Moderne Mobilität im Fokus
Spezi 2011: Branche zeigt viel Spaß an der Vernunft
die moderne Mobilität. Als hätte sich ein Großteil der Aussteller abgesprochen, nahmen sie sich Themen wie noch bessere Nutzbarkeit des Fahrrads im Alltag, Vehikel, die CO2-frei das Auto zum Teil oder ganz ersetzen können, und Fahrzeuge und Zubehör vor, die es unkompliziert ermöglichen, mit der ganzen Familie unterwegs zu sein.
Über mangelnde Nachfrage konnte sich die Messeleitung auch dieses Jahr nicht beklagen: „Mittlerweile ist die Spezi ein richtiger Selbstläufer“, freute sich Hardy Siebecke, „auf Akquise können wir weitgehend verzichten.“ Das verdeutlichten auch dieses Jahr wieder prall gefüllte Hallen und das sehr gut belegte Außengelände. Einigen Anfragern musste gar aus Platzmangel abgesagt werden, so Siebecke.
Insgesamt zeigten damit 103 Aussteller, die etwa 140 Unternehmen vertraten, was im Spezialradsektor derzeit State of the Art ist – und etwa 10.000 Besucher kamen. Zahlen, die ziemlich genau das Vorjahresniveau wiedergeben. Wachstum kann es wohl nur noch mit erweitertem Platzangebot, sprich neuen Hallen, geben – auch wenn Siebecke darüber noch nicht laut nachdenken will.
Neu war die Angliederung eines Extraenergy-Parcours. Nicht weit von Halle 3 entfernt hatte der Verein seine Testbahn für Pedelecs aufgebaut, die allerdings fast ausschließlich mit den klassischen Aufrecht-Pedelecs bestückt war.
Innovation und Ideen-Transfer
Die Spezi ist aber nicht nur eine Innovationsshow für die Besucher, sie ist auch Hersteller-intern ein Kessel, in dem die Ideen brodeln und weiter ausgekocht werden. Hier lässt man sich anregen, verfeinert Gesehenes und tritt im nächsten Jahr mit einem fertigen Produkt auf. Das Trimobil von Toxy-Macher Arved Klütz zum Beispiel hat das Dreirad-Rikscha-Konzept von Zox aufgenommen und trat 2011 mit einem Mobilitätskonzept an: ein Trike mit einer Plattform hinter dem mittig sitzenden Captain, die sehr variabel komplettiert werden kann. Der Prototyp kann zum Beispiel mit einer Rollstuhl-Aufnahme oder zwei normalen Liegeradsitzen bestückt werden. Alternative: Einer von diesen weicht der Belegung mit zwei Kindersitzen, die dem erwachsenen Passagier zugewandt sind. Da der Captain wie bei den Zox-Rädern den Vorderrad-Antrieb bedient, besteht die Möglichkeit, für die erwachsenen Mitfahrer einen weiteren Antrieb auf die Hinterräder einzubauen. Aber auch viele Promotions- oder Verkaufsaufbauten sind denkbar.
Das pfiffige Gefährt namens Fahrgemeinschaft 3.0 soll in der Grundversion mit stufenloser Nuvinci-Nabe ab etwa 4000 Euro zu haben sein. Natürlich gibt es auch Unterstützung durch ein Pedelec-System (1100 Euro, bis 25 km/h).
Mehr Liebe zum Detail
Wer mehr an sein eigenes Fortkommen denkt, konnte sich an der Flevobike-Weiterentwicklung Orca erfreuen. Der für seine pedantische Detailliebe und feines Design bekannte niederländische Hersteller stellt ein Velomobil auf drei Räder, das wie schon das Liegezweirad Greenmachine vor vier Jahren feinste technische Lösungen zeigt. Das Rad ist gefedert, hat vier neu entwickelte Nylon-Composite-Laufräder mit einseitigen Aufnahmen, einen voll gekapselten Antrieb. Auch von unten dringt nichts in die „Fahrgastzelle“. Anders als bei vielen anderen Velomobilen kann der Orca durch seine weit heruntergezogene Haube mit einem tiefen Einstieg punkten – „vor allem beim älteren Publikum“, weiß Matthias Erz von Flevobike. Die Sitzposition ist natürlich vielfach anpassbar, für sportliche, luftige und Schlechtwetter-Fahrten gibt es verschiedene Frontscheiben- bzw. Dach-Module. Per se überzeugend fanden viele auf der Spezi aber das Design des Orca, das diesem Namen alle Ehre macht.
