Veranstaltung der Restrukturierungsbranche
Schlussverkauf? Vor welchen Herausforderungen der Einzelhandel steht
Zwar setzten sich die über 100 Gäste der Veranstaltungen fast ausschließlich aus Beratern und so gut wie gar nicht aus Einzelhändlern zusammen, als Beobachter aus unserer Branche wurde dabei aber durchaus deutlich, dass der stationäre Fahrradeinzelhandel vergleichsweise sehr gut dasteht. Auf solch einer Veranstaltung der Restrukturierungsbranche war er deshalb auch kein Thema.
Die Z-Falle
Der Rechtsanwalt Dr. Christian Gerloff bezog sich in seinem Vortrag in erster Linie auf den Modeeinzelhandel, in dem er bereits fundierte Erfahrungen als Insolvenzverwalter vorweisen kann. Den Grund dafür, dass seine Dienste gerade in dieser Branche so gefragt sind, konnte er ebenfalls benennen: „Der Modehändler befindet sich in der sogenannten Z-Falle. Er wird zerrieben zwischen Onlinehändlern wie Zalando und vertikalisierten Händlern wie Zara.“ Die Handlungsempfehlungen, die Gerloff vor dem Hintergrund dieser Zwickmühle stationären Händlern mit auf den Weg gab, lassen sich auf andere Branchen durchaus übertragen: So müsse für den Kunden der Einkauf zum Erlebnis werden. Als positives Beispiel nannte Gerloff in diesem Zusammenhang die Münchener Globetrotter-Filiale, die zahlreiche Möglichkeiten zum Ausprobieren der angebotenen Outdoor-Ausrüstung bereithält. Ein spannender Markenmix, Beratungskompetenz sowie die Vernetzung von Online- und stationärem Handel waren weitere Ansatzpunkte, die der Rechtsanwalt nannte. Allerdings räumte Gerloff ein, dass die Eröffnung eines Onlineshops für Einzelhändler durchaus mit hohen Kosten und dem entsprechenden Risiko verbunden sei. Jedoch müsse der Kunde die Möglichkeit haben, sich vorab im Internet zu informieren. Insgesamt sieht Gerloff bei der Digitalisierung große Potenziale. Verkaufsfördernde Maßnahmen wie interaktive Spiegel, berührungslose Schaufenster oder transparente Displays mit Produktinfos seien technisch bereits möglich und könnte zudem wiederum das Einkaufserlebnis verbessern. Im Sinne des stationären Einzelhandels sei aus Sicht von Gerloff auch eine Flexibilisierung der Öffnungszeiten. So sollte der Sonntag als Verkaufstag „ernsthaft in Betracht gezogen werden“.
Servicewüste Deutschland?
Gerade diese These wurde in der anschließenden Podiumsdiskussion durchaus kritisch gesehen. Als Mann aus der Praxis war hier der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Sport Scheck, Daniel Thomasius, vertreten, der Änderungen bei den Öffnungszeiten erwartungsgemäß wenig abgewinnen konnte. Der Unternehmensberater Carsten Paris sah beim stationären Handel zunächst mal Defizite in grundlegenden Dingen wie Vertrieb und Logistik. Auf der anderen Seite sollte der Kunde im Fokus stehen und diesem ein Erlebnis geboten werden. Nach Ansicht von Paris würde das bei ganz banalen Dingen wie einem vernünftigen Kaffee anfangen. Commerzbank-Manager Ansgar Obermüller, der viele Einzelhändler zu seinen Kunden zählt, berichtete ebenfalls von Nachholbedarf in der Kundenbetreuung. „Wer nicht auf seine Kunden und deren Bedürfnisse eingeht, der verliert. Viele Unternehmen haben kundenspezifische Daten, nutzen diese jedoch nicht. Damit vergeben sie sich wichtige Marketingchancen“, so Obermüller. Auch er griff anschließend das Thema Erlebniskultur auf. Dabei würden vor allem die Mitarbeiter eine entscheidende Rolle spielen: „Wir müssen aus der Servicewüste Deutschland rauskommen. Die Mitarbeiter müssen auf den Kunden zugehen, dessen Wunsch richtig erfragen und dann das richtige Produkt empfehlen.“
So waren wirklich neue Erkenntnisse auf dieser Fachveranstaltung zwar rar, jedoch kamen viele Themen zur Sprache, die sich auch der – im Vergleich zu anderen Branchen wirtschaftlich gut aufgestellte – Fahrradhandel zu Herzen nehmen darf.
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