Zahlen - Marktdaten 2021
Markt stabilisiert sich auf neuem Niveau
Eigentlich sind die ZIV-Zahlen vor allem Industriezahlen, geht es doch um Importe und Exporte, Inlandsanlieferungen und Ausfuhrländer und damit insgesamt um die Leistungsfähigkeit der hiesigen Fahrradindustrie. Immerhin ist der Verband schließlich das Sprachrohr einer Industrie, die es in den letzten Jahren zu neuem Glanz und gestiegener Wertschätzung gebracht hat. Doch weit darüber hinaus bieten die Zahlen auch einen tiefer gehenden Einblick in die Strukturen und Marktentwicklungen in der Branche.
Zunächst seien die Industrie-Benchmarks genannt: Einmal mehr konnte die deutsche Fahrradindustrie trotz aller Lieferschwierigkeiten, Logistikprobleme und Fabrikschließungen von Zulieferern die Produktion nochmals steigern. 2,37 Millionen Fahrräder wurden in Deutschland hergestellt, ein Plus von bemerkenswerten 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, als die 2,15 Millionen Räder bereits ein dickes Plus zum Vor-Corona-Zeitalter darstellten. Es ist zwar kein Allzeithoch, aber in den vergangenen zehn Jahren lag die Produktion nicht so hoch wie jüngst. Die aktuelle Fahrradproduktion hat auch qualitativ in jeder Hinsicht neue Höhen erreicht.
Es braucht noch mehr Platz als ein normales Fahrrad, noch mehr Beratung, ist im Schnitt noch teurer und dabei das am schnellsten wachsende Segment im Radhandel: das Lastenrad.
Bemerkenswert ist etwa, dass in Deutschland inzwischen deutlich mehr E-Bikes als normale Fahrräder produziert werden. 1,4 Millionen Räder der hiesigen Produktion sind inzwischen mit einem Motor ausgestattet, 900.000 Fahrräder sind bio. Noch vor zwei Jahren war das Verhältnis in etwa ausgeglichen, davor hatten normale Räder deutliches Übergewicht. Es ist klar, dass sich diese Verschiebung nicht wieder zurückdrehen wird, eher wird sie sich noch weiter ausbauen. Die 0,9 Millionen Normalräder sind auch insofern bemerkenswert, als sie zum ersten Mal seit vielen Jahren eine Steigerung der Produktionsmenge darstellen (um 13 Prozent). Davor ging es Jahr für Jahr mitunter steil bergab.
Sinkender Fahrradverkauf
Eine etwas kompliziertere Geschichte sind die Zahlen zum Fahrradverkauf, die insbesondere den Handel interessieren. So sank die Zahl der verkauften Fahrräder und Pedelecs von knapp über 5 Millionen Stück im Rekordjahr 2020 auf nun 4,7 Millionen in 2021. Wie passt das zur ZIV-Erzählung, die Industrie habe deutlich zugelegt? Die Erklärung geht so: Zur genannten Inlandsproduktion von 2,37 Millionen Rädern kommt der Import von weiteren 4,14 Millionen Fahrrädern. Von dieser Summe wurden wiederum 1,57 Millionen exportiert. Was übrig bleibt, ist die sogenannte Inlandsanlieferung von 4,94 Millionen Fahrrädern und Pedelecs in Deutschland. Diese Zahl entspricht der Menge an Ware, die in die verschiedenen Vertriebskanäle in Deutschland geflossen ist. Aber verkauft wurden doch nur 4,7 Millionen Räder? Die Differenz von 240.000 Rädern wird als Lagerbestandsveränderung verbucht. Der Handel hätte die Räder sicher gerne auch verkauft, aber leere Ladenflächen sind auch kein schöner Anblick. Ein Mindestbestand an Lagerware muss stets vorhanden sein, was seit 2020 oft nicht gegeben war. ZIV und VDZ (Handelsverband Zweirad) weisen darauf hin, dass mehr Fahrräder und Pedelecs hätten verkauft werden können, wäre mehr von der besonders nachgefragten Ware verfügbar gewesen. Hätten, hätten, es gab aber keine Fahrradketten. Zwei Gründe dürften den Handel dennoch wieder etwas versöhnlicher stimmen: Zum einen liegt das Absatzniveau von 2021 immer noch deutlich über den Vor-Corona-Verkaufszahlen. 2019 wurden 4,31 Millionen Fahrräder und Pedelecs verkauft mit zudem deutlich geringerem Verkaufswert. 2019 lag der Verkaufswert der produzierten Räder noch bei glatt 4 Milliarden Euro, 2020 sprang er auf 6,44 Milliarden und wuchs sogar noch weiter auf 6,56 Milliarden Euro in 2021. 2013 lag er noch unter zwei Milliarden Euro.
