Präsentation des Turbo Vado
Specialized drängt in den europäischen E-Bike-Markt
Berliner Hersteller Brose. Viele andere Features des Rades zeugen ebenso davon, dass man in Kalifornien und der Schweiz Hausaufgaben gemacht und gründlich entwickelt hat.
Die Königsallee, Düsseldorfs schicke Flanier- und Einkaufsmeile, liegt vor der Haustüre, drinnen herrscht am 3. Mai freudige Aufbruchstimmung: Das neue Turbo Vado wird im erst noch zu eröffnenden temporären Shop von Specialized (velobiz.de berichtete) der europäischen Fachpresse vorgestellt. 21 Journalisten sind eingeladen, um ein E-Bike zu sehen und zu fahren, das gar nicht amerikanisch anmutet – eher noch schweizerisch – auch wenn das Turbo Vado mit einem wenig zurückhaltenden Auftritt besticht: Die relativ flächigen Rahmenrohre knallen Specialized-Rot in die Augen, das Oberrohr beschreibt einen leichten Schwung – wie schon beim Turbo S. Die Linienführung ist weich, aber dynamisch. Die Züge sind innenverlegt, sodass ein sehr cleaner, organischer Look entsteht. Der ganze Auftritt wirkt harmonisch. Auch der Mittelmotor ist stimmig integriert, die Flächen zwischen den Pedalen sind plan, als säße bestenfalls ein Tretlager dahinter. Das Batteriefach im Unterrohr kann auf der linken Seite aufgeschlossen werden. Danach lässt sich der Lithium-Ionen-Akku nach schräg links oben herausnehmen – ein Tribut an die Version mit tief heruntergezogenem Oberrohr für Frauen. Eine Entnahme nach oben wäre in dieser Version nicht möglich gewesen.
„Die Integration war für uns eine besondere Herausforderung“, meint Jonas Reiter, der für das Frame-Engineering verantwortlich zeichnet, „und dabei wollten wir ja trotz aller technischen Finessen eine organische Form schaffen“. Wenn Reiter den Unterzug zeigt, kann man nur anerkennend nicken: Am Unterrohr fehlt auf Akku-Höhe die linke obere Hälfte, weiter unten löst es sich nahezu völlig auf und geht in die nackte, gegossene Motoraufhängung über.
Der Motor wird quasi Teil des Rahmens. Auf der Unterseite wird er durch ein hartes Kunststoff-Cage geschützt, einer Überhitzung soll durch Lüftungslanglöcher darin vorgebeugt werden. Auch diese Details sind durchaus formschön umgesetzt.
Der ganze Rahmen ist sehr hochwertig verarbeitet. Unter anderem Steckachsen im MTB-Standard sorgen dafür, dass seine Verwindungssteifigkeit auch den sicheren Lauf generiert, den man von einem sportlichen E-Bike erwartet.
Sportliche Sitzposition für lange Strecken
Denn sportlich soll das Vado als Pendlerrad sein. „Wer pendelt, fährt vor allem längere Strecken“, erklärt Product Manager Marco Sonderegger, "und dazu passt keine aufrechte Sitzhaltung.“ Entsprechend geht die Haltung auf dem Vado in Richtung MTB, ist aber durchaus noch bequem. Die Ergonomie stimmt – wer nicht über Sondermaße verfügt, dürfte sich auf dem in den Größen M, L und XL erhältlichen Vado wohlfühlen. Dass das kalifornische Mutterunternehmen jahrzehntelange Erfahrung in Sachen Ergonomie am Bike besitzt, merkt man auch daran, nicht nur an Sattel und Griffen aus dem eigenen Hause, die vor allem Schmerz verhindern und die Kontaktstellen Mensch / Maschine effizienter machen wollen.
„Bike first“ war einer der Grundgedanke der Entwickler des Vado: „Wir wollten etwas entwickeln, das sich wie ein gutes, sportliches Fahrrad fährt. Handling, Kurvenverhalten, alles sollte fahrradtypisch sein“, so Sonderegger.
Die Testfahrt durch die Düsseldorfer Innenstadt und dann am Rhein entlang zeigte nicht nur, dass der Antrieb – Specialized hat zur Brose-Hardware die Software selbst entwickelt und spricht vom eigenen System – sehr angenehm arbeitet. An Steigungen schiebt er kräftig, aber nie brachial vorwärts und agiert überhaupt sehr harmonisch mit dem Radler zusammen. Volle 320 Watt soll er bei etwa 100 Watt des Radlers am Pedal leisten. Nur dann hört man das Rad leises unter sich brummen, ansonsten passiert alles fast lautlos – hauptsächlich wegen des Riemenantriebs im Motor selbst. Schön auch, dass man ohne Unterstützung oder über der 25er-Marke hinaus nicht den üblichen Widerstand des Mittelmotors spürt. Über das kleine Display, das am Standard-Screen den Unterstützungsmodus und die Geschwindigkeit anzeigt, kann man sich auch die eigene Leistung anzeigen lassen – ein schöner Nebeneffekt des Kraftsensors, der die Motorsteuerung kontrolliert.
