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Kolumne - Carsten Bischoff

Händlerverträge – mit dem Kopf in der Schlinge

Die Unterschrift unter den jährlich abgeschlossenen Händlerverträgen war bis vor Kurzem für die meisten der Fachhändler eher eine Formalie. Zugegeben habe ich auch nicht immer jeden Absatz genau gelesen beziehungsweise mir Gedanken über die eventuellen Folgen gemacht, sollten einige Paragrafen darin greifen. In den letzten Jahrzehnten galten ...

...in der Regel ungeschriebene Gesetze zwischen den Partnern. Wenn es mal nicht so rund lief, gab es doch Händler, denen es besser ging, und die Ware, die zu viel bestellt wurde, konnte umverteilt werden. Hier und da klemmte auch mal die Säge beim Lieferanten. Das konnten dann auch andere Lieferanten auffangen. Es war ein Geben und Nehmen in einer in Kooperation und einer gewissen Entspanntheit arbeitenden Fahrradbranche.

Aber Verträge werden ja nicht zuletzt dafür gemacht, wenn es ernst wird, und das wurde es, und zwar richtig!

Was passiert ist, spüren wir alle noch in den Knochen, und nicht jeder hat es überlebt. Händler versuchten, ihre Orders zu stornieren, und zack – da ging die Schlinge zu! Es gab und gibt viel zu viel Material, um es irgendwohin umzuverteilen. Nun wurden die halb vergessenen Verträge herausgeholt und da steht in der Regel geschrieben:

  • Lieferverzögerungen müssen akzeptiert werden
  • Stornos von Aufträgen sind nicht möglich
  • Der Lieferant darf aber bei Nichtverfügbarkeit stornieren ohne Ersatz der Fehlmengenkosten
  • Preiserhöhungen und Ausstattungsänderungen müssen akzeptiert werden
  • Die unzureichende Vergütung von Gewährleistungsarbeiten

Da wir uns in kaufmännischen Geschäftsbeziehungen befinden, kann in den Verträgen auch der Verkauf der eigenen Großmutter stehen und er würde gelten, wenn beide Partner einverstanden sind – pacta sunt servanda. Das BGB spricht eine ganz andere Sprache, welches für B2B aber nicht die Rechtsgrundlage ist.

Warum existieren solche Einbahnstraßenverträge? Die Abhängigkeit des Händlers von seinem Lieferanten ist zu groß. Gerade, wer für das Grundrauschen im Geschäft einen oder mehrere von den Big Playern im Markt braucht, muss die Verträge unterschreiben, ansonsten gibt es keine Ware.

Was können und müssen wir tun? Die mit der Macht der Verträge in den Markt gedrückte Ware muss erst einmal abfließen und dafür benötigen wir Händler die Saison 2025. Die Vorordern für 2025 fallen vielerorts sehr schmal aus und beschränken sich auf das Allernötigste. Die Unruhe der Hersteller spürt man in jedem Gespräch und jeder E-Mail.

Vielleicht ist das ein guter Zeitpunkt für uns als ganze Branche, neue Vertriebskonzepte zu kreieren, Geschäftsbeziehungen neu zu bewerten und die dafür nötigen Verträge auf Augenhöhe aufzusetzen. Hier sind wir Händler gefordert, gemeinsam aufzutreten.

Ich sehe auch eine Chance für die Interessenvertretungen und Einkaufsverbände, hier aktiv und gestaltend tätig zu werden. Uns Händlern liegt eine gute und fruchtbare Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten am Herzen. Daher werden wir nicht nachtragend sein, aber wir vergessen auch nichts.

Carsten Bischoff ist Fahrradhändler in Dresden.

23. August 2024 von Carsten Bischoff
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