reparaturen ist ungebrochen. »Der Verkauf von Fahrrädern und die entsprechenden Serviceleistungen werden heute über das ganze Jahr nachgefragt. Die Zweiteilung ›Sommer ist gleich Bike‹ und ›Winter ist gleich Ski‹ greift so nicht mehr.«
Die Ski- und Snowboard-Service-Leistungen bietet von Ah von November bis April oder – je nach Wetterlage – bis Mai an. In der Zeit arbeitet er mit einer externen Firma zusammen, die die Maschinen hat, um dem Ski- und Snowboard-Belag die nötige Struktur zu geben. Alles andere wie Kanten schleifen, wachsen, Belag ausbessern oder abtragen, Verbohrungen reparieren, Bindungen einstellen usw. macht er selbst. Sein betriebswirtschaftliches Fazit: »Die Umsätze im Bike-Bereich sind eindeutig höher als im Ski- und Snowboard-Bereich.« //

20. September 2024 von Dorothea Weniger
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