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Simplon: Nanolight
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Viele neue Ideen bei Alltagsrädern:

Hersteller finden interessante Wege aus dem Einheitsbrei

Der Markt für Alltagsfahrräder ist riesig: Rund 80 % der jährlich in Deutschland verkauften Räder sind nach StVZO ausgestattet. Die Verkaufszahlen sind abgesehen von wetterbedingten Schwankungen seit Jahren sehr stabil. Und trotzdem: Der Preiskampf in diesem Bereich ist enorm und kaum ein Anbieter konnte sich in den vergangenen Jahren diesem Preiskampf entziehen. Denn für den Laien war es gerade in den absatzstarken Preislagen schwer möglich, preisrelevante Unterschiede zwischen den einzelnen Modellen und Anbietern auszumachen. Ein eigenes Profil gewinnen, das war die Aufgabe, die sich viele Hersteller im Bereich City- und Trekkingräder für die kommende Saison gestellt haben. Einige Ergebnisse wurden auf den jüngsten Herbstmessen in den neuen Modellkollektionen vorgestellt.

Simplon: NanolightGiant: CitystormRiese und Müller: Delite BlueTrenga DE: TDL-10Kettler: Neue Layana-LinieHersteller finden interessante Wege aus dem Einheitsbrei

Gute Saison hingelegt

Von dem frühen Saisonstart mit hervorragendem Fahrradwetter haben in diesem Jahr auch die Abverkäufe von City- und Trekkingrädern profitiert. Das bestätigen Fahrradhersteller und Fahrradhändler im Gespräch mit velobiz.de. Damit dürfte vom Umsatzplus von rund 10 %, das der Verband des Deutschen Zweiradhandels (VDZ) für die ersten sieben Monate des Jahres 2007 berechnet, ein erheblicher Anteil auf das Konto der Alltagsräder gehen. Und das, obwohl der Abverkauf dieser Fahrräder mit fortlaufender Saison besonders stark von den Wetterschwankungen beeinflusst worden ist, wie Händler gegenüber velobiz.de bereits im großen Saisonrückblick berichteten.

Trotz allen Aufs und Abs in dieser Saison: Trekking- und City-Räder sind weiterhin mit einem Stückzahlen-Anteil von 28 bzw. 27 % am Fahrradmarkt die Verkaufsrenner. Das heißt: Pro Jahr schieben Endverbraucher jeweils über eine Million City- und Trekking-Räder aus den Fahrradgeschäften, aber auch aus Bau- und Supermärkten. Zum Vergleich: Mountainbikes kommen hingegen nur auf einen Anteil von 15 %, so die Berechnungen des Zweirad-Industrie-Verbandes. Der Markt für Alltagsräder ist also sehr attraktiv. Kein Wunder also, dass sich gerade im City- und Trekking-Bereich eine Fülle von Anbietern tummelt. Und die stehen vor einer Herausforderung: Ihre Marke so zu positionieren, dass sie eine gewisse Eigenständigkeit erreicht und damit dem Preiskampf entfliehen kann. Versuche dazu gab es auch schon früher.

Fehler in der Vergangenheit

Ein Blick zurück: Zur Jahrtausendwende war das Thema Vollfederung bei City- und Trekking-Rädern in aller Munde. Große Hoffnungen wurde in diese neue Ausstattungsoption gesetzt. Kaum ein Alltagsfahrrad wurde mehr ohne Federgabel, Federbein oder gefederte Sattelstütze angeboten. Jedoch waren schon nach wenigen Modelljahren viele Hoffnungen zerstört. Im Kampf um den günstigen Preis blieb die Funktionalität der Federungssysteme und des Rahmens, an den sie verbaut wurden, oftmals auf der Strecke. Hohes Gewicht und schlechtes Fahrverhalten bei vielen Modellen, dazu Rahmenbrüche und Rückrufaktionen ließen die Vollfederung als Verkaufsargument schnell an Überzeugungskraft verlieren. Die Folge: Bei City- und Trekking-Rädern verschwand Vollfederungstechnik fast völlig, mit Ausnahme von Billigmodellen bei Baumärkten und Discountern auf der einen Seite und High-End-Modellen von Spezialisten wie z.B. Riese und Müller auf der anderen Seite.

