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Fazua fährt los
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Portrait - Fazua

Fazua fährt los

Der Weg in den Fahrradmarkt ist für Anbieter von E-Bike-Antriebs­systemen oft langwierig und schwer. Geradezu einen Raketenstart hat hingegen das E-Bike-Start-up Fazua hingelegt, das mit dem E-Rennrad zudem ein spannendes Marktsegment im Sturm erobert hat. Allerdings wollen sich die E-Bike-Aus­rüster aus dem Münchner Süden auf den Erfolgen in der Rennrad-Nische nicht allzu lange ausruhen.

Wer zu Fazua will, muss in ein Gewerbegebiet südlich von München fahren. Nicht irgendein Gewerbegebiet: Das Areal im Münchner Vorort Ottobrunn wurde in den 50er Jahren als Stammsitz für den Hubschrauber-Bauer Ludwig Bölkow erschlossen, besser bekannt als eines der B im Namen des einstigen Luftfahrtkonzerns MBB. Als Bölkow Ende der 60er Jahre mit der Messerschmitt AG zu MBB fusionierte, blieb das neue Unternehmen dem Unternehmensstandort Otto-brunn treu. Neben Hubschraubern wurden hier vor allem Raketen für die Bundeswehr entwickelt und produziert. Das Areal war im Volksmund bald als Neu-Peenemünde bekannt.
Auch heute noch fertigt hier Airbus als Rechtsnachfolger von MBB Geräte für die Raumfahrt, wie etwa Solarpaneele für Satelliten und Schubkammern für Raketen. Der Luft- und Raumfahrtkonzern hat seine Präsenz in Ottobrunn in den letzten Jahrzehnten jedoch nach und nach zurückgefahren. Die dadurch freiwerdenden Gebäude haben vor allem Start-ups aus dem Technologiesektor in Beschlag genommen, wie Fazua.
Der Weg zu Fazua führte noch bis vor kurzem durch mehrere Sicherheitsschleusen, ähnlich wie in einem militärischen Sperr­gebiet. Inzwischen liegt das Gebäude nicht mehr in der Sicherheitszone von Airbus. Wer zu dem E-Bike-Ausrüster will, kann einfach hingehen und an der Tür klingeln.
Bei unserem Besuch werden wir von Geschäftsführer Fabian Reuter und Marketing-Mann Felix Kuffner begrüßt. Der jugendlich wirkende Unternehmenssprecher zählt zwar nicht zum Gründerkreis von Fazua, ist aber ein Mitarbeiter nahezu seit der ersten Stunde. Fabian Reuter zählt hingegen zu den Fazua-Gründern, ist aber erst seit vergangenem Jahr vollzeit im Unternehmen tätig: Als der bisherige kaufmännische Geschäftsführer Marcus Schlüter Mitte 2017 bei Fazua ausschied, kündigte Reuter seinen Job als Controller beim ADAC und übernahm die vakante Geschäftsführerstelle. Von Reuter stammt übrigens auch die geniale Wortfindung Fazua, worunter Bayern bei richtiger Betonung »Fahr los« verstehen.
Bei unserem Besuch liegt der Umzug nach Ottobrunn erst wenige Monate zurück. In dem Gebäude, in dem Fazua seit diesem Sommer beheimatet ist, wurden noch bis vor kurzem Raketenstufen für die Trägerrakete Ariane 5 montiert. Dass in dem viergeschossigen Gebäude noch viele Flächen leer stehen oder bisher nur großzügig genutzt werden, ist ein Indiz dafür, dass die Fazua-Gründer ein gesundes Vertrauen in die Wachstumsperspektiven ihres Unternehmens haben.
Der optimistische Blick in die Zukunft hat schon fast Tradition bei Fazua. Das Funktionsprinzip des Fazua-Antriebs skizzierte dessen Erfinder und Patentinhaber Johannes Biechele bereits vor acht Jahren auf vier DIN-A4-Blättern. Biechele, damals Fahrzeugtechnik-Student an der FH München, war schon länger unzufrieden mit den im Markt bisher angebotenen Antriebssystemen. Für sportliche Radfahrer waren ihm die erhältlichen E-Bike-Antriebe zu groß und zu schwer. Vor allem aber änderten sie den Charakter des Fahrrads in seiner Wahrnehmung zu sehr in Richtung eines motorgetriebenen Fahrzeugs.
Als Antwort auf diese Unzufriedenheit entwickelte der Fazua-Gründer zunächst als Projektarbeit an der FH München einen Prototyp des Antriebssystems und nannte ihn Evation. Die Idee gewann 2012 prompt einen Preis beim Start-up-Wettbewerb Weaconomy. Im Interview mit dem »Handelsblatt« sagte der Wettbewerbsgewinner Biechele damals selbstbewusst: »Wenn wir unser neues Produkt anbieten, wird das ein lauter Knall auf dem Markt sein.«
Der Gewinn des Wettbewerbs erzeugte nicht nur die erste mediale Aufmerksamkeit, sondern ebnete auch den Weg für ein Exist-Gründerstipendium und somit für den Start von Fazua als Unternehmen: Ende 2013 wurde die Fazua GmbH von Johannes Biechele zusammen mit den befreundeten Mitstreitern Marcus Schlüter (Marketing und Sales), Sebastian Boß (Einkauf), Philipp Kalläne (Entwicklung) und Fabian Reuter gegründet.

