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Funktion will gepflegt werden
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Schulung - Textilpflege

Funktion will gepflegt werden

Funktionswäsche, Bike-Hosen, Trikots und Jacken erfüllen wichtige, aufeinander abgestimmte Funk-tionen. Damit ihre Atmungsaktivität, Wind- und Wasserdichte sowie die Ausrüstungen der Fasern auf Dauer erhalten bleiben, brauchen die Textilien die richtige Pflege. Mit entsprechenden Tipps und Hinweisen können Verkäufer im Gespräch mit Kunden ihre Fachkompetenz beweisen.

Funktion will gepflegt werdenModerne Funktionsmaterialen sind, richtige Pflege vorausgesetzt, meist sehr strapazierfähig.

Da Naturfasern bei Bikewear eher noch eine Ausnahme sind, liegt der Fokus bei der Textilpflege im Fahrradhandel auf synthetischen Fasern. Polyester (PES) findet sich meist bei Bike-Trikots und Jacken, Polyamid (PA) bei Socken und Hosen, in denen oft auch Mischgewebe (PES, PA) eingesetzt werden. Außerdem hat Bike-Bekleidung einen hohen Elastan-Anteil.
PES und PA laufen beim Waschen nicht ein, bleichen nicht aus, trocknen schnell und sind bügelfrei. PA ist darüber hinaus reiß- und scheuerfest. Elastan hingegen leidet schnell unter zu hohen Waschtemperaturen und Chlorbleichmitteln.

Fasern und ihre Ausrüstungen

Nicht nur die Fasern, auch ihre Ausrüstungen bestimmen die Wahl des Waschprogramms und des Waschmittels. Um hydrophil (wasseranziehend) wirken zu können, werden Fasern schon während der Produktion entsprechend ausgerüstet. Wasserdichte und -abweisende Jacken und Hosen sind mit einer DWR-Imprägnierung (Durable-Water-Repellent) beschichtet. Daneben gibt es Ausrüstungen gegen das elektrostatische Aufladen der Wäsche und gegen Flecken. Andere sorgen dafür, dass sich der Schmutz beim Waschen leicht löst oder das Wachstum der Bakterien eingedämmt wird.
Ausrüstungen, die nicht gleich in die Rohmasse der Fasern eingebracht, sondern als Beschichtung auf den Stoff aufgetragen werden, werden durch den Gebrauch mit der Zeit abgerieben oder ausgewaschen. Zudem verstopfen Körperfette, Hautschuppen und Schmutz mit der Zeit das Gewebe, worunter nicht nur die Optik, sondern auch die Funktionen, wie zum Beispiel die Atmungsaktivität, leiden.

Gründe gegen herkömmliche Waschmittel

Herkömmliche Waschmittel, insbesondere in Pulverform, lösen sich bei niedrigen Temperaturen nur schwer auf. Waschmittelrückstände im Stoff verstopfen dann das Gewebe zusätzlich. Außerdem enthalten manche Waschmittel Enzyme und Bleichmittel, die vor allen Dingen das Elastan angreifen.
Flüssigwaschmittel lösen sich dagegen bereits bei niedrigen Temperaturen auf, Rückstände sind eher selten. Sie enthalten vor allem Tenside, die auch als waschaktive Substanzen bezeichnet werden. Diese sorgen dafür, dass sich Fett und Schmutz in Wasser lösen. Problematisch an Flüssigwaschmitteln ist, dass man dafür pflanzliches Öl, zumeist Palmöl, braucht, für dessen Anbau große Flächen des Regenwalds gerodet werden. Nur wenige Hersteller greifen bisher auf die Alternative Kokosöl zurück. Flüssigwaschmittel für Bikewear enthalten außerdem meist keine Farbstoffe, optischen Aufheller, Bleichmittel oder Phosphate. Frei von Zusatzstoffen (Additiven) sind aber auch sie nicht.
Manche Waschmittel können nur für Synthetik ohne Membran, andere auch für Bikebekleidung mit Membran eingesetzt werden. Gewaschen werden beide Textil-Varianten in der Regel bei 30 bis 40 °C.