Nachdem das Thema Vollfederung bei City- und Trekking-Rädern ad acta gelegt wurde, waren neue Verkaufsstrategien gefragt und wurden gefunden:
Die Aufgabe der Produkt-Manager war es, für einen möglichst günstigen Preis einen möglichst hohen Ausstattungsgrad zu erreichen. Gepäckträger, Nabendynamo, Federgabel und 27-Gangschaltung – und das möglichst für 499 EUR Verkaufspreis oder noch darunter. Ausstattungs-Merkmale rückten in den Vordergrund, Design und Optik der Räder standen hinten an. Die Folge: Fahrräder verschiedener Marken glichen sich oftmals wie ein Ei dem anderen. Das Ziel, eine eigene Markenaussage für das Produkt zu schaffen, wurde verfehlt. Zudem gingen die Neuerungen auf Kosten des Gewichts. Die Fahrräder wurden schwerer und brachten zwischen 18 und 20 kg auf die Waage. Und: Diese Modelle waren für den Laien schwer von Angeboten aus dem Supermarkt zu unterscheiden, was den Preiskampf bei diesen Fahrrädern erneut anheizte. Insbesondere deshalb, weil Einkaufsmodelle mit preisaggressiven Aktionsmodellen ebenfalls an der Preisschraube drehten.

Aus diesem Dilemma versuchte sich die Branche in jüngster Vergangenheit zu befreien. Deutlich erkennbar wird dies in den neuen Kollektionen für das kommende Jahr. Der Weg aus dem Einheitsbrei bei Alltagsrädern erfolgt in mehrere Richtungen: Leichtbau, Optik und Design, Multifunktionalität und eine größere Modellvielfalt.

Niedriges Gewicht im Fokus

Während bei sportlichen Rädern seit Jahren um jedes Gramm gefeilscht wird, und niedriges Gewicht als Verkaufsargument immer noch ein wichtiger Trumpf ist, spielte dies im City- und Trekking-Bereich lange Zeit eine untergeordnete Rolle. Das hat sich in der jüngsten Vergangenheit geändert, nicht zuletzt deswegen, weil auch der Fachhandel nach leichteren Alltagsrädern verlangte.

So hat beispielsweise Fahrradhersteller Cycle Union das Thema Leichtbau zur zentralen Aussage für die Marken Epple und Rabeneick gemacht. „Es ist unser Ziel, dass der Endverbraucher diese Marken mit leichten Fahrrädern verbindet“, erklärt Rainer Gerdes, Marketingleiter bei Cycle Union. Dafür wurde „Komponente für Komponente“ auf Möglichkeiten überprüft, um das Gewicht zu reduzieren. Auf den Einsatz von Federgabeln wird dabei wie bei vielen anderen Herstellern auch immer häufiger verzichtet.

Beispiele, wie man Gewicht sparen kann, gibt es demnach viele: So bringt beispielsweise das Modell TDL-10 von Trenga De vollausgestattet (mit Rohloff-Nabe) gerade mal 13,5 kg auf die Waage. Dass es auch im Bereich weit unter 1000 EUR möglich ist, leichte Alltagsräder anzubieten, zeigt z.B. KTM in der neuen Kollektion mit dem Tiefeinsteiger {i }Univers 7 Lite{/i}, das bei einem Verkaufspreis unter 500 EUR gerade mal 15 kg wiegt.
Aber wo hat Leichtbau seine Grenzen? Volker Thiemann, Geschäftsführer von Fahrradhersteller AT Zweirad warnt im Gespräch mit velobiz.de davor, bei allem Streben nach niedrigem Gewicht die Sicherheit zu vernachlässigen: „Unser Ziel ist es, ein Rad zu bauen, das auch in zehn Jahren noch hält“. Thiemann sieht zudem in einer anderen Zielgruppe Potenzial, für die Gewichtoptimierung beim Fahrrad nebensächlich ist: „Man sollte versuchen auch schwere Personen aufs Fahrrad zu bringen“, so Thiemann. Diese Zielgruppe wird bislang nur von ganz wenigen Herstellern mit speziellen Modellen bedient, die für ein Gesamtgewicht über 100 kg zugelassen sind.

