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Diskutierten über Fahrradpolitik: Dr. Friedemann Kunst (Berliner Senat), Franz Linder (Agentur P3), Andreas Gehlen (Zwei plus zwei), Dr. Toni Hofreiter (Die Grünen), Heidi Wright (ADFC), Michael Adler (fairkehr)
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Interessante Diskussion bei VivaVelo:

Politik und Fahrradbranche: Ein schwieriges Geschäft

Politik und Fahrradbranche: Das war wahrlich kein einfaches Thema, dem sich der Branchenkongress Vivavelo gleich zum Auftakt am ersten Tag stellte. Dass die Fahrradbranche – im Vergleich zu anderen Branchen - politisch wenig Einfluss besitzt, daran herrscht wohl kaum ein Zweifel. Doch können Handel, Industrie und die weiteren Marktteilnehmer daran etwas ändern? In einer interessanten Runde gaben Abgeordnete aus dem Bundestag und Verkehrsplaner Einblicke in das Politik-Geschäft und wie speziell die Fahrradbranche hier künftig mehr Beachtung finden kann.

Heidi Wright saß 15 Jahre – von 1994 bis 2009 – als Abgeordnete im Bundestag. Außerdem ist sie seit 2004 stellvertretende Vorsitzende des Radfahrer-Verbands ADFC. Wie kaum eine andere Person ist die SPD-Politikerin also in beiden Welten zu Hause - in der der Radfahrer und in der Bundespolitik. Es hatte schon fast einen resignierenden Klang, als Wright in der Podiumsdiskussion sagte, dass das Fahrrad „politisch immer noch ein Randthema“ sei. Politiker suchen starke Themen, um sich damit gegenüber dem Wähler zu profilieren. Das Fahrrad zähle hier nicht dazu. Die Ursache, warum der ADFC daran bisher wenig ändern konnte, suchte Wright übrigens auch in der nicht genügenden Vernetzung der Radfahrer-Lobby.

Vernetzung war das Stichwort für Andreas Gehlen, Geschäftsführer von Zwei plus zwei, der stellvertretend für die Fahrradbranche auf dem Podium saß. Auf die Frage von Moderater Michael Adler (Chefredakteur der Zeitschrift fairkehr), warum die Branche ihr durchaus vorhandenes Gewicht bisher nicht mehr in die politische Waagschale geworfen habe, sagte Gehlen: „Unsere Branche ist nicht strukturiert wie etwa die Autobranche“. Die Kleinteiligkeit der Fahrradbranche mit zudem sehr heterogenen Unternehmensstrukturen mache es der Branche schwer, sich zu organisieren. Gleichwohl nahm Gehlen den Kongress Vivavelo als Anlass für die Feststellung: „Wir sind auf dem richtigen Weg.“

Welches verkehrspolitische Juwel die Fahrradbranche mit ihrem Produkt besitzt, das führte Dr. Friedemann Kunst den Zuhörern vor Augen, der als oberster Verkehrsplaner in Berliner Senat u.a. auch die Fahrradinfrastruktur der Bundeshauptstadt maßgeblich mitverantwortet. „Das Fahrrad ist eines der wichtigsten Verkehrsmittel in der künftigen städtischen Entwicklung“, sagte der Spitzenbeamte. Dabei würden die Kommunen zunehmend vom Erfolg überrollt, wie Kunst berichtete – nämlich immer dann, wenn die vorhandenen Infrastrukturen dem zunehmenden Ansturm der Radfahrer nicht mehr gewachsen sind. Die Kommunen müssen deshalb dringend Geld in die Hand nehmen, um die Radwege-Situation zu verbessern. Dass dieses Geld sehr gut investiert ist, daran herrscht laut Kunst unter den Verkehrsplanern wenig Zweifel: „Ich kann durch die Förderung des Radverkehrs mit sehr geringem Geld sehr viel erreichen“ – wie beispielsweise eine spürbare Verringerung des motorisierten Verkehrs.

Oft gehen die Kommunen bei ihren Investitionen für den Radverkehr aber noch ohne viel Sachverstand vor, wie Franz Linder anmerkte. Mit seiner Agentur P3 berät Linder regelmäßig Kommunen in Nordrhein-Westfalen bei der Verkehrsplanung. Dass dort mitunter ziemlicher Murks getrieben wird, kann Linder u.a. in seiner Heimatstadt Köln beobachten: „Da werden Radwege mit feinstem Marmor eingefasst, sind aber nur 90 cm breit.“ Seine Forderung: „Wir müssen beim Radverkehr weg von den kleinen Schritten.“ Wenn die Fahrradinfrastruktur für die Verkehrsteilnehmer attraktiver werden soll, müssen Radwege künftig vier Meter breit angelegt werden, so Linder.

Solche Dimensionen werden sich freilich nicht realisieren lassen, ohne dem motorisierten Verkehr Flächen wegzunehmen. Und das wird sich ohne eine breite politische Unterstützung des Radverkehrs kaum bewerkstelligen lassen. Doch wie bekommt das Fahrrad politische Unterstützer? Keine einfache Frage, auf die jedoch Dr. Toni Hofreiter, verkehrspolitscher Sprecher der Grünen im Bundestag, eine Antwort parat hatte: „Der Radverkehr muss bei Wahlen spielentscheidend sein, erst dann passiert was“, sagte der Bundestagsabgeordnete. Soll heißen: Erst wenn die Wähler ihre Stimmabgabe davon abhängig machen, ob ein Politiker oder eine Partei den Radverkehr fördert, erst dann werden auch die Gewählten ihr Wirken entsprechend ausrichten. Damit es soweit kommt, müsse sich das Fahrrad „in seiner Image-Qualität entwicklen“; Radfahren müsse, so Hofreiter, eine „kulturelle Dimension“ bekommen. Eine Aufgabe, bei der der Grünen-Politiker übrigens insbesondere auch die Fahrradindustrie in der Pflicht sieht.

Somit war wohl auch die zentrale Frage der Podiumsdiskussion ein Stück weit beantwortet, nämlich wie die Fahrradbranche trotz ihrer begrenzten Möglichkeiten Einfluss auf die Politik nehmen kann: Gute, attraktive Produkte, die Lust machen auf’s Radfahren, sind eine wichtige Grundlage für erfolgreiche Fahrrad-Lobbyarbeit. Und mit VivaVelo hat sich nun aus der Branche heraus noch ein weiterer Baustein entwickelt.

26. Februar 2010 von Markus Fritsch

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