Silberchlorid im Waschmittel oder als Zusatz

ttel setzt beim Waschen Silberionen frei, die die Ausbreitung und das Wachstum der Bakterien, die den Schweißgeruch verantworten, hemmen sollen. Dies ist wichtig, weil sich Bakterien circa alle 20 Minuten teilen. Während der Teilung setzt die Bakterie Sulfat frei, mit dem sich die Silberionen verbinden. Die Bakterie stirbt ab, Gerüche werden verhindert.
Silberionen wirken zudem antistatisch und töten Pilze und Viren ab. Allerdings wirken sie nur während des Waschgangs.
Um die antibakterielle Ausrüstung der Textilie zu reaktivieren, muss ein antibakterieller Waschzusatz verwendet werden. Dieser wird wie andere Pflegemittel auch in das saubere Weichspülfach gegeben. Der Waschzusatz wird nach dem Waschgang auf die Funktionstextilie aufgebracht und hält circa 10 bis 15 Wäschen.

Weichspüler weglassen

Weichspüler sind keine Waschmittel. Sie machen Textilien nur kuschelig und vermindern die elektrostatische Aufladung. Außerdem wirken sie wasserabweisend (hydrophob). Die Wäsche trocknet dann zwar schneller, nimmt aber weniger Schweiß auf, hebelt also den Feuchtigkeitstransport aus. Trotzdem muss man Bikewear, die einmal mit Weichspüler »gewaschen« wurde, nicht wegschmeißen. Nach einigen Wäschen ohne Weichspüler ist dieser ausgewaschen, die Funktion des Feuchtigkeitstransports kehrt zurück.

Imprägnieren nicht vergessen

Wasserdichte und wasserabweisende Textilien sind ab Werk mit einer DWR-Imprägnierung ausgerüstet. Diese verhindert, dass sich der Außenstoff bei Regen vollsaugt. Ohne DWR geht die Atmungsaktivität der Textilie schnell verloren, wenn die Nässe so sehr von außen auf den Außenstoff drückt, dass der Wasserdampf vom Schwitzen nicht mehr von innen nach außen entweichen kann.

Wärme frischt die Imprägnierung auf

Eine DWR-Ausrüstung büßt mit der Zeit ihre Funktion ein. Behandelt man sie nach dem Waschen mit Wärme, kann sie allerdings noch mehrmals reaktiviert werden. Zuerst muss man aber dafür sorgen, dass nach dem Waschen mit einem zusätzlichen Spülgang auch die letzten Tenside ausgespült werden, da diese wasseranziehend sind. Wartet man dann, bis die Kleidungsstücke nur noch feucht sind, kann man sie für 30 bis 40 Minuten bei 60 °C in den Wäschetrockner geben. Die Wärme stellt die durch das Tragen und Waschen niedergedrückten »Borsten« der DWR wieder auf – ihre Funktion kehrt zurück. Hat man keinen Trockner, hilft ein Bügeleisen weiter. Wichtig ist dann, dass man die niedrigste Stufe wählt und ein Tuch zwischen Stoff und Bügeleisen legt. Ansonsten kann – falls vorhanden – die Membran Schaden nehmen.

Wann muss man nachimprägnieren?

Nach einigen Wäschen der Bikewear sind die Imprägnier-»Borsten« allerdings so licht, dass Wassertropfen daran nicht mehr abperlen können. Dann ist es Zeit für die Nachimprägnierung.
Imprägniermittel gibt es als Wash-in-Produkte oder als Sprays. Wash-in-Produkte sind wasserbasiert, Sprays können auch lösemittelbasiert (Alkohol, Benzin) sein. Auch die meisten Nachimprägnierer entfalten ihre Funktionen erst durch Erwärmen. Für manche reicht allerdings schon Zimmertemperatur.

