Weitere Start-Ups auf der Eurobike 2022
New Mobility jenseits des Reißbretts
(...) konkreter werden, raus aus den Kinderschuhen. Die Konzepte müssen heute vielmehr auch Machbarkeits-Ansprüchen in vielerlei Hinsicht genügen. Die Start Up-Aussteller aus der neuen Mobilität kamen auf der Eurobike 2022 diesen Anforderungen zum Teil durchaus nach. Viele sind mit einer zweiten Generation ihres Produkts oder einer weiterentwickelten Abwandlung vertreten. Schön und wichtig war aber auch, dass es immer noch Entwicklungen gibt, die mittlerweile festgefahrene Pfade verlassen und versuchen, auf anderem Weg ans Ziel zu kommen.
Bella Cargo-Macchina
In Italien macht Snap gerade Furore, das E-Auto auf Fahrradbasis. Die rechtliche Einordnung geht allerdings von Pedelec über S-Pedelec bis hin zum L6e mit 4.000 Watt. Das SNAP Urban erfreut sich in der italienischen Presse gerade großer Beliebtheit. Nicht nur das Design soll Automobil-Ansprüchen gerecht werden. Entwickler Francesco Passarella legt Wert auf Komfort durch einen hochwertigen Sitz und Einzelradaufhängung. Das auf der Messe vorgestellte, verlängerte Snap Cargo+ ist noch Vorserie und als Start Up mit staatlicher Förderung unterwegs. Laut Pasarelle, der selbst aus dem Automotive-Bereich kommt, soll das Snap, egal in welcher Variante, ein Auto auf Kurz- und Mittelstrecke ersetzen können. Wie das Auto soll es Schutz vor Wetterunbill bringen, aber vor allem richtig nachhaltig sein.
Der Cargo+-Rahmen ist aus Stahl, der Body ist beim Prototyp aus glasfaserverstärktem Kunststoff. In der Serie wird er aus Vacuum geformten, recyceltem Kunststoff sein. Ohne Box wiegt das Cargobike etwa 130 Kilogramm. Wer die auf der Messe gezeigte Box mit der hinteren Tür und 1,5 m3 Volumen abnimmt, wozu nur vier Schraubbolzen abgezogen werden müssen, hat einen Pickup vor sich stehen. Mit nur ein paar Handgriffen bekommt er seine Ladewände. Zuladung: 150 Kilogramm. Zwei Motorenkonzepte soll es geben: Zum einen den klassischen Tretlagermotor von Bafang mit 250 Watt und Antrieb über eine Kette auf die Hinterräder. Außerdem ist auch ein serieller Hybrid geplant, der ohne Kette zwei Motoren an den Hinterrädern speist. Der Preis für die Cargo+-Version mit Kette wird voraussichtlich bei etwa 10.000 Euro liegen.
www.snap-mobility.com
Auf drei Rädern rollern
Ebenfalls aus Italien kommt der E-Scooter Lynx. Er soll vor allem zwei Dinge bieten, die heute übliche Produktionen kaum vorweisen können: „Wir haben bei der Entwicklung vor allem auf maximal mögliche Sicherheit und viel Komfort für den Nutzer geachtet“, sagt Massimiliano Melis, der CTO von To.tem, dem Mutterunternehmen von Lynx. Auch er kommt aus dem automotiven Bereich.
Der Scooter hat ein fast doppelt so breites Trittbrett wie seine handelsüblichen Kollegen. Er kann es sich leisten, denn er hat hinten auch zwei Räder, was das auffallendste Feature von Lynx sein dürfte. Durch die Breite des Rollers kann man beide Füße gefahrlos nebeneinanderstellen und hat so eine bequemere Haltung und sicherere Basis auf dem Micro-Mobil als man es von den meisten Wettbewerbern kennt.
