Report - Basil
It started with a – Korb
Diese Geschichte fängt mit einem Foto an: Da sitzt ein kleiner Junge in einem Fahrrad-Kindersitz aus Weidengeflecht, quer auf den Heckgepäckträger montiert. Er guckt ein bisschen frech in Richtung des Fotografen. In der Ferne sieht man die Mauritiuskirche von Silvolde, einem niederländischen Dorf an der Grenze zu Deutschland. Das Bild stammt von 1976 und zeigt tatsächlich den ersten Korb des heutigen Fahrradkörbe-Universums Basil.
Was zuvor geschah: Nico van Balveren hatte damals in zweiter Generation einen Fahrradladen und bekam dort regelmäßig von einer jungen Frau Besuch, die ihn nach einem besseren Kindersitz fragte. »Da muss es doch so etwas wie einen Korb geben!« Gab es nicht. Aber die Frau kam immer wieder und »außerdem war sie hübsch«, wie der heute 78-jährige beim Besuch im holländischen Ulft, wo Basil heute sitzt, versichert. So machte Nico van Balveren sich Gedanken, wie so ein Korb aussehen müsste, suchte und fand einen Weidenflechter in Osteuropa. Nachdem dieser seine Arbeit getan hatte, war schnell klar, dass der Korb ein Volltreffer war. Er machte die Frau glücklich, und van Balveren auf lange Sicht zum wohl größten Fahrradkörbe-Hersteller Europas.
Weidenflechter verursacht Firmengründung
Denn Nico van Balveren gründete kurz danach auf Basis der Korb-Nachfrage und einem zuverlässigen und qualitätsbewussten Zulieferer das Unternehmen Basil. Den Namen bildete er aus den je ersten Buchstaben seines Nachnamens und dem des damaligen Firmensitzes Silvolde.
Der heutige Unternehmenssitz in Ulft, nur wenig entfernt, entstand noch in den Siebzigerjahren. Zeitgemäße 70er-Jahre-Architektur, klar und übersichtlich, mit hellen Büroräumen im ersten Stock und dem großen Showroom, Lager und einigen Räumen für die Entwicklung und Tests im Erdgeschoss. Es ist ein offen wirkendes Ambiente. Hier sitzen rund 20 Mitarbeiter, bestehend aus Geschäftsführung, Sales und Kundenbetreuung, Entwicklung, Marketing. Man arbeitet gern mit Externen, das hält den Mitarbeiterstamm schlank, das Unternehmen flexibel. So ist das Personalwesen ebenso wie die komplette Logistik outgesourced, die Versandhalle steht im Nachbardorf. Bei Entwicklung und Design arbeitet man, je nach Produkt, gern mit freien Mitarbeitern. Sogar das Marketing wird zu einem geringen Teil von externen Mitarbeitern geleistet. »Wobei die Marketing-Abteilung intern seit 2015 deutlich aufgestockt wurde«, erklärt Jossie Hunting, die seit sechs Jahren in Ulft arbeitet und Teil dieses fünfköpfigen Teams vor Ort ist.
Der verstärkte Fokus auf Endverbraucher-Kommunikation und die PR ist ein Grund, weshalb das Unternehmen in den letzten Jahren deutlicher ins Bewusstsein der Radfahrenden gelangt ist. Dabei sind Radfahrer, wie die Gründungsgeschichte zeigt, immer schon im Mittelpunkt der Entwicklung. Marthijn von Balveren hat das Unternehmen 2001 von seinem Vater übernommen, und meint: »Ich fand es schon immer spannend, herauszufinden, was die Leute wirklich brauchen und wollen.« Der Chef hat sich ab 2001 quasi als Quereinsteiger in die Entwicklungsabteilung hineingearbeitet. Bei der niederländischen Supermarkt-Kette Jumbo hatte er viel mit Marketing zu tun. »Das wird immer mehr zur Wissenschaft«, erklärt er. Als er dann bei Basil einstieg, fing er trotzdem zunächst »an der Basis« an: »beim Lastwagen entladen«, sagt er lächelnd. Schließlich sei es wichtig, zu verstehen, wie das Unternehmen funktioniert.
Heute, an einem trockenen Wintertag, ist der drahtige 48-jährige mit dem Rennrad die 15 Kilometer ins Unternehmen gekommen, nach der Arbeit will er noch eine Trainingsrunde fahren. Bei allem Bezug zum Fahrrad muss man gebetsmühlenartige Wiederholungen von PR-Sätzen wie »wir leben für das Fahrrad« hier nicht über sich ergehen lassen. Das leidenschaftliche Verhältnis zum Fahrrad kommt während des Gesprächs auch so sehr authentisch zum Ausdruck.