Ein E-Bike und ein Fahrrad

Beim Fazua-Antrieb, der unverändert unter der Modellbezeichnung Evation angeboten wird, wiegen die Baugruppen Batterie, Tretlagergetriebe und Motor bei kompakten Abmessungen zusammen nur 4,6 kg. Der Clou: Akku und Motor bilden eine 3,3 kg schwere Einheit, die sich bei Nicht-gebrauch einfach entnehmen lässt. Das Tretlagergetriebe kann dank entsprechendem Freilaufs auch ohne Motor fast widerstandsfrei getreten werden, so dass ein Fahrrad mit entnommener Motorakku-Einheit sich weitgehend wie ein normales Fahrrad fährt. Der Freilauf im Tretlagergetriebe sorgt zudem dafür, dass der Tretwiderstand auch beim Abregeln des Motors über 25 km/h praktisch nicht zu spüren ist.
Diese Eigenschaften haben vor allem Hersteller von Rennrädern auf das Start-up aus München aufmerksam gemacht. »Unsere erste Bestellung erhielten wir von Eddy Merckx«, berichtet Marketing-Mann Kuffner. Leider blieb dieser Adelsschlag durch die Radsportlegende folgenlos, denn noch vor der ersten Vorstellung entsprechender Fahrradmodelle wurde der belgische Fahrradhersteller verkauft und das Fazua-Projekt bei
Merckx vom neuen Inhaber wieder ein­gestellt. Doch es sollte nicht lange dauern, bis andere Namen aus dem Fahrradmarkt bei Fazua anklopften. Der schlanke E-Bike-Antrieb aus München weckte dabei gleich das Interesse der ganz großen Player im Markt wie Focus und Cube, die mit entsprechenden Modellen ab 2016 schnell ein großes Medienecho erzeugten.

Raketenstart im Markt

Als Cube und Focus die ersten Fahrräder mit Fazua-Antrieb präsentierten, waren die vorgestellten Modelle noch Prototypen. Die Serienfertigung der E-Bike-Antriebssysteme startete bei Fazua erst ein Jahr später. Seitdem geht es für das junge Unternehmen steil aufwärts: Seit der Eurobike ist das Marktangebot von Fahrrädern mit Fazua-Antrieb auf 24 Modelle von über 20 Marken gewachsen. Zu den Erstkunden Focus und Cube gesellen sich für das neue Modelljahr weitere prominente Namen, wie KTM, Lapierre, Storck, Pinarello, Look, Corratec und die
ZEG-Marke Bulls.
»Es gibt in diesem Segment noch keine gesicherten Marktzahlen, aber wir vermuten, dass wir bei E-Renn-rädern gegenwärtig einen Markt-anteil von ca. 80 % haben«, erklärt Geschäftsführer Reuter. Ein Bick nach Asien bestätigt, dass Fazua sich bereits zu einer Standardlösung für E-Rennräder entwickelt hat: In China können Fahrradhersteller bei OEM-Anbietern seit kurzem die ersten fertigen Rahmenlösungen für den Fazua-Antrieb ordern. »Das ist ein Bereich, den wir so gar nicht gesehen und auch nicht initiiert haben. Das ist quasi ohne unser Zutun entstanden«, erklärt Geschäftsführer Reuter im Gespräch mit velobiz.de.
Über 500 Antriebssysteme werden in der Woche bei Fazua in Ottobrunn gegenwärtig im Einschicht-Betrieb gefertigt. Vor rund einem Jahr waren es noch etwa 50 Antriebe in der Woche. Als wir die Produktionsräume besuchen, wummert aus den Boxen Heavy Metal – Fazua ist nicht nur dem Gründungsdatum nach ein junges Unternehmen. Die Bauteile für das Antriebssystem kommen zu rund 80 % von Zulieferern aus Deutschland. Die geografische Nähe in München zur Automotive-Industrie ist dabei durchaus ein Vorteil, wie wir bei der Betriebsführung erfahren.
Auch in der Zusammenarbeit mit dem Fachhandel hat Fazua gerade einen Lauf: Trotz des jungen Unternehmensalters haben sich bereits über 200 Fahrradhändler als Service-Partner schulen lassen. Im Terminkalender von Fazua stehen in diesem Jahr zudem 16 Teilnahmen als Aussteller an Fachmessen.
Und auch in der Finanzwelt ist man längst auf das junge Unternehmen aus dem Münchner Vorort aufmerksam geworden: Gerade erst sicherte sich Fazua ein Investment von 6,5 Mio. EUR von Bestandsinvestoren sowie einem neuen Investor (mehr dazu ab Seite 33).

Mehr als nur Rennräder im Blick

Den gegenwärtigen Erfolg sieht man bei Fazua als Übergangsphase. »Momentan stehen wir noch ganz tief in der E-Rennrad-Ecke. Wir glauben aber, dass dieses Segment trotz der gegenwärtigen Aufmerksamkeit durch Hersteller und Medien eine Nische bleiben wird«, sagt Reuter, und ergänzt: »Nur mit E-Rennrädern machst du noch keine Stückzahlen«. Das Marktsegment der Zukunft beschreiben die Fazua-Macher für ihr Unternehmen deshalb mit den Worten »alle Fahrräder, die leicht, sportlich und schön sind«.
Für dieses Ziel wollen sich die Fazua-Macher auch technisch auf den bereits erzielten Erfolgen nicht ausruhen: In den Entwicklungsbüros des Ottobrunner E-Bike-Ausrüsters wird bereits an der nächsten Generation getüftelt, die zwar das konstruktive Grundprinzip beibehalten, den Fahrradherstellern aber mehr Gestaltungsfreiheit rund um den Antrieb bieten soll. »Und irgendwann wird es vielleicht mal auch eine zweite, neue Produktlinie neben dem Evation-Antrieb geben«, geben uns die Fazua-Macher zum Abschied als Information mit auf dem Weg. Es lohnt sich also, auch künftig einen Blick auf die E-Bike-Macher in der ehemaligen Raketenwerkstatt zu werfen.

13. August 2018 von Markus Fritsch

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