Report - Crowdfunding
Finanzspritze von der Crowd
Auch die Schwarmfinanzierung, so die weniger gebräuchliche deutsche Bezeichnung, ist ein Finanzierungstrend, der aus den USA kommt. Indiegogo und Kickstarter heißen die Pioniere dieser Bewegung: Sie stellen eine Plattform zur Verfügung, auf der junge Unternehmen ihre Geschäftsidee vorstellen und damit um private Investorengelder werben können. Diesen Gönnern winken dafür Vergünstigungen, Gutscheine und Boni. Die Mindest-Investitionssumme beträgt häufig gerade mal 1 USD. Bei den größten deutschen Plattformen Seedmatch und Companisto liegt der Mindestbetrag bei 250 EUR.
Über 200 Crowd-Projekte mit Bike-Bezug
Doch ist die Schwarmfinanzierung wirklich für alle jungen Unternehmen eine Option? »Crowdfunding und Crowdinvesting sind in erster Linie für B2C-Unternehmen interessant«, erklärt Benjamin Heimlich, Redakteur des VentureCapital Magazins und Experte für Frühphasenfinanzierung. »Es ist wichtig, dass das Geschäftsmodell leicht verständlich ist.« Hier könnte also ein Grund liegen, warum sich viele Projekte aus der Fahrradbranche auf den Crowd‑
investing-Plattformen tummeln. Auf Kickstarter ergibt eine Suche nach dem Begriff »Bike« über 200 Treffer, die meisten davon haben tatsächlich einen Bezug zur Fahrradbranche. Bei sieben dieser Projekte liefen zum Redaktionsschluss die Finanzierungsrunden noch, die übrigen waren abgeschlossen. Fünf der sieben aktuellen Bike-Unternehmen auf Kickstarter warben mit technischen Innovationen. Hinzu kamen ein radelnder Hot-Dog-Verkaufsstand und eine Übernachtungsmöglichkeit für Mountainbiker in einer australischen Bergregion. Den mit Abstand größten Betrag unter diesen sieben Projekten konnte mit bislang über 400.000 EUR das Konzept eines wartungsfreien Fahrrads aus New York Priority Bicycle einwerben. Doch auch das Hot-Dog-Fahrrad hat sein – deutlich bescheideneres Ziel – mit über 1.500 USD bereits nach kurzer Zeit erreicht. Unter den bereits abgeschlossenen Crowdfunding-Runden konnte das vernetzte Fahrrad Vanhawks Valour, über das auch velobiz.de bereits berichtete, den größten Betrag mit über 800.000 USD einwerben.
Hierzulande ist Crowdfunding noch nicht ganz so weit verbreitet. Dennoch: Die Idee kommt zwar aus den USA, in einem Teilbereich ist Deutschland aber schon weiter, wie Heimlich erläutert: »Crowdfunding, bei dem die Investoren Unternehmensanteile erhalten, ist in den USA noch verboten.« Es werde jedoch erwartet, dass sich das durch eine neue Regulierung bald ändern dürfte. In Deutschland sind Eigenkapitalbeteiligungen durch Crowdfunding dagegen rechtens – zumindest bis zu einer Höhe von 200.000 EUR. »Darüber benötigt die Plattform eine BaFin-Lizenz.« Um auch höhere Investitionssummen zu ermöglichen, wählen die Crowdinvesting-Plattformen häufig statt einer Eigenkapitalbeteiligung die Konstruktion eines partiarischen Nachrangdarlehens. Einige wenige Anbieter wie Bergfürst sind sogar im Besitz einer BaFin-Lizenz. Hier ist somit die Beteiligung über Aktien möglich.
Schwarmintelligenz versus Herdentrieb
Dass sich im deutschsprachigen Raum deutlich weniger Unternehmen über Crowdfunding finanzieren, hat auch mit der Politik der Anbieter zu tun. »Die meisten amerikanischen Plattformen wie Indiegogo oder Kickstarter sind offen und vertrauen auf die Schwarmintelligenz«, berichtet Heimlich. Dagegen treffen die deutschen Anbieter häufig eine Vorauswahl, bevor sie die Unternehmen auf die Crowd loslassen. »Die Frage ist, wo die Schwarm‑
intelligenz aufhört und der Herdentrieb beginnt«, meint Heimlich.
Zu den führenden deutschen Plattformen zählt Seedmatch. Hier hat man klare Vorstellungen, was ein Unternehmen mitbringen muss, um für eine Schwarmfinanzierung in Frage zu kommen. Diese Voraussetzungen sind auch auf der Homepage der Plattform aufgelistet. Dana Melanie Schramm von Seedmatch sieht dabei in der Kommunikation das »A und O« einer erfolgreichen Crowdinvesting-Kampagne. Für viele junge Unternehmen sei der PR- und Marketing-Effekt mindestens ebenso wichtig wie der Finanzierungsaspekt. Auch für Heimlich ist die Kommunikation ein wichtiger Faktor für die Unternehmen, die dabei auch unterstützt werden: »Die Crowdfunding-Plattformen stellen Hilfsmittel für den Austausch zwischen den Unternehmen und den potenziellen Investoren bereit«, so Heimlich. In den drei bis vier Wochen der Mitteleinwerbung müssen sich die Unternehmen dabei häufig auf eine »Rund-um-die-Uhr-Betreuung« der Investoren einstellen.