Stationärer Fachhandel bleibt das Maß der Dinge
Zum anderen ist die Entwicklung des Fachhandelsanteils sehr interessant. Dieser ist einmal mehr gestiegen auf nun 73 Prozent bei den Stückzahlen. Auch der VDZ kommt auf diese Zahl. Dazu zählt der ZIV weitere drei Prozent Marktanteil, die stationäre Händler über ihre Online-Aktivitäten erzielt haben. Im Gegenzug ist der Marktanteil der Online-Versandhändler zum dritten Mal in Folge gesunken auf nun 20 Prozent. Die preisaggressiven Anbieter wie Baumärkte und der Lebensmitteleinzelhandel erregen zwar jedes Jahr aufs Neue beachtliche Aufmerksamkeit mit ihren Angeboten, bleiben aber trotzdem im niedrig einstelligen Prozentanteil und verlieren ebenfalls weiter an Bedeutung. Das dürfte Balsam auf manche geschundene Händlerseele sein, die immer wieder von mehr oder weniger fachfremden Vertriebskanälen herausgefordert wird.
Der Verkauf ist zwar auf Jahressicht gesunken, aber immer noch deutlich über Vor-Corona-Niveau. Der Verkaufswert ist sogar auf ein neues Hoch gestiegen.
Die Kundschaft kauft gerne stationär, lässt sich beraten und weiß ganz offensichtlich den Service vor Ort zu schätzen. Sich auf diesen aktuellen Lorbeeren auszuruhen wäre aber der falsche Schluss.
Die Lust am Lastenrad
Den größten Sprung nach vorne machte die Abteilung Lastenrad. Wieder einmal lag das Wachstum binnen eines Jahres bei satten 50 Prozent. Insgesamt 120.000 Lastenräder mit Motor werden inzwischen verkauft (Vorjahr: 78.000). Dazu kommen weitere 47.000 Einheiten ohne Antrieb (Vorjahr: 25.200). Es ist laut ZIV überhaupt die einzige nicht elektrifizierte Radgattung, die ihre Stückzahlen ausbauen konnte. Selbst wenn sich die Dynamik demnächst abflachen sollte, sind die nächsten Rekorde bereits absehbar. Es lohnt, sich die Bedeutung dieser Zahlen zu verdeutlichen: Mit den aktuellen Stückzahlen haben Lastenräder viele etablierte Segmente eingeholt. Die Rolle der Lastenräder im E-Segment sollte nicht unterschätzt werden. Sechs Prozent des E-Verkaufs gehen auf das Konto von Lastenrädern. Wertmäßig dürfte der Marktanteil aber noch deutlich höher liegen, denn kaum ein E-Lastenrad rollt für weniger als 5000 Euro aus dem Ladengeschäft. Nimmt man diese Zahl als Durchschnittswert, dann erzielen E-Lastenräder aktuell satte 600 Millionen Euro Umsatz.
Durchschnittspreise steigen weiter
Über alle Segmente lag der Durchschnittspreis für Fahrräder und Pedelecs in Deutschland bei 1395 Euro, ein Anstieg von über 100 Euro binnen eines Jahres und mehr als 40 Prozent Plus im Vergleich zu 2019. Das ist eine rasante Entwicklung und bereitet manchen Marktbeobachtern auch Sorge. Zwar ist die Preissteigerung vor allem von den Absatzrekorden bei den E-Sortimenten getrieben, dennoch lautet die Frage, wie weit sich diese Preisschraube noch weiterdrehen kann und wird. Der VDZ errechnete einen Durchschnittspreis von 3332 Euro brutto für Elektroräder und 654 Euro brutto für die unmotorisierten Fahrräder. Das ist eine riesige Lücke zwischen Bio und Elektro. Immerhin sind die weiteren Aussichten nur leicht bewölkt bis freundlich: Für die neue Saison wird zwar eine immer noch angespannte Warenversorgung erwartet, aber auch erneut gute Absatzzahlen aufgrund bleibender Nachfrage.
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