Report - Fahrradtourismus Japan
Nippon- Ferienort will mehr
Während Furano inerhalb Japans hauptsächlich mit seiner Blumenlandschaft in Verbindung gebracht wird, ist der Ort international vor allem durch den Wintersport bekannt geworden. Auf den Hausbergen der seit 50 Jahren mit Wintersport in Verbindung gebrachten Ortschaft haben bereits Ski- als auch Snowboard-Weltcuprennen stattgefunden. Somit ist zumindest der Winter für den dortigen Tourismus eine gute Einnahmequelle. Trotzdem reichen die Besucherzahlen längst nicht an den Juli heran, wenn blumenbegeisterte Japaner aus den südlichen Ballungsgebieten des Landes mit ihren Kameras die bunte Landschaft erstürmen.
Das ist auch ein Problem. Abgesehen vom Juli ist im sommerlichen Furano nichts los. Kenji Matsuzawa glaubt, darauf die richtige Antwort zu haben: »Wenn alle an einem Strang ziehen, können wir in Furano ein Top-Fahrradrevier aufziehen, das Leute hierhin bringt, die länger als nur ein oder zwei Tage bleiben.«
Also redet Matsuzawa mit mehreren offiziellen Stellen. Die Seilbahn-Betreiber hat er mittlerweile so weit, dass sie – wenn er eine Gruppe zusammenbringt und die vorab anmeldet – ihre Anlagen anwerfen. Das läuft derzeit aber nur mit vorheriger Anmeldung und einem Guide, der das Ganze organisiert und vor allem: Verantwortung übernimmt. Die Angst vor etwaigen Ansprüchen nach irgendwelchen Unfällen sitzt tief. Noch sind den Seilbahnbetreibern diese Typen, die da mit ihren Bike-Boliden die Skihänge herunterbrettern, nicht ganz geheuer. »In Japan ist Mountainbiken kein Breitensport. Hier muß man ganz unten anfangen. Das braucht seine Zeit«, erklärt Hobby-Downhiller Matsuzawa.
Einen Teilerfolg kann der 37-Jährige schon aufweisen: Die Seilbahnbetreiber gestatteten es ihm, einen Trail in die vorhandenen Skihänge zu ziehen. Um das bewerkstelligen zu können, hat Matsuzawa den Furano Mountainbike Club ins Leben gerufen. Der hat mittlerweile 21 Mitglieder. Wobei leider nur sieben aus Furano selbst und die restlichen 14 aus der etwa 120 Kilometer entfernten Hokkaido-Metropole Sapporo kommen. Der Club kümmert sich sowohl um die Trails im Wintersport-Gelände als auch um den Shimizuyama Mountainbike Park, der auf einem von der Stadt (die über ihre Tourismuszentrale auch mit im Boot ist) zur Verfügung gestellten Gelände entstand. Matsuzawas Traum: »Ich würde gerne ein Mountain-College aufziehen, das sich nicht nur um Mountainbiking, sondern um den Ganzjahressport der hiesigen Wintersportgebiete kümmert.«
Natürlich gibt es mit »Skiing Hokkaido« bereits eine aus 12 führenden Wintersport-Ressorts bestehende Allianz. Die kümmert sich aber nur um Schneesport. Matsuzawa denkt eher an einen »großen Masterplan für Hokkaido«. Und weiß, dass er dafür ganz von vorne anfangen muß.
Deshalb hat er mit Mountainbiken angefangen. Die aktuelle Szene ist klein. Den auf Hokkaido bekannten und in der aktuellen Wintersport-Boomtown Niseko lebenden Trailbuilder Teppei Nakajima hat der Mann aus Furano schon für sich gewinnen können. Mittlerweile verbindet die beiden Freunde mehr als »nur Mountainbiken«: »Unter Anleitung von Teppei haben wir alle Trails in Furano gebaut. Unser eigener Bikepark wird für die Ausbildung zum Trailbuilder und zum Mountainbike-Guide genutzt. Auch da ist Teppei als unser erster Ansprechpartner vor Ort.«
Langsam bewegt sich etwas. Sportpia Co., Ltd. – sowohl Betreiber der Furano Ski School als auch eines Wintersport-Geschäfts inklusive Verleih und Werkstatt – hat ebenfalls das Mountainbike als Sommeralternative entdeckt. Laut Koordinatorin Ayako »Aya« Senda »steckt alles noch in den Kinderschuhen. Wir versuchen, die Leute mit leichten Touren in unserer schönen Landschaft fürs Mountainbiking zu begeistern.« Matsuzawa sieht Sportpia nicht als Konkurrenz: »Wir sind froh, dass sich auch von anderer Seite etwas in Sachen Stollenreiter tut. Zudem ist Aya auf Hokkaido eine der ganz wenigen echten Mountainbikerinnen. Vielleicht kann sie ja andere Mädels besser an unseren Sport heranführen als wir Männer. Insgesamt ist die hiesige Mountainbike-Szene sehr männerlastig.«
Kenji Matsuzawa ist auch derjenige, der sich in und um Furano bestens auskennt. Und mit seinen Englischkenntnissen gerne sommerliche Übersee-Kundschaft begrüßen würde. Tolle Sightseeing-Touren hat er bereits im Angebot. Die Trails im nordwestlich von Furano gelegenen Shirogane Onsen – einem für seine heißen Quellen bekannten Ort in den vulkanisch geprägten Ishikari Mountains, zu denen auch der mit 2.291 Metern höchste Berg Hokkaidos Asahidake gehört – setzen auf alte Pilgerpfade durch ursprüngliche Wälder mit bodendeckendem Sasa, einer auf Hokkaido wie Unkraut aus dem Boden schießende dünnhalmigen großblättrigen Bambusart. Und während es Downhiller vielleicht eher auf die mit der Seilbahn zu erreichenden »flowigen« Trails der Wintersport-Hänge zieht, wählen Mountainbike-Einsteiger vielleicht eher die von Sportpia angebotene Schotterweg-Strecke »Country Road« im nahe gelegenen Nakafurano.
Das Angebot ist da. Nur: Es fehlen die Gäste. Die Katastrophe in Fukushima hat dem Übersee-Tourismus in Japan einen starklen Dämpfer verpasst. Kenju Matsuzawa ist sich dessen bewusst. Auch wenn Hokkaido selbst nicht betroffen war bzw. ist: Es wird dauern bis die Urlaubsgäste aus dem Ausland zurückkommen. Bis es soweit ist, schaut er positiv in die Zukunft: »Wir haben hier noch so viel mit dem Aufbau einer Infrastruktur für Mountainbiker zu tun und hoffen zuerst einmal darauf, dass unsere Landsleute diesen Sport für sich entdecken. Zudem müssen wir weitere Parteien in Furano überzeugen, daß sie vom Radsport profitieren können und deshalb mitziehen. Da liegt noch viel vor uns.«
Momentan gibt es in Furano nicht einmal ein professionelles Fahrradgeschäft, das sich mit dem Thema Sportrad auseinandersetzt: »Dafür müssen wir ins 50 Kilometer entfernte Asahigawa fahren.« Jene Bikeshops, die vor Ort seien, würden sich ausschließlich auf Light Cycles, die Nippon-Billigvariante unseres Alltagsrad, konzentrieren.
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