Bei Seedmatch sollte ein Start-up darüber hinaus noch weitere Charakteristika aufweisen: »Es muss ein innovatives, skalierbares Geschäftsmodell sein«, erklärt Schramm. »Das Unternehmen sollte also in der Lage sein, schnell zu wachsen.« Zudem sollte das Produkt oder die Dienstleistung »die Massen begeistern« und möglichst ein Alleinstellungsmerkmal aufweisen. »Wichtig ist auch ein Proof-of-Concept«, fügt Schramm hinzu. »Es sollte also bereits nachgewiesen sein, dass die Idee funktioniert.« Ein entscheidender Faktor seien auch die Persönlichkeiten des Gründerteams, die möglichst Entwicklungs-, Vertriebs- und Marketing‑
erfahrung mitbringen sollten.
Ob ein Hot-Dog-Rad bei Seedmatch überhaupt zugelassen würde, erscheint angesichts dieser Kriterien eher fraglich. LeaseRad ist bislang das einzige Unternehmen der Fahrradbranche, das sich über Seedmatch Geld besorgte. Schramm kann sich aber gut weitere Projekte aus diesem Bereich vorstellen. Aus dem Segment der (automobilen) Mobilität gibt es bereits mehrere Beispiele. Zudem zählt das Thema Gesundheit zu den Trends, denen Seedmatch besonders viel Potenzial im Crowdfunding zutraut.
BikeCityGuide: Wachstum mit der »Crowd«
Trotz der klaren Kriterien ist Seedmatch grundsätzlich für alle Branchen offen. Die österreichische Crowdfunding-Plattform Green Rocket ist dagegen spezialisiert auf nachhaltige Projekte. Dazu gehört die Fahrrad-Navi‑
gations-App BikeCityGuide, die erst kürzlich erfolgreich ihre Crowdinvesting-Runde beendete und dabei über 130.000 EUR bei Investoren einwarb. Mit dem Geld soll die internationale Expansion der App finanziert werden. »Durch den Mehrwert, die unsere Idee für die User hat, ist auch das Interesse an der weiteren Umsetzung des Projekts vorhanden«, erklärt Daniel Kofler, Gründer und Geschäftsführer der Grazer BikeCityGuide Apps GmbH. »Es war uns ein Anliegen, diese User durch Crowdinvesting am Unternehmenswert teilhaben zu lassen.«
Aus Sicht des App-Anbieters hat sich diese Finanzierungsalternative förmlich angeboten. »Die meisten Venture-Capital-Modelle sind für uns deshalb nicht in Frage gekommen, weil ein Verkauf der Firma nicht unser oberstes Gebot ist und wir nicht darauf hinarbeiten«, begründet Kofler die Finanzierungsentscheidung. Auch der Weg zur Bank war keine Alternative: »Eine Finanzierung durch Fremdkapital ist in Zeiten wie Basel III für Start-Ups sowieso relativ unmöglich. So wurde uns zum Beispiel von unserer Bank gesagt, dass wir zwei Drittel des Wertes hinterlegen müssten, um den gesamten gewünschten Kredit zu bekommen.«
Das Crowdinvesting war aus Sicht von BikeCityGuide genau die richtige Finanzierungsalternative. »Eine Schwarmfinanzierung ist für den Unternehmenserfolg sehr wesentlich, weil es auf der einen Seite die nötige Finanzierungsgrundlage bietet und auf der anderen Seite die Reputation nach außen hin erhöht«, so Kofler. »In unserem Falle erleichtert uns die Kampagne eine schnellere Marktexpansion (UK) und die Herstellung unserer Finn-Handyhalterung auch in anderen Farben.«
Unternehmen der Fahrradbranche, die sich im deutschsprachigen Raum Geld über Crowdfunding besorgen, sind also durchaus erfolgreich gefahren. Neben dem aktuellen Beispiel BikeCityGuide ist LeaseRad ein weiterer Erfolgsfall. Der Freiburger Anbieter von Fahrradleasing-Konzepten absolvierte 2012/13 zwei Crowdinvesting-Runden bei Seedmatch und ist seitdem stark gewachsen.
Die Finanzierung über die Crowd kann also durchaus zum Erfolgsmodell avancieren. Während über die offenen US-amerikanischen Plattformen jede noch so verrückte Idee eine Chance hat, bedeutet der Zugang zu den deutschen und österreichischen Anbietern bereits einen guten Test fürs hoffentlich innovative Geschäftsmodell. Wer dann hier erfolgreich Geld bei Privatinvestoren einwirbt, macht sein Unternehmen damit bekannter und mitunter auch reif für weitere Finanzierungsrunden bei professionellen Investoren. Der Aufwand, den eine Crowdfunding-Kampagne insbesondere in der Kommunikation mit sich bringt, sollte dabei allerdings nicht unterschätzt werden. Doch wie bereits einige Erfolgsbeispiele zeigen, bietet dieser Finanzierungstrend für junge Unternehmen mit innovativen Ideen auch in der Fahrradbranche durchaus attraktive Entwicklungs‑
möglichkeiten.
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