Markt - Leasing
Umsatzbringer Dienstfahrrad
Das Dienstrad-Leasing boomt schon seit vielen Jahren, ohne dass eine Verlangsamung der Entwicklung in Sicht wäre. »In den letzten beiden Jahren hat sich dieses Segment stark weiterentwickelt«, bestätigt Wasilis von Rauch vom Bundesverband Zukunft Fahrrad e. V. Geschätzte 900.000 Diensträder waren 2021 auf deutschen Straßen unterwegs (2019 waren es noch ca. 200.000), etwa 100.000 Arbeitgeber bieten inzwischen Dienstrad-Leasing an. Das ist ein Konzept ähnlich dem des Dienstwagens, bei dem der Arbeitnehmer einen Teil seines monatlichen Bruttolohns gegen ein vom Arbeitgeber überlassenes Fahrrad tauscht. Dadurch spart er Geld, weil er die monatlichen Raten nicht versteuern muss, da sich die Sozialabgaben verringern und er nur den geldwerten Vorteil, also die private Nutzung, mit 0,25 Prozent zu versteuern braucht. Als Gehaltsextra ist das Dienstfahrrad komplett steuerfrei.
Zum Leasing gehören nicht nur der eigentliche Verkauf, sondern auch viele Service-Dienstleistungen.
Im Jahr 2012 wurde das Dienstfahrrad dem Dienstauto gleichgestellt (Dienstwagenprivileg). Seitdem ist das Dienstfahrrad-Leasing ein Bereich, der nicht nur rasend schnell wächst – Anbieter Lease a Bike spricht von einer Verdoppelung des Marktvolumens in den vergangenen beiden Jahren, mein-dienstrad.de hat den Umsatz nach eigenen Angaben vervierfacht –, sondern auch ein Bereich, in dem trotz der bereits stattgefundenen Entwicklung immer noch viel Potenzial steckt.
Attraktiv für Firmen und Fachhändler
Einer Umfrage von Lease a Bike zufolge kennt bisher nur knapp die Hälfte der Befragten das Modell des Dienstfahrrad-Leasings, obwohl an Spitzentagen allein bei Branchenprimus JobRad »mehr als 1.500 Dienstradler neu aufsteigen«, berichtet Pressesprecherin Lara Burger. JobRad als Dienstfahrradvermittler kooperiert mittlerweile mit mehr als 50.000 Arbeitgebern. Das entspricht rund fünf Millionen Beschäftigten, die ein JobRad über den Arbeitgeber beziehen können. Der Dienstradanbieter arbeitet mit über 6.000 Fachhandelspartnern zusammen.
Es ist kein Wunder, dass es so viele sind, denn das Dienstradgeschäft ist auch für Händler lukrativ. Mitarbeitende von Firmen entscheiden sich in der Regel für hochwertigere Räder und geben im Schnitt mehr Geld für ein Dienstfahrrad aus, da sie durch die 0,25-Regel bis zu 40 Prozent im Vergleich zum klassischen Kauf sparen sowie »in Raten zahlen und eine so große Summe nicht auf einmal aufbringen müssen«, erklärt Ronald Bankowsky, Gründer und Senior Advisor von mein-dienstrad.de.
Auf rund 3000 Euro schätzt er den durchschnittlichen Verkaufspreis, Dennis Langlets von Lease a Bike und Lara Burger von JobRad verorten ihn sogar bei 3500 Euro. Eine Summe, die mehr als doppelt so hoch ist wie der vom Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) für 2021 ermittelte durchschnittliche Fahrradkaufpreis von 1395 Euro.
Dank Dienstrad-Leasing kommen viele Menschen zu ihrem Traumrad.
Erklären lässt sich das, wenn man sich anschaut, welche Segmente Dienstrad-Nutzende bevorzugen. Je nach befragtem Vermittler sind 70 bis 90 Prozent der Diensträder E-Bikes. »Das liegt unter anderem daran, dass die absolute Ersparnis durch die Gehaltsumwandlung besonders bei solch höherpreisigen Rädern sehr gut ist«, erläutert Maximilian Acht, Geschäftsführer von Company Bike, die sich vorwiegend auf (E-)Bike-Leasing und ausschließlich auf Großunternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden spezialisiert haben. Mehr als 11.000 Unternehmensstandorte hat Company Bike mittlerweile angebunden und die Kundenzahl wächst stetig. Zudem baut Company Bike, die direkt mit zahlreichen Fahrradherstellern zusammenarbeiten und ihre Kunden mit einem eigenen mobilen Bike Service bedienen, das Markenportfolio laufend weiter aus. Auch Lease a Bike gibt an, »noch stärker in die Händlerkommunikation gehen« zu wollen, um das Händlernetzwerk weiter auszubauen.