Überhaupt ist Smartness angesagt: Mit einer App soll in Zukunft auch viele Features einstellbar sein. Das fängt beim eigenen Fahrerprofil an und hört bei der einstellbaren Reichweite auf; genauer: Der Fahrer stellt ein, wie weit er kommen oder wie lange er fahren will, und das System steuert immer so viel Kraft zu, dass dieses Ziel auf jeden Fall erreicht wird.
Die Commuter-Kür
Pendler brauchen Räder, die Gepäcktransport leicht machen. Das Vado setzt auf einen schlanken Racktime-Träger, der neben Packtaschen – ausgenommen ist das Vaude QMR-System – dank den Adaptermöglichkeiten auch viele andere mit dem System koppelbare Transportlösungen bietet. Viel Funktion im Lifestyle-Look! Dazu passt auch das Rücklicht im schmalen Träger-Abschluss. Es zieht sich über die gesamte Träger-Breite bis in die Seiten, sodass das Rücklicht nicht nur von hinten sichtbar ist. Vorn schafft ein ebenfalls fest montiertes LED-Licht mit asphärischer Linse satte 300 Lumen Ausbeute.
Dass es die Amis mit dem Pendeln ernst meinen, zeigt schließlich noch das eigens fürs Vado entwickelte Schutzblech-System. Kurze Schützer sehen cool aus, erfüllen aber ihren Zweck nicht, schon gar nicht am Alltagsrad. "Wir haben streng an den Ansprüchen der Pendler entlang entwickelt", betont Sonderegger. Am Vado hat man also den Frontschützer so weit in Richtung Straße gezogen, dass er erst weinige Zentimeter darüber endet. Das birgt grundsätzlich ein Problem: Der Schützer setzt leicht auf, etwa wenn das Rad den Bordstein hinuntergeschoben wird. Irgendwann bricht er dabei. Specialized löst dieses Problem: Die Entwickler lassen den letzten Teil des Schützers in einem elastischen Bogen aus weicherem Kunststoff auslaufen. Das Schützer-Ende verformt sich bei Bodenkontakt kurz, schnellt dann aber in seine ursprüngliche Form zurück.
Das ist noch nicht der Höhepunkt der Schutzblech-Kunst: Ist die Straße sehr nass, nimmt der Reifen viel Wasser mit auf seine Reise durch das Front-Schutzblech. Dieses entlässt den nassen Schwall schließlich an seinem vorderen Ende, und Wasser schwappt in des Fahrers Gesicht. Wie kann man das verhindern? Die Entwickler steckten das Rad in den Windkanal, forschten und probierten. Heraus kam die Schutzblech-Form Dry Tech: Die Seiten des Schützers haben jetzt eine bestimmte Länge und einen bestimmten, optimalen Winkel. Dadurch soll das meiste Wasser schon auf seinem Weg durch den Schützer abgeleitet werden, bevor es am vorderen Ende des ankommt. Da es bei der Präsentation nur wenige Pfützendurchfahrten gab, konnten wir diesen Fakt nicht verifizieren.
Einstieg auch über den Preis
"Wir haben eine Performance-lastige Marke", sagt Dominik Geyer, Head of Brands E-Bike, "und Performance ist in jeder Hinsicht auch beim Commuter Thema für uns. Der E-Bike-Markt, vor allem im Deutschland, ist hart umkämpft. Wir sind stolz auf unser Produkt und wollen es so vielen Kunden wie möglich zugänglich machen." Sprich: Wer im harten Wettbewerb positionieren will, muss zum richtigen Preis anbieten. Auch deshalb dürften die Endverbraucherpreise des Vado eine gute Performance zeigen. Das Einstiegsmodell Vado 2.0 mit kleinem Akku (460 Wh), allerdings ohne Bleche und Träger, kommt auf 2.799 Euro, das bei der Präsentation gefahrenes Vado 4.0 soll mit kompletter Pendler-Ausstattung und 1 x 11-Kettenschaltung (Shimano XT) 3.499 kosten. Die S-Pedelecs, die leider noch auf ihre Zulassungen warten, werden bei 4.200 bzw. 4.400 Euro liegen; neben dem leistungsfähigeren Motor haben sie auch ein größeres Touchscreen-Display.
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