Markt / Gebraucht-E-Bikes
Gebrauchte E-Bikes sind für Spezialisten
Die Kunden würden ihre gebrauchten E-Bikes am liebsten gegen ein neues eintauschen, und das würden wir prinzipiell auch gern machen«, erklärt Philipp Puchmayr von Bike Puchmayr in Wolfurt in Vorarlberg. Aber wenn Akku oder Motor innerhalb der Gewährleistungsfrist defekt werden, kann deren Erneuerung schnell den Preis des gebrauchten E-Bikes übersteigen. Dementsprechend gestalte sich der Ankaufspreis, und dieser sei seinen Kunden oft zu gering. Folglich seien es nicht mehr als fünf E-Bikes pro Jahr, die er in Zahlung nehme, so Puchmayr: »Die meisten verkaufen ihr Fahrrad im Familien- und Freundeskreis oder auf Online-Plattformen.«
Verkauf auf der spezialisierten Online-Plattform
Auch bei Privatverkäufen gibt es die Gewährleistung, allerdings in abgeschwächter Form, erklärt Vinzenz Gantenhammer, Gründer der Online-Plattform speiche24.de: »Wenn man nicht gerade vorsätzlich etwas Defektes verkauft, kommt diese meist nicht zum Tragen.« Seine Plattform wird hauptsächlich von Privatverkäufern genutzt. Dabei war sie ursprünglich für Händler gedacht. Trotz überproportionalen Wachstums sei deren Interesse aber nach wie vor verhalten. Derzeit seien etwa 25 Händler auf der Plattform aktiv. »Im Gros sind es Auto- und Motorradhändler, die zusätzlich E-Bikes führen. Die haben einen anderen Zugang zum Verkauf von gebrauchten Fahrzeugen«, erklärt Gantenhammer.
Aufbereitung und Verkauf von gebrauchten E-Bikes
Bravobike.de bietet Fachhändlern auch die Inzahlungnahme und die Rücknahme von Fahrrädern an. Das Unternehmen ist auf die Aufbereitung von gebrauchten Fahrrädern spezialisiert und wolle die Probleme der Händler lösen sowie einen nachhaltigen Rücklaufkanal anbieten, so Co-Gründer Olli Diekmann: »Durch unsere digitalen und prozessualen Technologien und Strukturen sind wir in der Lage, mit geringeren Kosten zu arbeiten als der Fachhandel. Dadurch können wir trotz niedriger Margen am Ende noch etwas verdienen.«
Wenn mit Händlern kooperiert werde, würden meist alle Räder abgenommen, sofern sich eine vernünftige Mischung abbilde. Alter und Gattung spielten dabei keine Rolle. Durch eine kompetente und umfassende Mangelerkennung schaffe man es problemlos, durch die gesetzliche Gewährleistungsfrist zu kommen.
Digitalisierter Aufbereitungsprozess
Bravobike.de arbeitet dazu mit Automatisierung und Prozess-Standardisierung. Diekmann: »Wir haben die Bearbeitung der E-Bikes von der Ankunft über die Prüfung und Reparatur bis hin zur Betreuung nach dem Verkauf komplett neu gedacht. Dabei haben wir es geschafft, viele Schritte durch künstliche Intelligenz ›denken zu lassen‹. Das hilft uns, unnötige Stand- und Arbeitszeiten zu reduzieren und auch die Schulung von Mitarbeitern viel zielgerichteter aufzubauen.« Verkauft wird zum Marktwert, dieser kann für fast alle Fahrradtypen mit einer speziellen Technologie ermittelt werden.
Das Gros der gebrauchten E-Bikes bezieht Bravobike.de vom Teilhaber jobrad.de, der Unternehmen E-Bikes im Leasing anbietet. Movelo, Rebike und Greenstorm verfolgen ähnliche Geschäftsmodelle in den Bereichen Verleih, Abo und Leasing. Wobei sich Greenstorm auf eine Nische im Verleihgeschäft konzentriert: die Hotellerie. Co-Gründer Richard Hirschhuber zum Credo des Start-ups: »E-Bikes sind sehr teuer. Damit sie günstiger werden, setzen wir sie erst im Verleih ein und verkaufen sie nach maximal einem Jahr wieder.« Um die verliehenen Räder in einem guten Zustand zu halten, werden sie laufend von lokalen Fachhandelspartnern gewartet. Im Refurbishment erneuert Greenstorm die Verschleißteile und gibt eine Gewährleistung von zwei Jahren auf Rahmen, Motor und Akku – und das zu einem Preis von bis zu minus 60 Prozent. Hirschhuber: »Den Großteil unseres Umsatzes haben wir schon vorher im Verleih gemacht. Wobei wir kein Geld nehmen. Die Hoteliers geben uns Gutscheine für Bettenkapazitäten in buchungsschwachen Zeiten. Diese Gutscheine verkaufen wir auf unserer Plattform.« Derzeit kauft und verkauft das Start-up 10.000 E-Bikes jährlich.
