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Kolumne - Carsten Bischoff

MTB rollt zurück in die Nische

In den schönen Verkaufsräumen tummeln sich gelangweilt nicht motorisierte MTBs aller Klassen und warten auf mehr oder minder zahlungskräftige Kundschaft. Aber egal welcher Kurs am Rad dransteht, es interessiert einfach niemanden mehr. Ich weiß von jedem MTB-Käufer des letzten halben Jahres noch Namen und Schuhgröße. Und wir leben in einer Gegend, wo richtig gut und reichlich MTB gefahren...

...und auch entsprechend gekauft wurde.
Das MTB ist der Inbegriff von Freiheit und Abenteuer, die Marlboro-Zigarette des Sportlers und der Sympathisanten dieses Sports. Und genau das ist das Problem: Marlboro wird es in naher Zukunft auch nicht mehr geben. Die Zukunft ist auch hier friedlich elektrisch.
Aber ganz so einfach ist es beim Fahrrad nicht. Neben der vollumfänglichen Elektrifizierung der Fortbewegung gibt es noch eine Gattung, die die Grube ganz tief ausgehoben hat: das Gravelbike. Es kam irgendwann mit Barack Obama über den Großen Teich und schickte sich an, den Markt auf den Kopf zu stellen.
Jede zweite Kundenanfrage dreht sich heute um ein geländetaugliches Fahrrad mit Rennradlenker. Die Straßen und Feldwege sind voller glücklicher Gravel-Piloten, gekleidet in Gravelwear und mit vielerlei kleinen Gravel-Taschen irgendwo am Rad befestigt.
Genau diese Gravelrider hätten früher die vielen schönen bunten Hardtails und gelegentlich auch mal ein hübsches Fully gekauft. Mehr als einen Schotterweg hätten die MTBs wahrscheinlich auch nie gesehen.
Das Gravelbike kann für diese Zielgruppe alles in einem Rad sein: »MTB«, Rennrad, Alltagsrad und Reiserad. Vier Räder in einem, das auch noch gut und leichtfüßig aussieht. Damit wird es auch weiblicher als jedes MTB. 50 Prozent unserer Gravel- und Rennradkunden sind Frauen.
Das MTB ist mit uns alt geworden. Im Bikepark oder auch beim CC-Rennen sehe ich nur die Generation X und so einige Best Ager noch auf dem MTB. Gravel ist jung, freundlich, schnell. Während in unserer Jugend n+1 die richtige Besitzmenge an Fahrrädern war, reicht heute quasi eines aus.
Auch wenn wir traurig darüber sind, es ist bis auf Ausnahmen vorbei. Das MTB tritt wirtschaftlich in die Fußstapfen des Rennrades. Auf die Frage nach Bio-MTB-Fullys reagierte ein namhafter norddeutscher Hersteller vor einigen Jahren so: »Jungs, nur für euch privat und eure Seele bauen wir kein neues Fully mehr.« Es gab Kopfschütteln und Protest aus der Händlerschaft, aber es war eine weise Entscheidung.

Carsten Bischoff ist Fahrradhändler in Dresden.

3. Juni 2024 von Carsten Bischoff
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