Interview - Birkhold
Verfügbare Flächen optimal nutzen
Sie verfolgen die Fahrradbranche nun schon sehr lange. Was hat sich in den letzten 20 Jahren in Ihren Augen am meisten in der Fahrradbranche verändert?
Durch die immer breiter werdende Produktpalette ist der Flächenbedarf deutlich gewachsen. Schon vor dem E-Bike gab es immer mehr verschiedene Radgattungen, vom Kompaktrad bis Fullys und 29er. Im Prinzip kann man sagen, dass die Sortimente größer geworden sind und dadurch auch die Händler. Jeder Betrieb, der Vollsortimenter geblieben ist, muss die Ware entsprechend präsentieren. Dafür gibt es zwei Wege. Entweder nutzt man den vorhandenen Platz optimal aus, dafür bietet sich unser System an. Oder: Die anderen haben sich mehrfach vergrößert. Ich kenne einige Beispiele, wo sich Händler von 200 auf über 1200 Quadratmeter vergrößert haben. Parallel lief dazu der E-Bike-Boom an. In Summe kann man sagen, dass der Händler im Durchschnitt heute deutlich mehr Bikes im Laden stehen hat als vor 15 Jahren.
Welchen Einfluss hat dieses Flächenwachstum bei der Präsentation von Komplettfahrrädern? Braucht man mehr Platz, um ein Rad zu präsentieren, als früher? Soll man sich mehr nehmen?
Grundsätzlich würde ich das differenziert sehen. Hochwertige Räder oder die Produkte, die zur Profitabilität des Shops am meisten beitragen, sollten mehr Platz bekommen als diejenigen, die sich weniger schnell drehen oder nur saisonal besonders interessant sind, wie etwa oft Rennräder, die relativ früh im Jahr gekauft werden. Entsprechend sollte das E-Bike für 5000 Euro mehr Platz bekommen als das Jugendrad mit der Einstiegspreislage von 599 Euro.
Sie haben den E-Bike-Boom erwähnt. Hatten Sie das Gefühl, dass die Warenpräsentation über diese Zeit immer gelungen war?
Ja und nein. Mein Eindruck war, dass teilweise zu viel ins Lager gestellt wurde und die Räumlichkeiten nicht optimal genutzt wurden. Unsere Prämisse ist eigentlich, dass jedes Produkt, das positiv in einem Shop gezeigt werden kann, sich positiv auswirkt. Jedes Fahrrad, das nicht gezeigt werden kann, weil es im Lager steht, ist ein verlorenes Rad. Der Kunde möchte ja eine entsprechende Auswahl haben.
Wenn ich im Shop um jedes E-Bike herumlaufen kann und gleichzeitig habe ich zum Beispiel noch 60 Modelle auf Lager, die ich gar nicht zeigen kann, dann halten wir das nicht für den optimalen Weg. Teilweise war die Lagerquote im Verhältnis zu den ausgestellten Bikes im Shop nicht ausgewogen.
Gleichzeitig dürfen die Flächen auch nicht überladen werden. E-Bikes, die 3- 6000 Euro kosten, im Abstand von 30 bis 40 Zentimetern ineinander zu stellen, sodass diese typischen Fahrradreihen entstehen, bei denen die Lenker ineinander klappen, das ist natürlich kontraproduktiv.
Lassen Sie uns zu den harten Fakten der Fahrradpräsentation kommen. Was sind die Aspekte, die man aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht berücksichtigen müsste?
Zu den harten Fakten gehört für mich der Umsatz pro Quadratmeter, gerade wenn die Raumkosten hoch sind, wie das in Städten und Ballungsgebieten meist der Fall ist. Rein von der Präsentation her gibt es bei uns den Merksatz, Präsentation ist dann positiv, wenn das Rad optisch aufgewertet präsentiert wird. Gleichzeitig soll man sagen können, dass der Kunde jedes einzelne Produkt und jedes einzelne Bike optisch aufgewertet sehen kann, ohne dass dieses Produkt bewegt werden muss.
Es sollte also keine aktive Präsentation notwendig sein. Wenn das doch notwendig ist, dann kann man eigentlich nicht mehr von Präsentation sprechen, weil dann ja der Verkäufer präsentiert.
Gibt es eine Faustregel oder ein Optimum bezüglich des Abstands zwischen den präsentierten Fahrrädern?
Das ist der Zielkonflikt, den jeder Händler hat: Einerseits will er möglichst großzügig präsentieren, andererseits will er alte Modelle, wenn neue Ware kommt, nicht wieder ins Lager stellen, sondern abverkaufen. Aus diesem Zielkonflikt heraus kann man sagen, dass bei circa 45 bis 55 cm Abstand bei E-MTBs die Untergrenze liegt. Dann hat man einen guten Kompromiss aus guter Raumnutzung und guter Präsentation.