Branchenlösung für das Recycling von Akkus
Das wohl größte Fragezeichen bei gebrauchten E-Bikes stellt sich beim Akku. Hier fällt eine verbindliche Aussage schwer, wie der Zustand des jeweiligen Energiespeichers zu beurteilen ist. Akkus haben nur bei guter Qualität und sachgemäßem Umgang eine lange Lebensdauer. Ist das Ende erreicht, greift der Recyclingkreislauf.
Grundsätzlich gilt das E-Bike als nachhaltiges Produkt. Bei der Herstellung und Entsorgung der Lithium-Ionen-Akkus fallen zwar Treibhausgasemissionen an, aber wenn man diese mit eingesparten Pkw-Kilometern vergleicht, seien sie bereits nach 100 Kilometern ausgeglichen, so das deutsche Umweltbundesamt. Auf diese Rechnung beruft man sich auch im Zweirad Industrie Verband (ZIV) in Bad Soden am Taunus. Pressesprecher David Eisenberger spricht von einem schadstoffarmen und langlebigen Produkt. Schätzungen zufolge werde es bis zu acht Jahre gefahren und der Akku sei auf 500 bis 1000 Ladezyklen ausgelegt. Für Entsorgung und Recycling des Lithium-Ionen-Akkus habe man eine Branchenlösung gefunden: Schon 2009 übernahm die Stiftung Gemeinsames Rücknahmesystem (GRS) die Rücknahme und Verwertung der E-Bike-Akkus deutschlandweit.
2019 betrug die Sammelmenge von E-Bike-Akkus laut der Stiftung GRS 123.000 kg. Das Gewicht der Akkus liegt zwischen zweieinhalb und dreieinhalb Kilogramm. Leistungsfähigere Akkus sind in der Regel auch schwerer. Infolge des E-Bike Booms wird die Sammelmenge von Alt-Akkus stark zunehmen. In Deutschland wuchs der Markt 2019 das zweite Jahr in Folge um mehr als ein Drittel und liegt jetzt bei 1,36 Mio. E-Bikes. In Österreich wuchs das Volumen 2019 um sechs Prozent auf 170.000. In Relation dazu ist die Zahl der recycelten E-Bike-Akkus noch auf einem sehr niedrigen Niveau. Nimmt man ein Gewicht von drei Kilogramm pro Akku an, wären etwas über 40.000 Akkus in die Wiederverwertung gekommen.
Kontroverse um den Zellentausch
Eine Maßnahme, das Leben von Akkus zu verlängern, ist der Zellentausch. Aber nicht alle Hersteller lassen ihn zu, wie etwa Bosch E-Bike Systems. Dazu erklärt das Unternehmen: »Es besteht die Gefahr, dass der einmal geöffnete Akku infolge unsachgemäßer Reparatur durch Kurzschluss in Brand gerät.« Die nachhaltige Lösung für kaputte Akkus sieht der Akkuhersteller in der fachgerechten Entsorgung und dem Recycling. Das Unternehmen kooperiere mit Recyclingunternehmen und unterstütze den Prozess und die Forschung.
Laut GRS zielen die meisten Recyclingverfahren von Lithiumbatterien auf die Wiedergewinnung von Kobalt, Nickel und Kupfer ab. Aber auch das Gehäuse aus Edelstahl, die Kunststoffteile und die Kabel werden recycelt. Die Recycling-Effizienzen der gängigen Verfahren variieren zwischen 50 und 70 Prozent. Die zurückgewonnenen Stoffe gelangen als Sekundärrohstoffe in den Stoffkreislauf zurück.
