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Wilfried Schmidt: Ein Nabendynamo besteht aus vielen Einzelteilen - die meisten davon werden aus Rohmaterial in Tübingen gefertigt
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Schmidt Maschinenbau: Klarinetten ebneten den Weg für den Nabendynamo

Verkehrsberuhigte Straßen, mehrstöckige Wohngebäude und Straßencafés: Es geht ruhig zu im französischen Viertel in Tübingen, einem Mischgebiet, das nach der Schließung der ehemaligen Hindenburgkaserne Mitte der 90iger Jahre aus dem Boden gestampft wurde. Dass gerade hier mittendrin seit 1998 Nabendynamos nicht nur entwickelt, montiert und getestet, sondern auch viele Einzelteile aus Rohmaterial gefertigt und bearbeitet werden, ist zunächst kaum vorstellbar. Kein modernes Fabrikgebäude zu sehen, keine Fräsmaschinen zu hören, keine Metallgeruch zu riechen: Nichts weist darauf hin, dass hier in der Aixer Straße 44 und weiteren Firmenflächen in unmittelbarer Umgebung der Unternehmenssitz von Schmidt Maschinenbau ist, einem Unternehmen, das vor genau 25 Jahren gegründet wurde und dessen Inhaber Wilfried Schmidt sich mit Fug und Recht als ein Urvater der getriebelosen Nabendynamos zählen darf.

Wilfried Schmidt: Ein Nabendynamo besteht aus vielen Einzelteilen - die meisten davon werden aus Rohmaterial in Tübingen gefertigtBKM 4: Blattkopiermaschine für Klarinettenblätter. Der Erlös aus diesen Maschinen, die Schmidt immer noch herstellt, sicherte die Entwicklung des NabendynamosFast jedes Einzelteil wird im Hause Schmidt selbst hergestellt.An der Drehmaschine entstehen aus Aluminium die GehäuseAuch das Wickeln der Magnete passiert im eigenen Haus.Die Poliermaschine ist wie viele andere Maschinen im Betrieb auch eine EigenfertigungKein Nabendynamo verlässt das Unternehmen, ohne die Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt zu habenKeine Woche alt: die neue Laserbeschriftungsmaschine

Sein Unternehmen gründete Wilfried Schmidt jedoch noch lange bevor er Nabendynamos für Fahrräder im Sinn hatte. Und zwar 1987 wie viele heute erfolgreichen Unternehmen auch in einer Garage in Ulm. Neben dem Maschinenbau-Studium an der Uni Ulm entwickelte und baute Schmidt damals Maschinen zur Herstellung von Klarinettenblättern. „Dabei kann ich gar nicht Klarinette spielen“, sagt Schmidt. Ihn hatte einfach angespornt, dass die damals auf dem Markt erhältliche Klarinettenblattkopiermaschine aus amerikanischer Produktion aus seiner Sicht baulich verbesserungswürdig war. Daraus entwickelte sich jedoch ein Geschäft, mit dem Schmidt in der Folgezeit die Entwicklung seines Nabendynamos finanzieren konnte.
Der Anfang war dabei durchaus holprig, wie Schmidt erzählt. Seine Diplomarbeit im Jahr 1991 handelte über Getriebenabendynamos für Fahrräder mit dem ernüchternden Ergebnis, dass sich diese Konstruktion letztendlich nicht umsetzen lassen würde. Die Idee ließ den Maschinenbauer jedoch nicht los. Die Lösung war ein neuer, getriebeloser Nabendynamo, den Schmidt bereits 1992 zum Patent anmeldet und auf der IFMA im Oktober erstmals präsentierte.

Produktionsstart in Ulm

Der Nabendynamo war damals ein großes Messethema, nicht zuletzt weil der Schweizer Speichenhersteller DT unabhängig von Schmidt eine revolutionäre Lichtanlage mit Getriebe-Nabendynamo vorstellte.

Schmidt fand mit dem damaligen Fahrradteile-Produzenten Union Fröndenberg einen Lizenznehmer für die Produktion des Nabendynamo. 1994 wurde dann der UNION-Nabendynamo „Wing“ eingeführt, noch vor den DT-Dynamos. Viele Kinderkrankheiten bei beiden Herstellern mit zahlreichen Rückläufern hätten damals beinahe den Ruf der Nabendynamos ruiniert. Der Konkurs von Union bot dann für Schmidt die Chance, den Nabendyamo weiterzuentwickeln und eine eigene Produktion auf die Beine zu stellen.

