Aktuelle Ernst & Young-Studie
Fördergelder: Hürden für kleine Händler am höchsten
Die Ernst & Young GmbH ist eine international agierende Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit 24 Standorten allein in Deutschland. Ende letzten Jahres veröffentlichte Ernst & Young das „KMU-Förderbarometer 2012“, eine Studie, in deren Vorfeld die Autoren 1 000 kleine- und mittlere Unternehmen (KMU) mit bis zu 500 Beschäftigten befragten. Die Ergebnisse konnten in Relation zu einer weiteren Studie des Unternehmens gestellt werden: Das „Mittelstandsbarometer 2011“ mit der Sonderbefragung zum Thema „Nutzung öffentlicher Fördermittel“ lieferte hierfür die Vergleichsdaten.
Die größte Gruppe der befragten Unternehmen kommt aus dem Handel (24 %), gefolgt von den Branchen Bau und Energie (23 %), Dienstleistung (22 %), Industrie (10 %), Telekommunikation (8 %), Finanzen (6 %) sowie Logistik (7 %).
Nur wenige Antragsteller
Nur knapp 17 % der KMU gaben an, dass sie 2012 überhaupt Fördermittel bezogen haben. Im Vergleich zu 2011 ein Rückgang um 3 %. Ein Blick auf die Verteilung zeigt, dass im Osten strukturbedingt mehr Fördergelder als im Westen beantragt wurden. Im Osten ist es jedes fünfte, im Westen jedes zehnte Unternehmen.
Von den KMU, die keine Fördermittel beantragt haben, begründeten 68 % dies damit, dass sie keinen Bedarf gesehen haben. 11 % gaben an, dass sie entweder kein Interesse oder keine Zeit für die Beantragung hatten oder ihnen der administrative Aufwand als zu hoch erschien. 4 % der Verantwortlichen sagten, dass ihnen die Informationen über Fördermittel und ihre Beantragung fehlten.
Zuschüsse ohne Rückzahlung sind am attraktivsten
Der Art der Förderung sind kaum Grenzen gesetzt. Am begehrtesten sind nach wie vor die klassischen Förderinstrumente wie Zuschüsse und Zulagen, da sie nicht zurückgezahlt werden müssen. Im Vergleich zum Vorjahr (63 %) stiegen diese 2012 um 11 % auf 74 %.
Demografie-Problem erkannt, aber nicht zu Ende gedacht
Die Antworten auf die Frage, für welche unternehmerischen Aktivitäten Fördergelder beantragt und ausgegeben wurden, überraschen – vor allem im Vergleich mit den Werten aus 2011 und der generellen Einschätzung bezüglich wirtschaftlicher Herausforderungen für die nächsten fünf Jahre.
2012 wurden 35 % der Fördergelder zur Wachstumsfinanzierung benötigt. Lediglich 19 % der Unternehmer gaben an, dass sie die Fördergelder in die Aus- und Weiterbildung sowie Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investierten. Eine Umkehrung der Verhältnisse im Vergleich zu 2011: Im vorletzten Jahr flossen noch 32 % der Fördergelder in die Aus- und Weiterbildung, 17 % in die Wachstumsfinanzierung (vgl. Abb. 2).
Diese Entwicklung ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass 2011 61 % der Unternehmer angaben, dass aus unternehmerischer Sicht diese Investition mithilfe von Fördergeldern sehr wirksam, ja sogar die wirksamste aller Investitionen war. Dieser hohe Prozentsatz wiederholte sich auch bei der Befragung 2012, auch wenn die geförderte Einführung von Produkten und Dienstleistungen von 65 % der Unternehmer als noch wirksamer eingeschätzt wurde.
Bedenkt man, dass im Rahmen der Studie 2012 85 % aller befragten KMU angaben, dass der demografische Wandel den Wirtschaftsstandort Deutschland mittel- bis langfristig beeinflussen wird, ist der Rückgang der geförderten Aus- und Weiterbildung kaum erklärbar. Möchte man doch annehmen, dass aufgrund des demografischen Wandels, der auch mit einem Fachkräftemangel einhergeht, dazu führt, dass die Gelder eher dorthin fließen. Doch Sven Pirsig, einer der Autoren der Studie und Senior Manager bei Ernst & Young, erklärt dies damit, dass zum einen das Thema Demografie ein sehr komplexes Thema sei. Oft werde deshalb trotz der Erkenntnis darüber nicht die letzte Konsequenz gezogen. Zum anderen müsse man auch den Zeitpunkt der Befragung genauer betrachten. So standen zum Zeitpunkt der Befragung die konjunkturellen Zeichen auf Wachstum.
