Fahrradindustrie zieht positive Bilanz:
Handel ist bei der Vororder wieder mutiger geworden
Die Erwartungen der Fahrradanbieter vor der diesjährigen Orderrunde waren sicherlich hoch gesteckt: Eine Saison, in der eher das Thema Warenknappheit als Lagerüberhänge die Branche beschäftigte, schürte die Hoffnung, dass die Mehrheit der Fahrradhändler bei ihrer Vororder wieder höhere Zahlen in die Auftragsbücher der Fahrradhersteller schreiben würde. Jedoch ein letzter Rest an Unsicherheit bleibt immer. Kommt die neue Modellpalette beim Handel an? Welche Trümpfe hat der Wettbewerber in der Hand? Können neue Händler gewonnen werden? Hat der Handel den Mut, tatsächlich die Vororder zu erhöhen? Fragen, die in den vergangenen Wochen beantwortet wurden.
Handel reagiert auf Erfahrungen
Der Tenor unter Industriesprechern ist eindeutig: Viele Fahrradhändler hätten sich von Erfahrungen der letzten Saison bei ihrer Order beeinflussen lassen. Die bisherige Taktik, im Herbst erst einmal vorsichtig zu ordern, und dann im Frühjahr noch nachzuordern, sei bei vielen Händlern nicht aufgegangen. „Das war dann bei uns oft nicht mehr möglich, weil wir schon ausverkauft waren“, sagt z.B. Cube-Sprecherin Sabine Wachsmann. Auch Stevens-Manager Volker Dohrmann bestätigt dies: „Die Shops waren früh mit unseren Topmodellen ausverkauft, so dass sich unsere Händler für die neue Saison schlicht und einfach besser bevorratet haben.“
Einige Händler hätten nach schlechten Erfahrungen in der vergangenen Saison allerdings nicht nur mit einer höheren Order reagiert, sondern auch ihre Lieferanten gewechselt, stellt z.B. Raffael Oppold, Vertriebsleiter von Merida-Centurion, fest. Sein Unternehmen habe jedenfalls davon profitiert, in der letzten Saison sehr lange lieferfähig gewesen zu sein. „Wir sind jetzt in der Vororder dafür belohnt worden und konnten neue Kunden hinzugewinnen“, so Oppold und weiter: „Von den bestehenden Kunden gab es nur ganz wenige, die weniger geordert haben als im Vorjahr“. So rechnet Oppold mit einem Plus von 20 bis 25 %, „wenngleich wir mit der Vororder noch nicht ganz durch sind“.
Leer geräumtes Lager
Dass viele Händler spätestens zu den Messen in einigen Produktsegmenten „auf dem Trockenen“ gesessen sind, hat auch Eberhard Beez von Wheeler-Vertreiber Hostettler GmbH festgestellt. „Ein Indiz dafür ist, dass viele Händler ihre Ware jetzt möglichst schnell haben wollen“, so Beez. So würden bereits im Oktober im Fachhandel schon viele 2008er-Modelle verkauft.