Sinnvoll ist sicher auch die Lichtleiste unter dem hinteren Schutzblech. Hier zeigt ein Lauflicht von links nach rechts oder umgekehrt den Richtungswechsel an, bedient über einen Schalter am Lenker. Auch ein Bremslicht ist vorhanden. Dank der zwei Hinterräder kann man an der Ampel auf dem Scooter stehen bleiben. Trotzdem neigt sich der Lynx in Kurven bis zu 15 Prozent, „auch das ist ein großer Sicherheitsvorteil“, meint Melis. Der Motor sitzt im Vorderrad, ebenso die Scheibenbremse. Angeschaltet und gesteuert wird die Elektronik über eine Smartphone-App, das Smartphone ist wie heute oft üblich, über einen Halter ins Cockpit integriert. In der App findet sich auch eine Navigationsfunktion, deren Leistung nach Ablauf des ersten Jahres separat berechnet wird. Der Motor leistet 350 Watt, die Batterie im Lenkerdom mit 187 oder 360 Wattstunden kann zum Laden entnommen werden. Die Lynx-Version „E-Vision“ hat außerdem eine Heckkamera, die sich annähernde Fahrzeuge und deren Abstand anzeigt. Mit gut 16 Kilogramm ist Lynx zudem recht leicht. „Jede einzelne Komponente ist nach Wertigkeit und Qualität ausgesucht“, so Melis. Ob und wie der Lynx den Weg in den Markt findet, ist noch unklar, zurzeit gilt es Händler in Italien für den Roller zu begeistern.
www.totemev.com
Nimm vier, und fahren ist einfacher
Auf den ersten Blick ein Trike wie viele andere – auf dem zweiten gar keines: Das Pony4 ist vom deutschen Spezialrad-Macher Steffen Schönfelder entwickelt worden. Der ist fast schon ein Urgestein der Spezialradszene und Gründer von Velomo, einem Unternehmen das Velomobile herstellt. Nach dem Prototypenstadium und einigen Entwicklungs-Varianten ist Pony4 nun ein Joint Venture von Velomo, Katanga, einem großen tschechischen Spezialradhersteller und Flevo International, einem berühmten niederländischen Liegeradunternehmen. Derzeit steht man mit dem Pony4 mit Cargo- oder Familienfunktion Start-Up-Bereich. Anders als die meisten Cargobikes für Schwerlasten ihre Nähe zum Auto nicht verhehlen können, kommt Pony4 also vom vierrädrigem Velomobil und versucht, die konzeptuellen Vorteile dieser Räder wie geringes Gewicht und einfachen Aufbau zu nutzen. „Uns war wichtig, dass das Pony4 wenig komplex aufgebaut ist und viel Komfort bietet“, sagt Entwickler Schönfelder. Der Rahmen ist aus CroMo und wiegt nur 2,5 Kilogramm. Die Räder sind an „Blattfedern“ aus Glasfaser aufgehängt, die Ladefläche hinter dem Fahrersitz kann tief zwischen den Rädern liegen, was sich vorteilhaft auf den Schwerpunkt und damit das Handling auswirkt. „Vierräder laufen sicherer als Trikes“, sagt Schönfelder.
Konkret sind sie bei höheren Geschwindigkeiten kurvensicher, der Geradeauslauf ist ausgewogener – und das alles bei leichterer Bauweise. Derzeit steht das Lasten- oder Familienrad, im Bild mit zwei Kindersitz-Möglichkeiten hinter dem Fahrersitz, vor der Serienfertigung. Gebremst wird mit Trommelbremsen an den Vorderrädern, eine Technik, die allerdings auch im Spezialradbereich nicht mehr ganz up to date ist. Das gezeigte Modell hatte eine Pinion-Schaltung mit dahinter gelagertem Motor. Über ein Differenzial werden beide Hinterräder angetrieben. Eine Fachhandelsstrategie für das Quad gibt es bisher noch nicht, so Schönfelder. Die gezeigte Last-Version soll mit Pinion-Getriebe etwa 6.500 Euro kosten. https://pony4.bike
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