Der Produktionsstart von Schmidts Orginal Nabendynamo, so der damalige Arbeitstitel, fiel ins Jahr 1995. Damals wurde noch in Ulm produziert wobei im gleichen Jahr auch der der Umzug in einen Altbau im französischen Viertel in Tübingen anstand. Ein Werkstatt-Neubau wurde bereits geplant, deren Fertigstellung sich jedoch bis ins Jahr 1998 hineinzog – und zu diesem Zeitpunkt fast schon wieder zu klein war. 3000 Nabendynamos werden gefertigt, verschiedene Varianten sind bereits erhältlich.

Konstruktion mit Schwächen

Jedoch zeigt sich zu diesem Zeitpunkt, als viele Modelle im Umlauf sind, auch eine Schwäche in der Konstruktion der Nabendynamos aus Schmidts Produktion. Letztendlich vergingen vier Jahre bis eine für Schmidt akzeptablen Lösung gefunden und umgesetzt wurde. Das Problem war auf den ersten Blick simpel: Immer wieder sammelte sich Wasser in den eigentlich gut abgedichteten Nabendynamos an – mit fatalen Folgen bei Kälte. Das Wasser gefror in der Nabe, die Nabe wurde unbeweglich. In einem ersten Lösungsversuch stellte man auf schraubbare Modelle um. Damit konnten defekte Nabendynamos wenigstens geöffnet und anschließend repariert werden. Für den Perfektionist Schmidt konnte dies aber nur eine Übergangsmethode sein. Die wichtigste Neuerung kam deshalb im Jahr 2002 mit dem Druckausgleichssystem, das ein Eindringen von Wasser infolge von Temperaturunterschieden wirkungsvoll verhindert und seitdem in alle SONs eingebaut wird. In der Zwischenzeit wurde auch begonnen, hochwertige eigene Schalterscheinwerfer zu bauen.

Das Geschäft wächst und der Platzbedarf auch. Gleich gegenüber der alten Werkstatt entstanden zusätzliche Werkstatträume, die seit 2005 für die Dynamofertigung genutzt werden können.

Von Jahr zu Jahr vergrößert sich die Modellpalette. Die Spezialität sind seither nicht Produkte für die Massen, sondern insbesondere interessante Nischen, wie beispielsweise der SON XS als erster Nabendynamo, der in schmalen Gabeln von Falträdern passt – oder als Variante XS-100 mit normal langer Achse, die für Rennradfahrer gebaut wird.

Aber auch für neue Trends sind die Schwaben aufgeschlossen: Der SON 28 wird auf eine kleinere, leichtere Bauart umgestellt. Er eignet sich auch, um mit speziellen Ladeadaptern Navi oder Handy mit Strom zu versorgen. 2011 wurde er auf der Eurobike vorgestellt und löste damit das 12 Jahre gebaute Vorgängermodell ab, das in SON 28 klassik umbenannt wurde, ab.

Eigenfertigung geht über alles

Mittlerweile werden in Tübingen jährlich 16.000 Nabendynamos produziert. Dazu kommen noch rund 8000 Scheinwerfer. Rund 70 % der Nabendynamos gehen an Erstausrüster. Den Jahresumsatz beziffert Schmidt aktuell mit rund 2 Mio. EUR. Insgesamt sind 28 Mitarbeiter bei SON beschäftigt, davon 20 in Vollzeit. Die meisten seiner Mitarbeiter bezeichnet Schmidt als „Fahrradfreaks“ – ein Blick auf den Fahrradparkplatz vor dem Eingang ist dafür Beleg.

„Eigenfertigung bis ins kleinste Detail“, so ist die Maßgabe von Wilfried Schmidt, der bei der Produktion gerne alle Fäden in der Hand hat und sich ungern auf Qualitäts- und Lieferschwankungen von Zulieferern einlässt. So wird im Haus beispielsweise aus einem Alublock das Gehäuse gedreht, dieses mit einer selbst entwickelten Maschine poliert oder auch die Magnetspule gewickelt. „Wir wollen in den Arbeitsläufen so flexibel wie möglich sein“, sagt Schmidt. So findet 50 % der Wertschöpfung im eigenen Hause statt.

Nachdem jeder Nabendynamo zusammengebaut wird, steht für jedes Modell erst einmal ein Test auf dem eigenen Prüfstand an. Mit der 100%-Kontrolle soll gewährleistet werden, dass die Nabendynamos tatsächlich auch die Leistung bringen, mit denen sie beworben werden.

Auch wenn jetzt mittlerweile die komplette Modellpalette runderneuert wurde, so gilt der Blick weiter nach vorne – nach neuen Möglichkeiten, sich von Massenanbietern abzusetzen.

Neueste Investition: die Laserbeschriftungsmaschine, die seit wenigen Tagen im Erdgeschoss der Werkstatt steht. Individualisierung ist ein Stichwort, das hinter dieser Anschaffung steckt und Schmidt hat noch einige Ideen diesbezüglich in petto.

10. Juli 2012 von Jürgen Wetzstein

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