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Spagat zwischen Fahrrad und Fahrzeug
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Markt - Österreich

Spagat zwischen Fahrrad und Fahrzeug

E-Bikes haben dem österreichischen Markt in den vergangenen Jahren kräftige Zuwächse gebracht. 2018 war bereits jedes dritte verkaufte Fahrrad ein E-Bike. Durch den verschärften Wettbewerb ist Wachstum für die einzelnen Händler aber nur noch bedingt möglich.

Hatten sich die Stückzahlen im Fahrradmarkt Österreich in den zurückliegenden Jahren bei circa 400.000 eingependelt, ging es 2018 erstmals wieder sprunghaft nach oben: Die Zahl der in den Handel verkauften Fahrräder stieg um 10,4 Prozent auf 457.000 Stück. Der Umsatz wuchs sogar um 33 Prozent auf knapp 580 Mio. Euro. Der durchschnittliche Verkaufspreis stieg um 20 Prozent auf 1265 Euro.
Wachstumstreiber war das Segment der straßenverkehrsordnungs-konformen (StVO) E-Bikes, deren Verkauf um 65 Prozent auf 80.222 Stück gestiegen war. Im Jahr zuvor wurde die Kategorie E-Bike noch von Mountainbikes angeführt. Diese schrumpften 2018 allerdings um 12 Prozent auf 62.960 Stück (Quelle: Arge Fahrrad).

Filialisten und Verbände ­forcieren den Wettbewerb

Die positive Entwicklung ist nur bedingt im spezialisierten Fachhandel angekommen. Das dürfte daran liegen, dass seit 2017 mit XXL-Sports und Decathlon neue Filialisten in den Markt eingetreten sind. Außerdem haben die Einkaufsverbände ihre Aktivitäten im Marktsegment deutlich gesteigert.
Bei Intersport ist Bike im Gesamtjahr die drittstärkste Kategorie – nach Ski und Outdoor. Im abgelaufenen Winter zeigten E-Bikes mit einem Plus von 60,5 Prozent das größte Wachstum. Jetzt soll der Bike-Verleih das Sommergeschäft der wintersportlastigen Händler in den Tourismusregionen antreiben. In Kooperation mit KTM wurde ein eigenes Rent-Bike entwickelt.
Bei Sport 2000 Österreich wuchs die Zahl der angeschlossenen Bike-Händler zuletzt um 31 neue Betriebe. Das Wachstum im Segment E-Bike betrug in den vergangenen Jahren 15 Prozent.

Gekommen um zu bleiben: das Mountainbike

»Die großen Sprünge haben wir in den vergangenen Jahren gemacht. Mittlerweile führt jeder Hersteller und jeder Händler E-Bikes. Die Konkurrenz ist größer geworden durch Fachhändler, die es in Wien gibt, aber auch Diskonter«, sagt Oliver Mader von Nora Pure Sports in Wien. Der im Premium-Segment positionierte Händler konzentriert sich auf die populärsten Sportarten und verkauft jährlich etwa 1500 Fahrräder. Zuletzt war ein Viertel davon dem Segment E-Bike zuzuordnen. Konträr zu den Marktzahlen ist die stärkste Kategorie nach wie vor das Mountainbike in der E-Variante und in nichtmotorisierter Variante, gefolgt vom Rennrad und dem Trekkingrad. Mader: »Beim Rennrad kann man fast von einem Boom sprechen.«
Bei unabhängigen Fahrradhändlern in Westösterreich liest sich das Ranking ähnlich. Allerdings ist im gebirgigen Westen weniger das klassische Rennrad gefragt, als die neue Kategorie Gravel, die mit breiteren Reifen und komfortabler Sitzposition auch auf Forstwegen einsetzbar ist.
Die anhaltende Dominanz des Mountainbikes im Westen ist klar der Topographie geschuldet. Nagele Bike Snow Mountain Sports liegt in Bichlbach (Zugspitzarena/Tirol) auf über 1000 Meter Seehöhe und verkauft als Ergebnis dieser Lage mehr als 95 Prozent Mountainbikes. Ab einer Preisklasse von 2000 Euro ist es zu 70 bis 80 Prozent die E-Variante. Laut Anton Nagele sind es die Breitensportler, die mit E-Unterstützung fahren. Ambitionierte Athleten wie z.B. XC-Biker, Enduro-Biker oder Downhiller sowie Kinder und Jugendliche verzichteten meist auf einen Elektroantrieb.

