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Interview - Robert Peschke

»Platz für fast jedes Format«

Robert Peschke ist als Geschäftsführer von Little John Bikes ein Freund des offenen Wortes. Ob zur Handelslandschaft an sich, den eigenen Plänen oder zur Bedeutung von Finanzinvestoren, mit klaren Antworten hält er sich nicht zurück.

Little John Bikes ist in den letzten Jahren durch seine sehr aktive Wachstumsstrategie mittels Nachfolgen aufgefallen. Welche Kriterien legen Sie an, wenn Sie einen Kandidaten haben?

Wir schauen uns sehr viel an und interessieren uns im Prinzip für alle Händler. Meist läuft es auf drei Optionen hinaus: Wenn Immobilie und Sortiment passen, ist eine Fortführung am einfachsten. Wenn die Immobilie passt, aber das Sortiment nicht, dann kann im Umbau des Sortiments Chance oder Risiko liegen. Am häufigsten sind es deshalb die bestehenden Sortimente und Lieferantenbeziehungen, die eine Herausforderung sein können. Und wenn der Standort nicht passt, ziehen wir um. Zum Beispiel haben wir einen Händler mit nur 180 Quadratmetern Fläche samt Personal übernommen und dann 10 Kilometer weiter eine neue, 800 Quadratmeter große Filiale aufgemacht. Es gibt in unserer Strategie Platz für fast jedes Format.

Aber es gibt keine Grenze nach unten?

Nein, die gibt es nicht, aber natürlich sind solche Fragen standortabhängig. So stellt sich etwa die Frage, ob wir in eine bestimmte Region überhaupt wollen. Wir wachsen aus unseren Clustern heraus und da schaut man natürlich schon, dass man Synergien zwischen den Filialen herstellt. Ich komme gebürtig von Aldi, da spricht man von der »Aldi-Zellteilung«. Deswegen ergibt es Sinn, wenn wir bereits in Bad Nenndorf sind, nach Minden oder Hannover zu gehen und weniger Sinn, als nächstes Saarbrücken in Angriff zu nehmen. Aber wenn jemand in Saarbrücken drei vernünftige Läden hätte, würden wir den sofort machen.

Wenn die Unternehmensgröße nicht so wichtig ist, bedeutet das im Umkehrschluss, dass es Ihnen vor allem um das Personal geht?

Ja, also das Personal ist ein wesentliches Asset, aber wir sind auch vorbereitet, wenn das Personal nicht mitkommt oder langfristig bleibt. Wir haben da eine Klaviatur an Möglichkeiten. Das Wichtigste für uns ist, dass wir nicht in Märkte gehen wollen, in denen es dann zu einem Verdrängungswettbewerb kommen könnte. Wir wollen positiv besetzt sein und in einem Markt eine gewisse Substanz haben. Bei einer Übernahme sollen die Kunden sagen ›ach, da kommt jemand, der führt das weiter, aber der macht es vielleicht ein Ticken digitaler, ein Ticken attraktiver für die Mitarbeiter, hat vielleicht ein etwas frischeres Sortiment‹. Das ist schon auch eine stark psychologisch beeinflusste Strategie.

Wer kommt bei Nachfolgen in der Regel auf wen zu?

Wir haben da ganz viele Kanäle. Wir haben Außendienstler, die den Handel kennen und Leads vermitteln, und auch ich stelle mich manchmal persönlich in Läden vor, wenn wir einen Händler interessant finden. Da gibt es dann allerdings die unterschiedlichsten Reaktionen von Interesse bis blanke Ablehnung.

Angenommen, ich wäre interessiert, meinen Radladen zu übergeben. Wer zahlt den höchsten Preis für mein Geschäft? Sind Sie es oder kann ich jemanden finden, der mehr zahlt?

