Handel - Running Green
Grüner wird’s nicht
Fast wäre es mehr ein Café geworden – die erste Idee von Elena Usinger und Matthias Panoscha, als der Entschluss gefallen war, dass sich die beiden selbstständig machen wollen, war, diesen Teil des Ladens größer aufzuziehen. Richtig guten Kaffee sollte es geben, Smoothies und Bowls. Das mit dem richtig guten Kaffee hat geklappt, das mit den Smoothies kommt vielleicht noch. Allerdings servieren Usinger und Panoscha die Getränke nicht in einem Coffee Shop mit Sportladen, sondern in ihrem Triathlon- und Laufladen Running Green, an einer kleinen Kaffeebar. Die Röstung ist aus St. Pauli, aus der Rösterei, die in der Planungsphase des Ladens als Besprechungszimmer für Usinger und Panoscha diente. Man ist der Marke treu geblieben. Das ist so bei den beiden, wenn sie von etwas überzeugt sind. Damit etwas überhaupt die Chance hat zu überzeugen, muss es drei Voraussetzungen erfüllen: fair, nachhaltig und hochwertig sein. Das gilt nicht nur für Kaffee. Es gilt auch und vor allem für sämtliche Produkte, die es bei Running Green zu kaufen gibt. Das Sortiment besteht aus Marken, die in der Herstellung auf Nachhaltigkeit achten, die fair in der Preisgestaltung und dem Verhalten gegenüber ihren Partnern sind und die innerhalb Europas produzieren. Wenn möglich, sind die Produkte sogar vegan – Usinger und Panoscha verzichten schon seit Jahren auf tierische Lebensmittel –, allerdings ist das gerade bei Schuhen, bei denen manchmal Klebstoff mit tierischen Bestandteilen zum Einsatz kommt, gar nicht so einfach herauszufinden. »Als wir konkreter mit der Sortimentsplanung angefangen haben, haben wir viele Hersteller angeschrieben und unter anderem auch gefragt, ob die Produkte vegan sind«, erinnert sich Matthias Panoscha. »Es war erstaunlich wie überrascht viele über diese Frage waren.« Nicht alle antworteten. Die waren dann eben raus. Jetzt gibt es bei Running Green zum Beispiel quietschbunte Sportsocken aus Würzburg, die mit Naturfarben gefärbt sind, Helme eines deutschen Herstellers, der ein Tierheim betreibt, und OekoTex-zertifizierte Triathlonanzüge, mit denen Patrick Lange schon zweimal den Ironman auf Hawaii gewonnen hat – »was natürlich auch beim Verkaufen hilft«, lacht Matthias Panoscha. An manchen Schuhen steht ein »vegan«-Vermerk. Ansonsten tritt das Prinzip Nachhaltigkeit und Fairness sehr dezent in Erscheinung. Es ist zusätzliches Argument, nicht verkaufsbestimmendes.
Vom Virtuellen ins Reale
Aber: Die Auswahlkriterien der Running-Green-Gründer sowie die hohen Mindestabnahmemengen vieler (großer) Hersteller beeinflussen natürlich die Markenauswahl und den Sortimentsumfang. Es gibt wenige Marken im Geschäft, dafür aber nur solche, für die es von Seiten der Gründer triftige Argumente gibt. Das Paar setzt auf Beratung. Die zweite tragende Säule ihres Ladenkonzepts: Es gibt kein Laufband, sondern eine Laufbahn mit Fußabdruck-Sensorik. In einem der vielen Schaufenster steht eine Bike-Fitting-Station, die ein befreundeter Triathlet betreibt. Man nimmt sich Zeit für den Kunden, 30 bis 60 Minuten im Schnitt, schätzt Panoscha. Besucher sollen sich gut aufgehoben fühlen, auch dank des selbstgeschäumten Cappuccinos, der zwischen Bike- und Trikotanprobe gereicht wird. Ohne dieses Herzliche, ohne das Bemühen darum, (nicht nur) Gleichgesinnten Wertschätzung entgegenzubringen, wäre Running Green vermutlich nicht innerhalb von nur zwei Jahren profitabel geworden – »nach einem eher schwierigen ersten Jahr, in dem wir oft nicht so gut geschlafen haben«, wie Matthias Panoscha offen einräumt. Nach der Eröffnung im April 2017 besuchten die jungen Ladenbesitzer fast ausschließlich Sportler aus ihrem persönlichen Umfeld. Sieben Jahre lang war Panoscha im Vorstand von St. Pauli Triathlon, dem drittgrößten Triathlonverein in Deutschland, er arbeitet neben dem Laden zudem als Trainer. Da kommt einiges an potenziellen Kunden zusammen. Aber nicht genug, damit so ein Geschäft den Lebensunterhalt finanziert. Der Laden musste bekannter werden in der Szene. Die Lösung: Social Media. Wobei der Account an sich nicht aufsehenerregend ist. Keine auf Hochglanz gefilterten Fotos , sondern »ehrlicher Content, der authentisch ankommt.« Da gibt es zum Beispiel ein paar Strava-Shots von gelaufenen Strecken, Bilder von Sport-Messen, von neuen Warenlieferungen oder von den beiden Ladenhunden Wilma und Ylvi, »die immer besonders viele Likes bekommen«. Dennoch hat der Account mehr Fans als die anderen, zum Großteil deutlich etablierteren Triathlon- und Laufläden in Hamburg. Das liegt daran, sagen Usinger und Panoscha, dass sie gezielt nach relevanten Hashtags gesucht haben, den entsprechenden Profilen gefolgt sind und »ganz viel geliked« haben. Dadurch traten sie ins Bewusstsein der Szene. Und wenn man schon einen virtuellen »Freund« hat, der ein Sportgeschäft betreibt, dann geht man auch zu ihm, wenn man einen neuen Helm oder eine neue Radhose braucht.