Was Fachhändler wissen müssen
Es gibt also mannigfaltige Möglichkeiten, um als Händler einzusteigen und von diesem boomenden Segment ebenfalls zu profitieren. Allerdings müssen für eine Partnerschaft bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Diese variieren von Anbieter zu Anbieter, umfassen aber im Großen und Ganzen ähnliche Kriterien. Grundsätzlich muss das eigentliche Produkt, das Dienstfahrrad, für ein Leasing infrage kommen. Das bedeutet im Fall eines E-Bikes beispielsweise, »dass keine Veränderungen daran vorgenommen wurden oder leicht vorgenommen werden könnten, die die zulässige Geschwindigkeit, bis zu der die Tretunterstützung stattfindet, erhöhen und damit die straßenverkehrsrechtliche Beurteilung des Rades verändern«, erläutert Lara Burger. Außerdem dürfen Fachhandelspartner nur leasingfähiges Zubehör in den Leasing-Vertrag mit aufnehmen, das beinhaltet so ziemlich alles, was sich fest ans Rad bauen lässt (u. a. Akku-Beleuchtung, Trinkflaschenhalter, Gepäckträger, Klingel, Kindersitz oder andere Pedale), nicht aber Accessoires wie Helm, Trikot, Rucksack oder Fahrradanhänger.
Der Fachhandelspartner verpflichtet sich außerdem, Interessierte umfassend zum potenziellen Leasing-Rad zu beraten und Inspektionen und Reparaturen vorzunehmen. Bei JobRad gibt es dafür beispielsweise eine spezielle Inspektionsliste. Bei Radhändler B.O.C. bekommen Nutzerinnen und Nutzer von Diensträdern eine kostenlose Erstinspektion und einen Werkstatt-Service, der sich auch nach den unterschiedlichen Vertragsbedingungen richtet, so »variieren zum Beispiel die Versicherungsleistungen von Leasing-Gesellschaft zu Leasing-Gesellschaft« erläutert Christoph Hoxhold von der B.O.C. Tochterfirma easy-bike-leasing.
Das Leasing ist für viele ein Anreiz, öfter aufs Fahrrad zu steigen, sei es in Alltag, Freizeit oder im Pendelverkehr.
Im Gegenzug zu diesen Anforderungen arbeiten Dienstradvermittler und Leasing-Gesellschaften aber auch kontinuierlich daran, es den Fachhandelspartnern so einfach wie möglich zu machen. Digitale Händleranbindungen werden verbessert, ebenso die Online-Recherchemöglichkeiten. Schließlich muss ein Händler ja wissen, was zu tun ist, wenn ein kaputtes Dienstfahrrad bei ihm ankommt: ob Bilder eingereicht werden müssen, ein Kostenvoranschlag notwendig ist und so weiter.
Hier liegt allerdings ein großer Knackpunkt für den Handel. Es gibt kein einheitliches Prozedere bei den Leasing-Anbietern, wenn es um Vertragsbearbeitung, Service-Dienste und all die weiteren Themen geht. Jeder hat eigene Prozesse, die über eigene Portale abgewickelt werden. Je größer der Fahrradhändler ist, umso mehr Leasing-Partner hat er, mit denen er zusammenarbeitet. Ein halbes Dutzend und auch mal deutlich mehr Leasing-Unternehmen sind keine Seltenheit.
»Wir gehen davon aus, dass sich die Gesamtzahl der Anbieter in den nächsten Jahren reduzieren wird.«
Lara Burger, Jobrad über den Wettbewerb der Leasing-Anbieter
Sicherzustellen, dass die eigenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen immer genau wissen, wie und was im jeweiligen Fall zu tun ist, wird damit zu einer Herausforderung, die Arbeit unnötig komplex. Bis sich die Leasing-Welt auf einheitliche Vorgehensweisen verständigt, wird sich daran absehbar nichts ändern, worüber der Handel schon seit geraumer Zeit klagt. Bisher sind keine Initiativen bekannt, die daran etwas ändern sollen. So bleibt fürs Erste nur, auf möglichst gut geschultes Personal zu setzen.
Wer nicht optimiert, verliert
Von JobRad bekommen Fachhandelspartner Schulungen zu verschiedenen Dienstfahrrad-relevanten Themen und es gibt ein Fachhandelsteam als Ansprechpartner für Fragen. Auch mein-dienstrad.de hat ein spezielles Fachhandelsteam, das sich um die Betreuung der Partner kümmert – oder auch mal nachhakt, wenn etwas nicht so gut klappt, was durchaus vorkommt: »Herausforderungen haben wir mit einigen Online-Händlern, hier ist die Mangelbeseitigung oftmals mit viel Zeit verbunden«, konkretisiert Ronald Bankowsky.
Die Möglichkeit, über Dienstrad-Leasing zu einem neuen Fahrrad zu kommen, steht dank stetig wachsendem Partnernetz immer mehr Menschen offen.