Kein Korb wie der andere
Im Sample Room werden Exemplare aller aktuellen Produkte gelagert. Um die drei Jahren bleiben sie meist im Programm, manche Körbe gibt es aber auch schon 15 Jahre. Mittlerweile vertreibt Basil um die 500 Produkte, vor allem handelt es sich um Körbe, Körbe, Körbe. Es gibt sie aus Kunststoff, aus Metallgeflecht und nach wie vor aus dem klassischem Weidengeflecht. Daran schließen sich unzählige Shopping- und Allround-Taschen und Kunststoff-Boxen an. Spätestens in dieser Sammlung wird jedem klar, dass Korb nicht gleich Korb ist. Kleine Details machen den Unterschied. Das kann schon ein spezieller Griff sein oder der Zuschnitt eines Korbes für Jugendräder, der bei Erscheinen eine echte Neuheit war. Besonders beliebt sind seit Jahren Hundekörbe – »da gab es ein Angebotsloch«, erklärt der Unternehmenschef beim Gang durch die Regalreihen. Dieses Loch wollte natürlich gefüllt werden.
Slogan: »Ich hoffe, es regnet heute!«
Stolz ist man bei Basil auf den neuen Produktsektor Regenbekleidung, den auch langjährige Unternehmenspartner kaum erwartet hatten. »Eigentlich hatten wir schon 2011 vor, einzusteigen«, so van Balveren, »aber wir waren einfach noch nicht so weit. Und es fehlte damals die nötige Manpower.« Seit gut einem Jahr ist Patrick Ebbeling bei Basil, der als Produktmanager unter anderem half, die Kollektion mit anzuschieben. Viele Ideen kommen von van Balveren selbst, die seit zwei Jahren noch besser umgesetzt werden können. Mit Marc Roelofsen, früher CEO von BBB Cycling, bekam Basil einen Co-Geschäftsführer. Das erlaubte dem Kreativ-Chef, seinen Ideen freien Lauf zu lassen und sich mehr um die Entwicklung zu kümmern.
So konnte man auf der Eurobike 2019 mit drei Produktlinien und 30 Modellen eine umfangreiche Regenkollektion zeigen. »Wir haben immer eine Atmungsaktivität von mindestens 5.000 MVTR«, sagt van Balveren, »und eine Wassersäule von 5.000 mm.«
Neben der Einsteiger-Kollektion gibt es die urbane Linie Mosse, die sehr modische Zuschnitte zeigt und unterschiedliche Modelle für Männer und Frauen anbietet. Da gibt es Regenmäntel im Stil von Trenchcoats für die Dame auf dem Hollandrad. Die Pendler-Linie Skane richtet sich an Fahrer, die länger aktiv sind und bietet daher 10.000 mm Wassersäule und auch den 10.000er in Sachen Wasserdampf-Durchlässigkeit.
Die Skane-Reihe kann das Bluesign-Label für besonders umweltschonend hergestellte Materialien für sich beanspruchen. Damit ist man heute in sehr guter Gesellschaft, meint van Balveren: »Vaude ist da ein gutes Vorbild für uns. Ich hoffe, das macht noch mehr Schule.«
Vorbildlich, und zwar durch den genauen Blick auf die Bedürfnisse der Endverbraucher, will Basil selbst sein. Detailverliebte Pendlerrucksäcken wie der B-Safe der Basil-Marke Nordlicht zeigen, was ein Produkt bieten kann. Der Rucksack lässt sich einfach wie eine Gepäcktasche ans Rad hängen, aber am Ankunftsort auch gut tragen, dann versteckt eine Abdeckung mit Reißverschluss die Haken für den Gepäckträger. Neben Laptop-Fach, diversen Geheimtaschen und einem USB-Anschluss zum Handyladen zeigt er auch in der Optik seine Herkunft, das »Nordlicht« kommt an der Vorderseite des Rucksacks durch die schmale vertikale Leiste roten Lichts zum Ausdruck. Der Lichtstreifen kann schnell oder langsam pulsieren oder permanent leuchten. Für den Radfahrer mag das vielleicht nur ein kleiner Sicherheitsgewinn sein, für den, der zu Fuß weitergeht, ist es ein klares Plus.
United Colors of Basil
Farbe ist extrem wichtig bei Basil, was die vielen Taschen und Textil-Körbe mit den fast schon klassischen floralen Mustern zeigen. Damit die Farbe hält, was sie verspricht, gibt es eine eigene Testkammer im Unternehmen, wie Produktmanager Vincent Persoon erklärt, in der die Prototypen hoher UV-Strahlung ausgesetzt werden. Denn das Ausbleichen der Farben ist für jeden, der sich mit Textilqualität beschäftigt, ein Problem. »Das wird dadurch noch komplexer, dass jede Farbe anders auf das Sonnenlicht reagiert«, sagt Persoon. Der bunten Kreativität sind damit mitunter technische Grenzen gesetzt, was angesichts der Design-Verspieltheit, wie sie die Holländer gern an den Tag legen, viel Testarbeit bedeutet.