Wohlgefühl trifft Businessplan
Mittlerweile wissen Elena Usinger, die früher bei einem Bio-Abokistenservice gearbeitet hat, bei dem das Thema Nachhaltigkeit sehr präsent war, und der studierte BWLer Matthias Panoscha sehr genau, was ihre Kunden mögen. Dass etwas wie Blei im Regal liegt, das kam bisher nie vor. Das heißt aber nicht, dass die Regale leer sind. Im Gegenteil. Gut bestückt sind aber nicht nur die im Geschäft, sondern auch die im Lager. Running Green hält unter anderem die Ware von Z3r0D vor. Alles, was im deutschen Online-Shop des französischen Herstellers von Triathlonbekleidung bestellt wird, wird von Hamburg Altona aus verschickt. Bald soll noch eine weitere Generalvertretung für die beiden dazukommen. Der Grund einmal mehr: Solidarität. Die Running-Green-Gründer legen Vertriebstermine gerne auch am späten Nachmittag, um danach noch gemeinsam zu Abend zu essen, man besucht zusammen Punkrock-Konzerte, ein Außenhandelsvertreter bringt regelmäßig belegte Brötchen mit. Dennoch ist Running Green kein Öko-Wohlfühlshop, wo ein paar Nachbarn bei einem Hafermilch-Matcha an der Holztheke hängen (obwohl das durchaus auch der Fall ist). Die zwei Besitzer sind ihre Selbstständigkeit idealistisch, aber nicht blauäugig angegangen. Zuallererst gab einen genau ausgearbeiteten Businessplan, mittels dessen die beiden Gründer sich finanzielle Unterstützung von Handelskammer und Bank sicherten. Dann ging es auf die Suche nach einer geeigneten Fläche.
Streckenposten statt Ladenhüter
Dass es Hamburg Altona werden sollte, stand für Usinger und Panoscha fest: »Das ist einer der größten und am dichtesten bewohnten Stadtteile und man denkt hier schon sehr grün«, begründen sie ihre Wahl. Die jetzige Fläche hat aber noch einen weiteren Vorteil: Zwar liegt sie nicht auf der belebten Großen Bergstraße, wo ein großes schwedisches Möbelhaus einerseits die Kundschaft anzieht, aber anderseits auch die Pachtpreise in die Höhe treibt, sondern ein paar Querstraßen weiter. Die vermeintliche Abseitslage ist jedoch auf den zweiten Blick ideal: Die S-Bahn-Station, die jeden Morgen und Abend von Pendlern wimmelt, ist nur ein paar Meter entfernt. Wer zum Joggen an die Elbe will – und das wollen viele – muss an Running Green vorbei. Wer über die Elbchaussee in den Westen radeln möchte, auch. Und: Sowohl die Marathon- als auch die Triathlonstrecke führen direkt am Laden vorbei. Klar, dass Running Green dann auch mal sonntags offen hat und den Supportern mindestens Kaffee ausschenkt, häufig noch eine Kleinigkeit verkauft und auf jeden Fall im Gedächtnis bleibt. Laden, Messepräsenzen bei drei Lauf- und zwei Triathlon-Veranstaltungen sowie ein Stand bei einer beliebten Hamburger Winterlaufserie sind allesamt gut für die Bekanntheit, bedeuteten für das Gründer-Paar bisher aber auch regelmäßig Sieben-Tage-Wochen. Jetzt, da der Laden sich trägt, soll das anders werden. Eine Teilzeitkraft ist schon eingestellt. Eine weitere suchen Usinger und Panoscha gerade. Dann wollen sie auch mal erst am späten Nachmittag ins Geschäft kommen, denn: »Selbst auch mal wieder ein bisschen regelmäßiger Sport zu machen wäre schon schön«, träumen sie. Und es sieht ganz so aus, als würde sich nach Running Green auch dieser Traum erfüllen.
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