Mitnahmeeffekte bei großen Unternehmen
Neben der Frage, welche unternehmerischen Aktivitäten mit Fördergeldern gestärkt wurden, steht der Aspekt, ob dafür nicht auch das Eigenkapital der Firma ausgereicht hätte, im Fokus der Studie. Vergleicht man die Zahlen von 2011 und 2012, ist festzustellen, dass in beiden Jahren 24 % der befragten Unternehmen ohne Fördergelder die Maßnahme hätten streichen müssen. Alle anderen profitierten vom Mitnahmeeffekt – sprich, die Maßnahme hätte auch aus eigenen Mitteln finanziert werden können. Manchmal sogar der komplette Umfang, oft allerdings auch nur ein Teilbereich. Ohne Fördergelder wären auch eine zeitliche Streckung des Vorhabens bzw. der Einsatz von Fremdkapital denkbar gewesen.
Richtig interessant wird es, wenn man den Mitnahmeeffekt in Relation zur Größe des Unternehmens setzt. Für die aktuelle Studie wurde hier die Anzahl der Mitarbeiter zugrunde gelegt.
Das Ergebnis zeigt: „Die kleinen Firmen brauchen das Geld dringender als die großen, schaffen es jedoch seltener, auch tatsächlich gefördert zu werden. Ein paradoxer Gegensatz, doch häufig fehlen die administrativen Mittel und die Informationen von staatlicher Seite“, meint Sven Pirsig dazu. In großen Unternehmen übernehme die Beantragung der Gelder oft die Controlling-Abteilung, die weiß, wie Anträge gestellt und Dokumentationen über den Einsatz der Fördergelder geführt werden müssen. In kleinen Betrieben bliebe diese Aufgabe entweder beim Chef oder bei der Buchhaltung hängen, wobei beide zumeist keine Erfahrung damit hätten. Um es sehr kleinen und kleinen Betrieben leichter zu machen, würden der Bund und die Länder gerade an einer Pauschalierung der Nachweise für bestimmte Förderprogramme arbeiten. Das Ziel: den bürokratischen Aufwand der Dokumentation verringern. Ebenso denkbar wären Förderprogramme für Kleinstunternehmen, wobei hier immer das Gleichheitsprinzip berücksichtigt werden müsse. Als weitere Möglichkeit wäre ein spezielles Mentoring für kleine Unternehmen denkbar, das z. B. bei der Beantragung der Fördergelder helfen könnte.
Kleine Händler sollten aber auch selbst aktiv werden. So könnten sie z. B. ihre örtliche IHK bzw. Handwerkskammer kontaktieren und sich dort nach Beratungsleistungen erkundigen. Wirtschaftsförderung gibt es nämlich auf allen politischen Ebenen. Neben EU-Geldern gibt es Förderprogramme auf Bund-, Landes-, Landkreis-, Kreis- und Stadtebene. Einen ersten Überblick über Förderprogramme und Finanzhilfen des Bundes, der Länder und der EU liefert die Internetseite
www.foerderdatenbank.de
, die an das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie angebunden ist.
„Auch die Gründung von Netzwerken zum Zwecke der gegenseitigen Unterstützung bei der Beantragung der Fördergelder und bei der Dokumentation der Fördermaßnahme kann hilfreich sein“, regt Sven Pirsig an. Aber auch hier ist die Eigeninitiative der Händler gefragt. Der Mehrwert des Netzwerkes läge dann darin, dass alle, die daran teilnehmen, den gleichen Nutzen daraus ziehen.
Künftig weniger Fördergelder
Ideen, die gerade kleine Händler ernst nehmen sollten, denn die Fördergelder werden knapper, nicht nur auf EU-Ebene. Gerade die neuen Bundesländer rechnen bereits mit einem Rückgang der finanziellen Mittel. Dort wird sich dieser nämlich stärker als in den alten Bundesländern bemerkbar machen, da ebendort historisch bedingt wesentlich mehr Förderkreise existieren. „Deshalb ist es in der kommenden Förderperiode zwischen 2014 und 2020 besonders wichtig sicherzustellen, dass die Mittel dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Minimierung von Mitnahmeeffekten und Maximierung der Effizienz sind – besonders mit Blick auf kleine Unternehmen – die Stichworte, die die Wirtschaftsförderung am Standort Deutschland in Zukunft prägen müssen“, sagt Kai Baetge.
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