Podiumsdiskussion bei VivaVelo
Sind Tests bei Stiftung Warentest ein Lotteriespiel? Ja, aber …
Moderator Gunnar Fehlau nahm StiWa-Mann Dr. Brackemann gleich zu Beginn ins Kreuzverhör. Ist „test“ denn die „Bildzeitung“, so die Auftaktfrage von Fehlau in Anspielung darauf, dass die Zeitschrift wohl vor allem auf verkaufsfördernde Schlagzeilen aus wäre. Brackmann konterte, in dem er auf eine große Anzahl von Produkttests mit positiven Ergebnissen verwies, die auch von Unternehmen der Fahrradbranche gerne für Werbezwecke verwendet würden. Zudem leiste man einen Beitrag, die Produktqualität insgesamt zu sichern und zu erhöhen. Doch gerade diesen Aspekt bezweifelte beispielsweise Derby-Chef Mathias Seidler. Oftmals würden Zufälle über Testsieg oder Abwertung entscheiden. Hinzu käme, dass in der Vergangenheit des Öfteren Äpfel mit Birnen verglichen worden seien. Was Seidler vor allen Dingen fehlt, ist die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Prüfverfahren.
In die gleiche Kerbe schlug Dirk Zedler: "Dadurch verhindern Sie den Fortschritt und dass die Branche aus den Fehlern lernen kann", so ein Vorwurf. Es helfe nichts, wenn die StiWa nur die Ergebnisse veröffentliche. Brackemann lenkte ein und äußerte im Verlauf des Gesprächs wiederholt die Einladung an alle Beteiligten, nach Berlin zu kommen, um hinter die Kulissen der Prüfanstalt zu blicken. Jedoch stellt Brackemann auch klar, dass es nicht die Aufgabe der Stiftung Warentest wäre, die Qualitätssicherung der Hersteller zu bestreiten.
Ein grundsätzliches Problem der Fahrradbranche wurde jedoch auch bei dieser Diskussion wieder sichtbar: Es gibt keine Einigkeit darin, welche Prüfnormen bzw. Prüfverfahren tatsächlich für einen aussagefähigen Test relevant sind. Der von der StiWa angewendete Betriebslasten-Test auf dem so genannten Hydropulser gilt als kostspielig und für die meisten Marktteilnehmer nicht finanzierbar. Gleichzeitig gab es auch Zweifel an der Praxisrelevanz: „Es werden Schadensbilder produziert, die nicht in der Praxis beobachtbar sind“, stellt beispielsweise Zedler fest. Jedoch wurde auch zu Bedenken gegeben, dass Schäden, die in der Praxis tatsächlich auftreten, in den seltensten Fällen erfasst werden. Letztendlich stimmte Brackemann den Vorschlag zu, gemeinsam Schadensbilder zu sammeln, um zu einer Verbesserung der Situation beizutragen.
ADFC-Chef Horst Hahn-Klöckner lobte die Produkttests der StiWa als „Top-Informationsquelle“ für Fahrradkäufer. Und mit Bezug auf die vielen schlechten Noten für Markenfahrräder in der Vergangenheit meinte Hahn-Klöckner, dass es die Branche nicht begriffen hätte, die aufgedeckten Mängel abzustellen. Dabei wurde in der Runde als Beispiel ein mehrfach gebrochener Lenker genannt, der trotz des Bruches im Test im vergangenen Jahr in gleicher Ausführung weiter verkauft würde. Eine Behauptung die so im Raum stehen blieb, jedoch nicht der Realität entspräche, wie ein Sprecher des betroffenen Teileherstellers in Berlin gegenüber velobiz.de unmittelbar nach der Diskussion erklärte. Vielmehr habe man darauf hin die Wandstärke des Lenkers um 10 % erhöht, gleich geblieben sei nur die Bezeichnung des Lenkers. Zudem gab der Manager gegenüber velobiz.de zu Bedenken, dass man insbesondere weiter viel Geld in zusätzliche Prüfeinrichtungen im Werk investiert hätte (velobiz.de berichtete). Der Vorwurf an das Unternehmen, nicht reagiert zu haben, sei demnach völlig deplatziert gewesen.
Bleibt abzuwarten, ob sich Stiftung Warentest und die Fahrradindustrie nach diesem Gespräch künftig näher kommen. Die nächsten Fahrradtests kommen bestimmt.
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