Wash-in-Produkte versus Imprägnier-Sprays

Wash-in-Imprägnierer können auch ohne Waschgang verwendet werden. Sie haben den Vorteil, dass sie sich gleichmäßig auf den Textilien verteilen. Ihr Nachteil ist, dass sie auch die Innenseite der Textilie imprägnieren, wodurch die Atmungsaktivität beeinträchtigt werden kann. Wash-in-Produkte gibt man in das saubere Fach des Weichspülers.
Imprägnier-Sprays haben den Nachteil, dass sie zeitaufwendiger aufzutragen sind. Dafür kann man punktgenau und belastete Stellen intensiver imprägnieren. Den Imprägnierer sprüht man am besten auf die noch feuchte Kleidung, damit das Mittel tief in die Faser eindringt.
Bei den Sprays unterscheidet man zwischen Sprays mit und ohne Treibgas und Pumpsprays: Treibgashaltige Spraydosen standen lange im Verruf, dass die Verwirbelungen der Inhaltsstoffe die Lunge schädigen können. Viele neuere Produkte arbeiten deshalb mit einem niedrigeren Verteilungsdruck. Trotzdem sollte man sie lieber im Freien einsetzen und den Sprühnebel nicht einatmen.
Spraydosen mit einer zweiten Druckkammer sind die klimaschonendere Variante. Hier wird das schädliche Treibgas durch Luft, die in der einen Kammer komprimiert wird, ersetzt. Noch umweltfreundlicher sind Pumpsprays.
Ist das Kleidungsstück nachimprägniert, sollte es wieder mit Wärme nachbehandelt werden, damit sich die wasserabweisende Funktion vollends entfalten kann.

Imprägnierer, Mensch und Natur

Imprägnierer sind PFC-haltig oder PFC-frei. PFC-Imprägnierer enthalten in der Regel C8- oder C6-Flourkarbonketten, die als wasser-, schmutz- und fettabweisend gelten. Allerdings reichern sie sich über Nahrung, Luft und Trinkwasser in den Organen von Mensch und Tier an (bioakkumulativ), wo sie zellverändernd wirken. Außerdem sind sie nicht abbaubar (persistent).
Befürworter der PFC-haltigen Imprägnierer argumentieren, dass die C6-Variante zwar nicht so leistungsfähig, aber ungefährlicher als die C8-Flourkarbonkette sei und damit vertretbar. Kritiker beanstanden, dass C6-Ketten flüchtiger als C8-Ketten und bisher kaum erforscht seien, und es damit unzulässig sei, sie für ungefährlich zu erklären.
PFC-freie Imprägnierer beruhen auf PU-Dendrimer-, Silikon- oder Paraffin-Basis. Sie sind biologisch abbaubar, allerdings weniger leistungsfähig. Defizite müssen bei der schmutz-, fett- und ölabweisenden Wirkung hingenommen werden, wobei PU-Dendrimer-Imprägnierer auch schmutz- und ölabweisend wirken.
Imprägnierer auf Silikonbasis sind zwar biologisch abbaubar, doch dauert dies sehr lange. Von ihnen hört man oft, sie seien für Bekleidung mit mikroporöser Membran ungeeignet, weil das Silikon die Poren verstopft. Verwirrend ist auch, dass manche silikonbasierte Imprägnierer durch Wärmezufuhr ihre Funktion entwickeln, andere nicht. Letztlich wird ins Feld geführt, Silikon würde Öle und Fette anziehen. Am Ende kommt es auf die Art des Silikons und auf die weitere chemische Zusammensetzung des Imprägnierers an. Deshalb gelten – nicht nur bei silikonbasierten Imprägnierern – immer zwei Regeln: Die Pflegehinweise in der Bekleidung und die Anwendungshinweise auf dem Imprägnierer entscheiden, was zusammen passt und was nicht.
Imprägnierer auf Paraffinbasis sind eher selten. Sie sind nicht nur wasserabweisend, auch wässriger Schmutz perlt an ihnen ab.
Imprägnierer mit Substanzen in Nano-Größe galten vor zehn Jahren noch als das Nonplusultra. Inzwischen hat der Hype um Nanomaterialien, die 1.000 Mal kleiner als ein menschliches Haar sind, nachgelassen. Ihr Einfluss auf die Umwelt gilt als ebenso unklar wie ihre Lebensdauer.

Was passt zu was?

Eine Befragung der Imprägniermittel- und der Membran-Hersteller, welcher Imprägnierer auf welche Erstimprägnierung und – falls vorhanden – auf welche Membran passt, führte zu unterschiedlichen und widersprüchlichen Ergebnissen. Viele meinten, dies sei egal, andere waren skeptischer. Überzeugend erscheint das Statement, dass ein Urteil darüber schwierig sei, weil kein Hersteller weiß, welche Substanzen der Mitbewerber verwendet. Deshalb gilt auch hier: Die Pflegehinweise in der Bikewear beachten!

27. Juni 2016 von Dorothea Weniger
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