In der Verhandlungstheorie gibt es den Begriff BATNA, was für Best Alternative to a Negotiated Agreement steht. Das heißt, wenn ein Händler die Möglichkeit hat zu sagen, ›ich habe hier jemand mit einem Angebot, Robert, willst du mitbieten?‹, dann wird er wahrscheinlich in einem Bieterwettbewerb von zwei bis drei Bietern eine optimale Preisallokation finden, um es mal technisch auszudrücken. Das ist dann gut für den Verkäufer. Das kommt zwar vor, aber ist nicht die Regel. Häufiger ist, dass es überhaupt niemanden gibt, der Fahrradläden kauft. Im Normalfall ist es doch so, dass wir die Einzigen sind, die sich dafür interessieren. Früher hat der beste Geselle oder der angestellte Meister den Laden übernommen, aber der verfügt heute nicht mehr über das nötige Kapital. Und dann kommen wir ins Spiel mit einer unkomplizierten Nachfolge. Der Verkäufer braucht keine Schrauben zu zählen, und wir machen dem Händler anhand seines Ergebnisses ein vernünftiges Angebot mit einem Faktor 2 oder 3, vielleicht auch mal 4, je nachdem, wie groß und attraktiv der Laden ist. Das macht niemand im Markt für kleine und mittlere Händler.

In den letzten fünf Jahren hat Little John 35 Läden übernommen. Wie oft kommt es zu einer Einigung?

Wir haben in dieser Zeit etwa 50-mal eine Due Diligence durchgeführt, die dann zu den besagten Übernahmen geführt haben. Dazu kommen über 200 mehr oder weniger unverbindliche Gespräche mit Händlern und viele Ansagen auf unserer Seite, wenn die Datenlage undurchsichtig ist.

Little John Bikes wird im Markt auch mit einer gewissen Skepsis gesehen, weil mit Borromin Capital ein Finanzinvestor im Hintergrund steht. Da besteht die Sorge, dass man es mit einer Art Heuschrecke zu tun bekommen könnte, die aus kurzfristigem Gewinninteresse dem Markt schadet. Wie kommen solche Vorbehalte bei Ihnen an?

Der Begriff »Heuschrecke« kommt vom ehemaligen Arbeitsminister Müntefering (SPD). Ob dieser als Genosse, Industriekaufmann und Gewerkschaftsmitglied damals tatsächlich Experte für den internationalen Kapitalmarkt beziehungsweise Private-Equity-Experte war, kann ich nicht bewerten.
Eine Branche so zu titulieren, ist höchstwahrscheinlich eher polemisch, bildet jedoch die Grundlage dafür, dass nun auch ein Fahrradmann aus Radebeul mit 80 Quadratmetern Fahrradladen meint, kompetent mitdiskutieren zu können.
In Deutschland gibt es zahllose Private-Equity-Unternehmen [PEs]. Jeder von denen hat eine völlig eigenständige Investment-Strategie. Es gibt Player, die das Management und die Strategie einer Unternehmung stark gestalten, die dann vielleicht sogar einen Managing-Partner mit in die Unternehmung stecken, um dort als CFO oder Geschäftsführer die Strategie mit umzusetzen.
Es gibt aber auch, und das ist der Fall von Borromin, PEs, die überhaupt keine Managing-Partner haben, welche in die Operative eingreifen. Borromin Capital investiert in eine Strategie des Managements und unterstützt mit Know-how.


Der Flagship-Store von Little John Bikes in Bautzen verfügt über 1500 Quadratmeter Fläche und kommt damit an die Grenze dessen, was Peschke noch als für die Branche zweckdienlich erachtet.

In unruhigen Märkten ist ein PE ist das Beste, was dir passieren kann, weil er dich zwingt, deine Cashflows so zu monitoren und deine Entscheidungen so zu hinterfragen, dass du viel bessere Entscheidungen triffst, als wenn du nur »Management by Bauchgefühl« machst. In unserem derzeit harten Markt ist es challenging und absolut positiv, wenn du einen top Sparringspartner hast, der dich so fit hält, dass du in der ersten Bundesliga boxen kannst.

In der Regel haben Investoren auch eine Exit-Strategie. Gibt es so einen Plan im Zusammenhang mit Little John Bikes?