Aufwändiger Bikeverleih

Ein zusätzliches Standbein von Händlern in alpinen Lagen ist der Bike-Verleih. Auch Nagele betreibt einen. Wenn man Wert auf höchste Produktqualität legt, benötigt das einen hohen Zeit- und Personalaufwand, wie er anmerkt.
Christian Sölle von Sport Sölle startete seinen Bikeverleih bereits vor acht Jahren im Skigebiet Nassfeld, an der Grenze zwischen Kärnten und Italien. Vor vier Jahren begann er zusätzlich Single- und Flow-Trails zu bauen. »Wenn wir für den Sport etwas tun, dann kommt auch etwas zurück«, ist seine Überzeugung. Ein Vorteil, den Sölle aus dem Skisport mitbringt, ist die Lage direkt am Lift. Doch die Konkurrenz schläft nicht. Sein Erfolg hat unter anderem Papin Sport aus Innichen (Südtirol) an den Standort gelockt, der nun in Kärnten seit Mai 2018 Bikeverleih-Stationen betreibt. Kooperationspartner ist die Kärnten Werbung. Sölle nimmt den neuen Wettbewerb gelassen: »Wir sind an den besten Plätzen und es interessiert die Konkurrenz, was wir machen. Aber wir sind nicht das Kaninchen vor der Schlange.«

SUV der Fahrradbranche

In westösterreichischen Regionen sind es universellere Modelle, die gefragt sind. Christoph Neuner betreibt zwei Geschäfte im Raum Innsbruck und verzeichnet die größte Nachfrage bei motorisierten Allmountain-Bikes mit 150 Millimeter Federweg in einer Preisspanne von 3500 bis 4500 Euro. »Am Berg und in der Ebene einsetzbar, das ist der Trend in Tirol«, beobachtet der die Eigenheites seines lokalen Marktes. Wobei sich der Trend zuletzt von Hardtail auf Fullsuspension verschoben habe.
Beim österreichischen Hersteller KTM Fahrrad hat man auf diesen Trend reagiert. Marketingleiter Matthias Grick spricht vom Mountainbike als dem SUV der Fahrradbranche. Damit spielt er auf die neue LFC-Serie an, die mit Licht, Schutzblech und Gepäckträger nachgerüstet werden kann und aus dem Mountainbike ein all-in-one-Fahrrad für Stadt und Berg macht. Beim Mitbewerber Sail + Surf ist es das E-Mountainbike mit tief nach unten gezogenem Einstieg, das auf diesen Trend abzielt, so Produktmanager Bikesport Gernot Loidl.

Trend zum hochpreisigen E-Mountainbike

Auch der Anteil der elektrounterstützten Mountainbikes dürfte im Westen höher sein. Bei Radsport Wagner in Salzburg Stadt hält sich die hohe Nachfrage seit zwei bis drei Jahren, wie Sibylle Wagner wissen lässt: »Heuer ist ein extrem starkes Jahr, weil vor allem hochpreisige Modelle von 5.000 bis 11.000 Euro gefragt sind.« Neben Carbonrahmen und exklusiven Komponenten spielen dabei auch leistungsfähigere Modelle eine Rolle. Ihr bestverkauftes Rad wäre das Specialized Levo mit einem 700-Wh-Akku in einer Preisspanne bis über 10.000 Euro. Wäre, weil es nicht mehr nachzuordern ist.
Philipp Puchmayr von Bike Puchmayr in Wolfurt (Vorarlberg) führt den Trend zum E-Mountainbike auf den relativ geringen Preisunterschied zwischen hochpreisigen manuellen und motorisierten Mountainbikes zurück, der bei etwa 25 Prozent liegt. Bei seinen Kunden steht der Wunsch nach einem starken Motor und Akku im Vordergrund. Problematisch sei der hohe Verschleiß bei Bremsbelägen und Bremsscheiben. Kunden seien verärgert, wenn diese oft schon nach 300 Kilometern auszutauschen seien.