Apropos online: Auch für die Kundinnen und Kunden müssen die Angebote und Prozesse auf den Webseiten kontinuierlich verbessert, angepasst und möglichst intuitiv gestaltet werden. Denn wer sich bei einem Anbieter nicht gleich zurechtfindet, hat mittlerweile verschiedene andere Optionen. »Die Ansprüche der Kunden an eine smarte Dienstleistung sorgen für eine innovative und fortschrittliche Entwicklung der Angebote«, beschreibt Maximilian Acht von Company Bike die Situation. Der Markt für Dienstfahrradleasing selbst öffnet sich unterdessen immer weiter. So können inzwischen beispielsweise Tarifangestellte ebenfalls Dienstfahrräder beziehen: »Die IG Metall Baden-Württemberg hat kürzlich einen Tarifvertrag für Fahrrad-Leasing in Betrieben vereinbart«, weiß Wasilis von Rauch von Zukunft Fahrrad. Das bedeutet nochmals mehr potenzielle Mitarbeitende mit Interesse an einem Dienstfahrrad, neben den bereits bestehenden und noch nicht erschlossenen klassischen Unternehmen.
Genug Platz oder Platzhirsch?
Es zeichnet sich damit eine Entwicklung ab, die derzeit noch genügend Potenzial für alle Akteure und zahlreiche neu entstehende Start-ups bietet. Über kurz oder lang werde es jedoch passieren, dass »kleinere Unternehmen teilweise aufgekauft oder Mehrheitsbeteiligungen von Investoren erhalten werden. Außerdem werden auch immer mehr Verflechtungen zwischen Leasing-Anbietern und Leasing-Gesellschaften oder auch Versicherungsgesellschaften stattfinden«, glaubt Lara Burger von JobRad und fügt hinzu: »Wir gehen davon aus, dass sich die Gesamtzahl der Anbieter in den nächsten Jahren reduzieren wird.«
Pandemiebedingte Lieferengpässe, die derzeit durchaus vorkommen, sind dagegen zwar eine Herausforderung, so die für diesen Beitrag befragten Dienstradvermittler. Jedoch keine geschäftsbestimmende (mehr): »Es kann zwar punktuell Verzögerungen geben, unterm Strich erhalten unsere Kundinnen und Kunden ihr Rad aber deutlich schneller, als wenn sie es auf eigene Faust probieren würden«, berichtet Ronald Bankowsky von mein-dienstrad.de.
»Es kann zwar punktuell Verzögerungen geben, unterm Strich erhalten unsere Kundinnen und Kunden ihr Rad aber deutlich schneller, als wenn sie es auf eigene Faust probieren würden.«
Ronald Bankowsky, mein-dienstrad.de
Die wachsende Konkurrenz belebt den Markt, führt aber auch dazu, dass Dienstradvermittler und Leasing-Unternehmen ständig daran arbeiten müssen, einen Schritt voraus zu sein und dem Kunden oder der Kundin das entscheidende bisschen Mehr zu bieten, zum Beispiel mit individuell gestaltbaren Service-Paketen, die die Arbeitgeberraten absichern, wenn der Mitarbeitende das Unternehmen verlässt oder in Elternzeit geht. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis auch die besonderen Bedürfnisse des Handels noch stärker in den Vordergrund rücken.
Weiterdenken, weitergehen, weiter bestehen
Händler B.O.C. hat neben Kooperationen mit verschiedenen Dienstradvermittlern mit easy-bike-leasing ein eigenes Vermittlungsunternehmen für Dienstfahrrad-Leasing gegründet, um in dieser Funktion direkt am Kunden zu sein und zu erfahren, was gewünscht ist. Anbieter Lease a Bike hat einen eigenen Podcast gelauncht, in dem alles rund ums Thema Fahrradfahren und Rad-Leasing erläutert wird – für Angestellte, Selbstständige und Unternehmen.
Und JobRad arbeitet mit ListNRide zusammen, einem Unternehmen, das Bikeleasing nochmals etwas anders interpretiert: Auf der Online-Plattform können private und kommerzielle Anbieter Fahrräder vermieten – für wenige Stunden bis einige Tage, per Bike-Abo sogar 12 Monate und mehr. »Konkret ist für Fahrradhersteller und Dienstradvermittler unser Testing-Service interessant«, erklärt Co-Founder Johannes Stuhler. Das bedeutet, dass Interessierte ihr Wunschbike auch kurzfristig ausleihen und ausgiebig testen können, bevor sie sich für ein Dienstradmodell entscheiden. Auch wenn Leasing nicht das Kerngeschäft von ListNRide ist, stehen deren Abo-Modell und Test-Option doch sinnbildlich für das, worum es aktuell im boomenden Markt des Dienstrad-Leasings geht, um langfristig mithalten zu können: innovativ sein, serviceorientiert denken und bloß nicht stehen bleiben. //
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