Was es gibt in einer Unternehmung, sind Bedürfnisse. Bedürfnisse bedeutet, dass man in bestimmten Phasen des Wachstums Kapitalströme braucht, um bestimmte Strategien umzusetzen. Wenn beispielsweise eine Unternehmung Digitalprojekte umsetzen will oder internationales Wachstum plant, um die eigene Position zu sichern, dann braucht sie Kapital. Wenn der Cashflow dafür nicht ausreicht, muss man schauen, wo die Mittel dafür herkommen.
Und da kann ich sagen: Banken bekommen schneller kalte Füße als PEs. Unser PE entzieht der Unternehmung null Cashflow und mischt sich nicht ein in das Operative. Natürlich hat er als Hauptgesellschafter über den Beirat die Mehrheit, aber die Strategie von Borromin ist eine ganz andere. Gibt es eine Exit-Strategie? Na klar. Aber jetzt geht es zunächst darum, eine gewisse Struktur und ein gewisses Volumen aufzubauen. Im nächsten Schritt kann man dann schauen, ob man einen neuen Partner benötigt, der die nächste Phase der Unternehmung begleiten möchte.
Wann der genaue Zeitpunkt gekommen ist für einen Exit, das ist im Moment nicht absehbar und kein Thema. Es gibt eine langfristige Strategie und Ziele. Wir brauchen in Zukunft sicher unterschiedliche Partner mit unterschiedlichen Kompetenzen und diese sind nicht nur monetär.

Sie sind zuletzt auch für Ihre Unterstützung der lokalen Händler in Kiel aufgefallen, die sich gegen die Ansiedlung einer Großfläche durch Fahrrad XXL wehren. Was hat es damit auf sich?

Ich habe versucht, es auf Linkedin differenziert auszudrücken. Einerseits bin ich persönlich stark wettbewerbsorientiert, Wettbewerb ist für Kunden und die Mobilitätswende sehr wichtig. Ich kenne den Markt dort oben gut. Und da macht es aus einer kunden- und stadtplanerischen Sicht wenig Sinn, dort so eine Fläche hinzuknallen.

»Wir machen dem Händler anhand seines Ergebnisses ein vernünftiges Angebot mit einem Faktor2 oder 3, vielleicht auch mal 4, je nachdem, wie groß und attrak-tiv der Ladenist. Das macht niemand im Markt für kleine und mittlere Händler.«

Zudem finde ich persönlich die Großfläche an sich in unserem Business ein langfristig nicht-kundenorientiertes Businessmodell, weil es sich aus der Wertschöpfung die Rosinen rauspickt, und zwar den hoch-profitablen Verkauf des Rades oder E-Bikes.
Der gesamte Service und die gesamte Betreuung des Kunden werden dann abgewälzt auf den kleinen und mittelgroßen Händler, der viel näher am Kunden ist. Das werde ich nicht verhindern, indem ich jammere, ich muss einfach mit meinem Konzept noch besser werden, dafür stehe ich morgens auf. Der Service kann sich jedoch nicht verbessern, wenn die Großflächen die Transaktionen aus den kundennahen Händlern zieht und Kiel ist eben gut besetzt.

Wie kann sich der Service verbessern?

Unsere Branche muss kundenorientierter werden. Das funktioniert nur, wenn ich schließlich nah am Kunden bin. Ich will das so verdeutlichen: Wenn eine Großfläche am Wochenende 300 Kunden durchwurschtelt und dort mit »Top Rabatten« im Fahrradverkauf dezentral Wertschöpfung aus dem Markt zieht, wird es für die Branche schwer, ein Reparatur- und Service-Netzwerk aufzubauen, das digital und kundenorientiert ist.
Du kannst einen Fahrradladen langfristig, außer in Städten wie Berlin, Köln und Leipzig, nur profitabel führen und digitalisieren, wenn du einen gesunden Mix aus Verkauf und Service hast.
Weil aber der »pfiffige« Kunde, den werde ich übrigens auch nicht verändern, sich ein vermeintliches super Schnäppchen in »Honolulu« schießt und danach feststellt, dass er im Gewährleistungs- und Reparaturfall alleingelassen ist, kommt der »pfiffige Schnäppchenjäger« dann zur »schnellen« Problemlösung nun doch plötzlich zum Fahrradhändler vor Ort.
Nun kommt der Fahrradhändler vor Ort in die perfide Situation, irgendwie mit verschmierten Händen an diesem Rad herumschrauben zu müssen, um Reparaturen und Gewährleistungsansprüche für die Industrie umzusetzen. Im Extremfall blockieren »pfiffige Schnäppchenjäger« (Fremdkunden) den kleinen Händler nun mit ihren Service-Anliegen und schwächen nochmals den viel profitableren Verkauf – so bleibt der kleine Händler in einer prekären Situation.
Deswegen ist unsere Strategie, die Großfläche einfach uninteressant für Kunden zu machen, indem wir vier oder fünf mittelgroße Läden haben, die viel näher am Kunden sind, mit einem ordentlichen Service-Angebot und einer ordentlichen Beratung.
Unsere Zielkunden müssen nicht ewig fahren oder monatelang warten im Servicefall. Die Inspektion gibt es für Stammkunden von Little John Bikes im Winter sogar gratis. Deshalb nutzen wir ca. 800- bis 1000-Quadratmeter-Flächen, damit wir immer ein ausreichendes Angebot an Produkten haben, genauso wie einen sehr guten Service.