Zuwächse im höherwertigen Bereich
Spätestens seit selbst Elektrohändler Saturn seinen ein ganzes Zeitalter prägenden Slogan „Geiz ist geil“ ins Werbearchiv verbannt hat und stattdessen wieder die Technik anstatt den günstigsten Preis an erste (Werbe-)Stelle rückt, scheint auch der Fahrradhandel diese Trendwende im Konsumentenverhalten ins Kalkül gezogen zu haben. Denn gerade im höherwertigen Bereich sind offensichtlich überdurchschnittliche Zuwächse im Ordervolumen verzeichnet worden. Insbesondere das Thema Carbon scheint auch im Handel Phantasien zu wecken. „Was uns positiv überrascht hat“, so Oliver Bosch, Vertriebleiter für Süddeutschland bei Cycle Union, „war die auffällig hohe Order im Carbonbereich. Insbesondere unsere Trekkingräder, die wir hier anbieten, sind sehr gut gelaufen“. Auch bei Stevens, „zeigt die Kurve bei Carbonbikes deutlich nach oben“, wie Volker Dohrmann berichtet. Aber nicht nur der Werkstoff Carbon macht den hochwertigen Bereich wieder interessanter. Denn auch ein Hersteller wie Riese und Müller, der laut Geschäftsführer Heiko Müller „die Finger vom Rahmenmaterial Carbon lässt“ meldet hohe Zuwächse. „Bei uns ging es in den letzten Wochen richtig ab“, sagt Müller, „wir liegen bei den Vorordereingängen mit 33 % im Plus im Vergleich zum Vorjahr.“ Ohnehin scheint der Fachhandel für die kommende Saison sehr stark auf den Trekkingrad-Bereich zu setzen. „Klare Gewinner sind neben High-End-Mountainbikes insbesondere leichte und gleichzeitig hochwertige Trekking- und Cross-Modelle“, bestätigt Stevens-Mann Dohrmann. Insgesamt sei man bei Stevens „schon positiv überrascht“, dass es einen „so deutlichen Trend“ zu mehr Qualität und höherpreisigen Bikes gibt.
Erfolgreiche Firmenstrategien
Bei einigen Fahrradherstellern gab es vor dem Wechsel ins neue Modelljahr deutliche Veränderungen beim Marktauftritt und im Produktsortiment. Auch dies habe die Orderbereitschaft der Kunden maßgeblich positiv beeinflusst, sind sich Sprecher dieser Unternehmen sicher. So freut man sich zum Beispiel bei Kettler, dass die Layana-Linie „voll eingeschlagen hat“, wie Stephan Geiger, der neue Bereichsleiter Fahrrad bei Kettler berichtet. Viele Kettler-Händler hätten darauf gewartet, dass „sich wieder was bei uns tut“ und hätten bei der Order entsprechend zugeschlagen. Zudem sei von den Händlern sehr positiv aufgenommen worden, so Geiger, dass sich der Durchschnittspreis im Sortiment nach oben entwickelt hat.
Ein weiteres Beispiel für einen tiefgreifenden Wandel im Unternehmen ist Cycle Union, unter deren Dach die Marken GT, VSF Fahrradmanufaktur, Epple, Rabeneick und Kreidler zusammengefasst sind. „Die klare Positionierung der Marken hat Früchte getragen“, so Vertriebsmanager Oliver Bosch. Durch die getätigten Umstrukturierungsmaßnahmen auch im Außendienst habe man den Auftritt beim Fachhandel gestärkt und nicht zuletzt deshalb auch höhere Orderzahlen erzielt.
Übermütiger Handel?
Angesichts der gemeldeten Vororderergebnisse der Fahrradanbieter, die größtenteils im zweistelligen Bereich liegen, befürchten manche Marktbeobachter jetzt, dass der Handel bei seiner Einkaufsplanung über das Ziel hinaus geschossen sei. Dies könnte sich bei einem schwachen Saisonstart rächen. Eine Meinung, die aber beispielsweise Raffael Oppold von Merida-Centurion nicht teilt: „Es werden jetzt schon viele 2008er Modelle im Handel verkauft. Das ist ein Zeichen, dass viele Händler nach dem Sommer tatsächlich ohne Ware da gestanden sind“. Dies rechtfertige dann auch eine höhere Order.
Trotz der Zufriedenheit über das gute Vororderergebnis, wünschen sich viele Lieferanten immer noch eine frühere Entscheidung ihrer Kunden bei der Vororder. Ein Vororder-Zeit bis in den November hinein koste viel Zeit und Geld, die an anderer Stelle besser investiert wäre, so die weit verbreitete Meinung. Peer Beyenburg, Vertriebsleiter von BMC-Anbieter Grofa: „Je behilflicher der Handel uns dabei ist, Zeit zu sparen, um so mehr können wir diese Ersparnis an ihn während der Saison wieder zurück geben“. Ideal, so Beyenburg, wäre, wenn es einen klaren Trend im Handel gäbe, bereits auf der Eurobike
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