Der Orca-Mobilist kann sich auch von einem Pedelec-Sytem unterstützen lassen. Dann sitzt der Motor direkt vor der Rohloff-Nabe, die hier Standard ist. Einstiegs-Preis: 7500 Euro.
Modellpflege bei den Zweirädern
Trikes und Velomobile fahren den Zweirädern derzeit in der Entwicklung etwas davon. Bei diesen herrscht vor allem Modellpflege vor. Da fielen zum Beispiel die klassischen Kurzlieger-Formen des niederländischen Unternehmens Maaf auf: Die Kette läuft in diesen Modellen geschützt im Rahmen nach hinten, in der elektrifizierten Version ist der Akku mit bis zu 1100 Ladezyklen (Herstellerangabe) im etwas kräftiger auftragenden Liegesitz versteckt – eine sehr schöne Lösung, die vor allem die 50plus-Genussfahrer ansprechen soll. Der Biker wird vom Frontmotor vom Antritt an kräftig unterstützt; am letzten Schliff für die Harmonie zwischen Biker und Unterstützung wird man noch etwas feilen.
Ohne Motor, und trotzdem flotter geht es mit den Rennliegen von Troytec voran. Letztes Jahr mit zwei Prototypen gestartet, soll es jetzt einen tiefen Lowrider mit 20 Zoll und einen Hi-Rider mit 26- bzw. 28-Zoll-Laufrad in insgesamt vier Modellvarianten geben. Die Modelle sind modular aufgebaut, die Carbon-Bikes strotzen nur so vor Detail-Schmankerl, wie zum Beispiel den in vielen Achsen anpassbaren Lenker (jetzt aus Alu) oder die Möglichkeit, das gleiche Bike mit gefedertem Hinterbau auszustatten. Ein Genuss: der ergonomische Liegesitz mit der selbst entwickelten Polsterung. Bei der ersten Probefahrt mit dem Lowrider zeigte sich das Speedbike als Adrenalin-Lieferant mit Sicherheitsreserven. Die Verwindungssteifigkeit des Carbonrads mit Hinterradantrieb wollten die Münchener noch einmal unter die Lupe nehmen. Einstiegspreis: etwa 4500 Euro.
Starke Lösungen
Auch auf der Spezi muss es nicht immer Lieger sein: Besonderes Interesse fand auch ein Aussteller auf dem gesponserten Spezi Spezial-Stand in Halle drei: Zambikes präsentierte seine Rahmen aus nachwachsendem Rohstoff. Aus Bambus-Stäben, Alu und Hanf entsteht in einem Herstellungsverfahren, das zumindest in Bezug auf die Verbindungen dem gemufften Carbonrahmen nicht unähnlich ist, ein City- oder Mountainbike oder ein Rennrad. Jeder Rahmen wird per Hand von einem der 30 sambianischen Mitarbeitern gefertigt; das Unternehmen versteht sich auch als soziales Projekt. Wer aber ein harmonisch ausgestattetes Rennrad von Zambikes Probe fährt, merkt, dass durchaus Knowhow darin steckt und die Rahmen technisch interessant sind. Die ausgefallene, aber stimmige Optik der Bikes, die auch auf Maß gemacht werden, reizt ohnehin.
Gewohntes Fazit
Das Fazit der Messe aber ist fast schon zur Gewohnheit geworden: Die Spezi sah wieder einmal begeisterte Besucher, und die Aussteller konnten besonders am Samstag dem Andrang des sehr interessierten Publikums kaum Herr werden. „Ich wusste zeitweise nicht mehr, wie ich die Kunden mit Unterlagen versorgen soll, weil ich in der Menschenmenge nicht mehr an den Tresen kam“, so ein Mitarbeiter von Hasebikes, deren schon auf der Eurobike vorgestelltes Alltagstrike Klimax für regen Besucherzuspruch sorgte.
Dank der Professionalität, die die gesamte Branche mittlerweile vielfach an den Tag legt – nicht nur im technischen, sondern auch in Bereichen wie Marketing – wird der Boom anhalten, zumal auch die Grenzen zwischen Spezial- und Normalrad immer mehr aufweichen.
Händler, die für Innovationen gut zu haben sind, kann es freuen.
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