Schnelllebiges E-Bike- Business

Die Industrie arbeitet an den Mängeln. Laut KTM-Manager Grick sind es oft die Motoren- und Bremsenhersteller, welche die Innovationen im E-Bike-Business antreiben. «Über 80 Prozent der Produkte haben im Vorjahr noch nicht existiert. Das Business ist schnelllebig.«
Geht es nach Puchmayr, dann ist die tatsächliche Innovation oft zu vermissen. Aus dem Neuen um des Neuen willen entstehe ein großer Lager- und Preisdruck. Jedes Jahr werde selbst das billigste Rad neu gemacht. Seinen Kunden sei es hingegen egal, wenn Modelle zwei Jahre durchlaufen.
Ein weiteres Problem, das er anspricht, ist jenes der Order. So seien Eurobike und Fahrradordertage terminlich nicht mehr interessant. Er habe die Orders schon im Juli und Anfang August abgeschlossen, um noch Aussicht auf eine frühe Auslieferung zu haben.

Mangelnde Nachorder­möglichkeit

»Früher war die Auslieferung im September und wir haben die Räder über den Winter zusammengebaut. Mitte Februar, wenn die Radsaison beginnt, brauchen wir alle Zeit für die Service-Arbeit. Seit sich die Auslieferung nach hinten verschoben hat, müssen wir am Saisonstart noch Räder zusammenbauen.«
Ein Problem, das alle Händler ansprechen, ist jenes der mangelnden Nachordermöglichkeiten, weil das volle Lagerrisiko auf den Handel übergeht und potenzielle Kunden sonst nicht bedient werden können. Damit teilen sie das Schicksal der deutschen Händler (siehe ab Seite 26). Ein Problem, das Grick nicht neu ist. KTM stocke die Produktionsplanung jährlich auf und sei jetzt schon bei 150.000 Stück angelangt. Trotzdem: Manche Modelle sind schon seit Januar nicht mehr verfügbar.

Kurzlebige Batterien

Gerhard Bauer, Geschäftsführer vom Elektrofahrradcenter in Graz Puntigam (Steiermark) spricht das Umweltproblem an, das E-Bikes mit sich bringen. Bedenklich findet er unter anderem die Lebensdauer von Batterien, die sich zuletzt verkürzt habe. Zitat: »In Österreich landen 50.000 Batterien pro Jahr im Müll. Unsere Kunden bringen nach drei Jahren kaputte Batterien und sind wütend.« Um dem gegenzusteuern, plant er ein länderübergreifendes Vertriebs- und Service-Filialnetz, das auch Umweltaspekten gerecht wird. Unterstützung soll von öffentlicher Seite und Privatwirtschaft kommen. Der Start ist im Februar 2020 geplant. Zu Details hält sich Bauer noch bedeckt.
Der Markt scheint offen für neue Konzepte. Das erfuhr zuletzt Mario Färberböck, der im April Prinzbike in Salzburg/Bergheim startete. Er integrierte ein großes Café und vermeidet Warendruck. Seine Kunden sollen sich bei ihm wohlfühlen. Gleichzeitig konnte sich der ehemalige Rennrad-Profi mit guten Rezensionen in den sozialen Medien rasch als Problemlöser einen Namen machen. «Ich mache viel über Einstellungen und sorge so dafür, dass meine Kunden keine Schmerzen beim Radfahren haben.« Das Wichtigste sei jedoch die Werkstatt, so der junge Unternehmer.
Eine Einstellung, die alle Händler mit ihm teilen. Als weiteren Erfolgsfaktor nennt Walter Lehner von Sport Lehner in Pregarten (Oberösterreich) den Online-Shop, in dem er die Umsätze jährlich verdoppelt. Der Online- Preiswettbewerb sei mit preisstabilen Produkten vermeidbar, so Lehner. Die meisten Kunden nutzen click & collect. In entferntere Regionen schickt er eher Kleinteile und Zubehör. Der erfahrene Händler ist davon überzeugt, dass Qualität auch in Zukunft funktionieren wird.

Sicherheitsdebatte

Hans-Jürgen Schoder, Obmann der ARGE Fahrrad, sieht die größten Herausforderungen der Branche in Infrastruktur und Sicherheit. Es brauche mehr Radwege und Ladestationen. Außerdem habe der Unfall, bei dem zwei Kinder im E-Fahrradanhänger ums Leben kamen (velobiz.de berichtete), eine Sicherheitsdebatte ausgelöst. Im Lobbying fokussiere man weiters auf Mehrwertsteuerbefreiung bei Werkstattbedarf und Sachbezugsbefreiung bei Firmenfahrzeugen.

27. August 2019 von Markus Fritsch
Velobiz Plus
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