Stolz ist man in Ulft auch auf die bunten Gepäcktaschen. Bis 2005, so van Balveren, gab es praktisch kaum Farbe in diesem Sektor, erst Basil habe Farbe in den Markt gebracht. Die ersten Taschen wurden durch das Hook On-System gehalten, das auch heute noch praktisch auf jeden Träger passt. Mit ihnen richtete man sich vor allem an die Alltagsfahrer, die auch mit dem Slogan »Spread the Cycling Joy« angesprochen werden, also etwa »verbreite das Vergnügen am Radfahren«, oder das »Fahrradglück«, wie der Basil-Chef das gerne übersetzt sehen will.
Eigener Standard für Halterungen
Selbst wenn der Bekanntheitsgrad der Marke Basil in ihren ersten drei Jahrzehnten beim deutschen Radfahrer nicht sehr groß war, musste man nur den Händler um die Ecke besuchen, um Basil-Präsenz zu erleben. Zwei Außendienstler besuchen heute in Deutschland und Holland die Händler, verkauft wird grundsätzlich über den Großhandel. Von Accell gab es für Basil 2019 den »Supplier Collaboration Award«, einen Preis für besonders gute, innovative Zulieferer. Das bezog sich nicht auf Basil selbst, sondern auf die 2017 entwickelte Marke MIK, Mounting is key, die einen Halterstandard, vergleichbar mit dem früheren Klickfix, darstellt. Damals wurde außerdem ein Trägerplatten-System, wie man es etwa bei Racktime kennt, vorgestellt. Es ist, im Gegensatz zu den meisten anderen Systemen, offen, kann also von jedem Hersteller genutzt werden. Mit MIK wurde Basil, die eigentlich für den Aftermarket produzieren, zum OEM-Hersteller. Das war ein entscheidender Schritt, der natürlich umgekehrt den eigenen Produkten noch mehr Marktmöglichkeiten versprach.
One Size fits all
Besonders Markt-mächtig ist in dieser Hinsicht wohl die Adapterplatte, die aus einem beliebigen Träger einen MIK-Systemträger macht: »Viele Händler erzählten uns früher: ›Die Kunden können nicht verstehen, dass ihr Wunschkorb nicht auf den Träger ihres Rads passt.‹« Mit dem MIK-Adapter ist auf praktisch jedem Träger ein Basil-Korb mit MIK-System möglich. Sogar einen Kindersitz soll der neue Halter sicher befestigen können.
Zusammen mit dem taiwanesischen Komponentenhersteller Massload entwickelte Basil selbst einen Gepäckträger mit speziellen Features. Die Reling für die Gepäcktaschen lässt sich verstellen, sodass diese bis zu 10 Grad nach vorne gekippt eingehängt werden kann. Das Ergebnis ist mehr Fersenfreiheit und auch für Menschen mit großen Füßen keine Probleme mit ihren Hacken mehr. Die Reling ist zudem dämpfend aufgehängt, Laptops und andere empfindliche Technik sollen durch einen Elastomerdämpfer erschütterungsärmer transportiert werden können.
In Sachen Sicherheit und Robustheit will man sich ebenfalls von anderen Herstellern abheben. Vincent Persoon zeigt gleich neben dem UV-Testgerät und der Industrie-Kühltruhe, in der vor allem Kunststoff-Körbe für Bruchtests »eingefroren« werden, eine Testmaschine für Zubehör und seine entsprechenden Halterungen. Da läuft eine kleine Walze, die das Vorder- oder Hinterrad des Fahrrads ersetzt, über eine zweite Walze, den Straßenbelag, und holpert dabei jede Umdrehung über einen imposanten Zacken. Der stellt für die Halterung oder den Korb, die oben auf der Maschine befestigt sind, ein deftiges Schlagloch dar. »Früher hatten wir hier normale Fahrradrahmen über ein ›Schlagloch‹ hoppeln lassen, aber die waren schon nach wenigen Wochen völlig zerstört«, erinnert sich der Produktmanager, schließlich testet man hier grundsätzlich nach höheren als den Standardvorgaben.
Konkurrenz scheint in den letzten 44 Jahren kein großes Problem für das kleine, aber erfolgreiche holländische Unternehmen gewesen zu sein. Anscheinend hat man immer wieder den richtigen Mix an Angebotsvielfalt, Detailverliebtheit und natürlich der Weiterentwicklung des typisch holländischen Designs gefunden. Bei den Bikern nachfragen und dann zuhören können, ist das Wichtigste, davon ist man in Ulft überzeugt. Dann muss man natürlich noch die passenden Ideen zur Umsetzung des Gehörten haben.
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