Zellentausch: Nichts für Laien
Es gibt Unternehmen, die den Zellentausch zulassen, und eine Reihe von Experten, die den Service anbieten. In Graz ist es die Accupower Forschungs-, Entwicklungs- und Vertriebsgesellschaft. Das Unternehmen stellt selbst Akkus her und beliefert unter anderem den VW-Konzern. E-Bike Akkus sind nicht im Programm, der Zellentausch ist reine Serviceleistung. Dazu Gründer und Geschäftsführer Issam Al-Abassy: »Wir haben zwei ISO-Zertifikate und sind verpflichtet, nach innen und außen zu einer besseren Umwelt beizutragen. Mit dem Zellentausch können wir uns bestehende Lösungen ansehen, Ressourcen schonen und einen Beitrag für die Umwelt leisten.«
Die teilweise ablehnende Haltung gegenüber Zellentausch kann er insofern nachvollziehen, als es dafür Qualifikation, hochwertige Zellen und spezielles Testequipment brauche. Eingriffe von Laien und Eingriffe mit ungeeignetem Werkzeug können leicht zu Explosionen und Brand führen, und ein Lithiumbrand lässt sich schwer löschen. Wenn bei Akkus die Überwachungselektronik die notwendigen Sicherheitsstandards nicht erfüllt, lehnt er die Reparatur ab, weil Gefahr in Verzug ist. Auch wenn die Kunden das oft nicht einsehen wollten. Es sei wichtig, alle Zellen auszutauschen und nicht nur die schadhaften, da sie eine homogene Einheit bilden. Andernfalls leidet die Lebensdauer des Akkus. Alte Zellen müssen zudem fachgerecht entsorgt werden.
Sachgemäßer Umgang
Im Hinblick auf die Gewährleistung von Herstellern weist Al-Abassy darauf hin, dass diese, je nach Hersteller, nur für sechs bis zwölf Monate gelte und nur unter bestimmten Bedingungen, wie etwa bei Verwendung des originalen Ladegeräts und dem regelmäßigen Laden um Tiefenentladung zu vermeiden. »Wenn man den Akku in der prallen Sonne, in Nässe oder Schmutz längere Zeit lagert, kann er innerhalb einer Woche defekt sein und dann verfällt die Gewährleistung«, so Al-Abassy.
Michael Nendwich, GF des Verbands der Sportartikelerzeuger und Sportausrüster Österreichs (VSSÖ) sieht sowohl im Zellentausch als auch im Recycling Vor- und Nachteile. Gemeinsam mit einem Forschungskonsortium aus vier Ländern möchte der VSSÖ die nachhaltigste Lösung für E-Bike-Akkus finden und reichte Mitte Juli 2020 einen Antrag für ein EU-Forschungsprojekt ein. Die Koordination soll die European Platform for Sport Innovation (EPSI) in Brüssel übernehmen.
Suche nach der nachhaltigsten Lösung
Recycling sei der Worst Case, so Nendwich, aber wenn der Akku verbraucht sei, tauge er nicht mehr für das schnelle und intensive Zur-Verfügung-Stellen von Leistung, wie dies beim E-Bike der Fall sei. Problematisch am Recycling sei, dass vom kritischen Aktivmaterial nur Kobalt hundertprozentig wiederverwertet werden könne. Bei Lithium sei dies nur zu einem viel geringeren Teil der Fall. Der große Teil müsse auf umweltschädliche Art entsorgt und verbrannt werden. Nendwich: »Wir wollen einen Kreislauf schaffen und die Quote an recycelbaren Stoffen steigern. Dazu wollen wir auch Wissen aus anderen Branchen wie zum Beispiel der Automobilindustrie nutzen.«
Bevor es zum Recycling komme, sei aber der Zellentausch die umweltfreundlichere Option. Auch wenn die Leistung nicht mehr für den Betrieb eines E-Bikes reiche, sei ein solcher Akku noch für Photovoltaikanlagen geeignet. Deshalb gebe es auch die Idee einer App, die sowohl den Nutzer im sachgemäßen Umgang mit dem Akku unterstützt, als auch später den Experten beim Zellentausch. Abgesehen von diesen ersten Ansätzen sei die Forschung allerdings ergebnisoffen. Unternehmen wie der Shimano-Distributeur Thalinger-Lange in Wels unterstützen das Projekt. //
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