Gibt es eine optimale Betriebsgröße für einen Fahrradladen? Sind diese 1000 Quadratmeter das richtige Maß?

Nein, das kann man so nicht formulieren. Wir haben in Berlin einen 300 Quadratmeter großen Laden, dort ist man mit dieser Größe der absolute Champion. Der normale Kiezladen hat 50 Quadratmeter. Wenn man das Gleiche in Franken erreichen will, braucht man mindestens 1000 Quadratmeter. Dort muss man ein breiteres Sortiment haben, weil man viel E-lastiger ist und die Themen Trekking und Mountainbiking viel breiter spielen muss als zum Beispiel in Berlin.
In der BWL gibt es zwar den Begriff der optimalen Betriebsgröße, aber in der Fahrradbranche lässt sich das nicht ausnahmslos definieren. Was es aber im Fahrradhandel gibt, ist etwas provokativ ausgedrückt eine langfristig »nicht-kundenorientierte Betriebsgröße«. Das ist aus meiner Sicht alles, was deutlich über 2000 Quadratmeter groß ist.
Diese Geschäftsmodelle sind eben stark transaktionsorientiert: »Hier gibt es alles, schlag zu«, was vielleicht auch bestimmte Kundengruppen attrahiert. Ich bin persönlich der Auffassung, dass das Thema »hyperlokale« Einkäufe und Dienstleistungen im Zuge des gesellschaftlichen Wandels auch im Fahrrad die Zukunft ist.
Wenn du als Fahrradhändler mit Kunden auf der Fläche ins Beratungsgespräch einsteigst und wirklich kundenorientiert berätst, gehen sie überwiegend nicht mit dem Produkt nach Hause, was sie sich zu brauchen eingebildet haben. Die Eigen-Recherche im Netz und die Vorerfahrung sind natürlich sehr wichtig. Das gemeinsame Herausfinden der zukünftigen Nutzung und die begleitete Probefahrt sind uns darüber hinaus sehr wichtig.
Das teuerste und beste Fahrrad steht nur in der Garage, wenn es nicht zum Fahrenden passt. Gemeinsam suchen wir das richtige Rad für den persönlichen Einsatzweck, stellen es ergonomisch perfekt ein und sind auch nach dem Kauf da. Unser Ziel: viele Fahrradkilometer mit viel Spaß.
Ich möchte nicht anmaßend sein, aber wie soll diese Beratungs- und Servicetiefe auf 6000 Quadratmetern mit 300 Kunden an einem sonnigen Freitag zwischen 14 und 19 Uhr mit vielen geringfügig Beschäftigten und Studenten dargestellt werden? Ich habe mir das persönlich schon oft angeschaut und genau deshalb stehen viele Räder ungenutzt im Keller.
Wenn wir langfristig Menschen vom Auto aufs Fahrrad heben wollen, brauchen sie ein Produkt, das zu ihrem Bedürfnis passt. Dazu gehört die passende Spezifikation und sie brauchen eine Werkstatt in der Nähe, um ihr Commuting darzustellen. Wenn jemand seine Kinder mit dem Lastenrad in den Kindergarten fährt, dann müssen wir als Händler gewährleisten, dass dieses Lastenrad funktioniert. Wir brauchen Infrastruktur, die langfristig, wie in den Niederlanden, das Thema Mobilitätswende unterstützt. Und das werden wir durch unser Netzwerk Little John Bikes schaffen. //

13. Mai 2024 von Daniel Hrkac

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