Werkstoff Carbon kommt ins Spiel

Mit dem Thema Leichtbau, kommt fast automatisch auch der Werkstoff Carbon ins Spiel. Als vor rund zwei Jahren die ersten Trekking-Modelle mit Carbon-Rahmen auf den Messen vorgestellt wurden, stellte man die Notwendigkeit dieser Räder oftmals noch in Frage. Die Frage, ob Alltagsräder mit Carbon eine Zukunft haben, wurde auf den diesjährigen Herbstmessen deutlich beantwortet. Es fand sich kaum ein etablierter Fahrradhersteller, der nicht ein Trekking-Rad mit Carbonrahmen präsentierte. „Mit diesen Modellen kann die preisunsensible Kundschaft angesprochen werden“, meint Stefan Limbrunner, Marketingleiter beim österreichischen Fahrradhersteller KTM. Und Kundschaft, die durchaus viel Geld in der Tasche hätte, sei im Trekking-Bereich häufig zu finden, so Limbrunner.
Als einen „Image-Träger“ bezeichnet Cycle-Union-Sprecher Gerdes die Carbonräder im Trekking-Segment. Neue Rahmenformen sind möglich. Damit können optische Unterscheidungsmerkmale geschaffen werden.

Frauen rücken in den Blickpunkt

Bei Fahrrad-Accessoires oder auch im sportlichen Fahrradbereich, sind spezielle Modelle und Linien für Frauen schon etabliert. Der City- und Trekking-Bereich hinkte auch hier bislang hinterher. Doch mittlerweile haben Fahrradhersteller erkannt, dass Frauen eine interessante Zielgruppe darstellen, die aber mit anderen Produktaussagen überzeugt werden will als Männer. So entscheiden Frauen in erster Linie nach Optik und Design. Viel wurde auf den Messen über die neuen Damenlinie „Layana“ von Kettler oder auch das prämierte Modell „Citystorm“ von Giant gesprochen. Was Frauen neben der aufgeräumten Optik überzeugen soll, sind die praktischen, aber auch schön gestalteten Fahrradtaschen.
Aber Frauen auf eine Zielgruppe zu reduzieren, die nur auf schön anzusehende Fahrräder aus ist, wäre fehl am Platze. Die Urban-Line von Cannondale ist bestes Beispiel und auch Vorreiter für einen Trend beim Alltagsfahrrad: Schöne Detaillösungen gepaart mit anspruchsvoller Technik und einem stimmigen Marketing-Konzept sind die richtigen Zutaten, um Fahrräder für die Stadt und für den Alltag in einem höheren Preissegment zu positionieren und zu etablieren.

Multifunktionalität und Flexibilität

Eine neue Produktausrichtung ist auch im hochwertigen City- und Trekking-Bereich erkennbar. Gerade wenn Kunden bereit sind, relativ viel Geld in ein Fahrrad zu investieren, möchten sie in punkto Einsetzbarkeit möglichst wenig Abstriche machen. Riese und Müller trägt diesem Wunsch beispielsweise mit dem City- und Country-Kit beim Modell Delite Rechnung. Der Clou: Das Delite kann so innerhalb von wenigen Minuten von einem Mountainbike in eine komplett ausgestattetes Tourenrad verwandelt werden.
In eine ähnliche Richtung geht auch Topeak mit dem neuen Fahrradkonzept Jango, das hierzulande von RTI Sports angeboten wird. Auch hier kann sich der Kunde ausgehende von einer Grundversion, Anbauteile auswählen, die leicht montierbar sind und damit eine schnelle Verwandlung des Fahrrads für den gewünschten Einsatzzweck ermöglichen.

Das Angebot bei Alltagsfahrrädern wird also vielfältiger. Leichtere Modelle, schöne Farben, neue Materialien und attraktive Konzepte bringen wieder viel Leben in den Verkauf von Alltagsrädern. Dazu kommt noch eine immer stärkere Anpassung von verschiedenen Modelltypen an spezielle Zielgruppen. Eine ähnliche Entwicklung hat bei Mountainbikes mit der Unterscheidung z.B. von Cross-Country-, Marathon-, Enduro-Bikes usw. schon vor Jahren eingesetzt. Auch bei Alltagsrädern werden Modelle immer mehr an die jeweils angesprochene Kundenklientel angepasst. Dies geht los bei extrem leichten Cross-Trekking- bzw. Speedtrekking-Bikes und reicht über Reisräder bis hin zu stabilen und auf hohes Gesamtgewicht zugelassenen Rädern.

10. Oktober 2007 von Jürgen Wetzstein

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