Wenn es um die Warenpräsentation im Fahrradhandel geht, verfügt wohl kaum jemand über so viel Erfahrung wie Walter Birkhold.
Wir präsentieren bei beengten Verhältnissen gerne 20 cm höhenversetzt, weil es dann wirkt, als stünden die Räder deutlich weiter auseinander. So heben sich die einzelnen Räder buchstäblich voneinander ab und die Lenker kommen sich nicht in die Quere. Das hebt den »Reiheneffekt« auf. Damit meine ich, dass der Kunde nicht einen Block an Rädern sieht, sondern jedes einzeln erkennen kann. Die Bikes stehen zudem gerade und es entsteht ein geordnetes und strukturiertes Ge-samtbild.
Ein anderer wichtiger Punkt ist der Zugriff. Eine Präsentation ohne guten Zugriff auf die Räder ist wieder nur die Hälfte wert. Ein Rad sollte mit einer Hand aus der Reihe genommen und genauso schnell wieder zurückgeschoben werden können. Im Idealfall kann das der Kunde auch. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Gangbreiten ausreichend weit bleiben.
Klassische Fahrradgeschäfte in den 1A-Lagen der Städte und Metropolen Deutschlands sind rar gesät. Kann ein Radladen in begehrten Stadtlagen angesichts hoher Mieten wirklich funktionieren?
Das kann natürlich funktionieren. Es gibt auch Beispiele dafür. Wir haben solche Kunden mit sehr hohen Mieten in den Großstädten, die vielleicht nicht riesig groß sind, aber den vorhandenen Platz ausreizen. Das heißt nicht, dass sie ihren Laden überladen.
Je höher die Mieten sind, je teurer die gedachte Vergrößerung des Geschäfts, desto eher müssen sich diese Händler überlegen, wie sie ihren Raum nutzen können. Die optimale Raumnutzung kostet gerade bei den heutigen Baupreisen meist deutlich weniger. Und das Heizen darf man dabei auch nicht vergessen. Das sind alles Punkte, die in den letzten 10 bis 15 Jahren nicht so im Vordergrund standen.
Welche Unterschiede bei der Warenpräsentation sehen Sie zwischen großen und kleinen Händlern?
Der Unterschied ist relativ häufig der, dass es bei großen, durchgängigen Hallen notwendig wird, teilweise auch mit Aufbauten, Podesten oder Trennwänden zu arbeiten.
So schafft man eine gewisse raumfüllende Struktur und es entsteht nicht der Eindruck einer leeren Fabrikhalle. Allerdings muss man auch da einschränken. Wenn dort viel Ware präsentiert wird, muss man auch dort darauf achten, den Platz gut zu nutzen. Auch dort gilt die Prämisse, dass der Mindestabstand zwischen den Fahrrädern und E-Bikes nicht unter die 45 bis 55 cm rutscht und die Lenker nicht ineinander klappen sollten. Sonst sieht die Kundschaft das einzelne Rad nicht mehr.
Bei den kleineren oder mittelgroßen Händlern gibt es verschiedene Gruppierungen. Da gibt es den typischen Birkhold-Kunden, der sagt, dass er zwar nicht so viel Platz wie ein großer Laden hat, aber trotzdem Vollsortimenter sein will. Der will die verfügbare Fläche optimal nutzen und sucht für jede Nische und Ecke im Laden einen guten Kompromiss aus effizienter, kundenorientierter Präsentation bei gutem Zugriff.
Und dann gibt es die Händler mit wenig Platz, die aber eine Podestpräsentation wollen. Da wird es oft schwierig. In der Realität sieht es dann oft so aus, dass die Räder zu eng stehen, die Gänge zu eng werden oder ein riesiges Lager besteht, aber nur wenige Räder im Shop gezeigt werden können.
Wie schafft man es, egal bei welcher Größe, eine Wohlfühlatmosphäre und ein Einkaufserlebnis zu schaffen, bezogen auf die Präsentation?
Das ist eine komplexe Frage. Grundsätzlich gehen wir so vor, dass wir die Sortimentspolitik, mit der ein Händler vielleicht seit vielen Jahren erfolgreich ist, berücksichtigen. Das erfolgreiche Geschäftsmodell sollte das Präsentationskonzept bestimmen.
»Präsentation ist dann positiv, wenn das Rad optisch aufgewertet präsentiert wird.«
Andersherum gesagt: Es gibt auch Konzepte, bei denen mit neuer Präsentation nur noch 200 statt 400 Räder präsentiert werden. Da entscheidet das Konzept, wie das Sortiment zusammengestellt ist. Wir präferieren es, wenn der Händler entscheidet, wie viele Bikes präsentiert werden und nicht das Konzept.
Zum Einkaufserlebnis gehört dazu, das jeder Kunde und jede Kundin auch das für sich passende Rad im Geschäft findet. Dazu muss dieses Rad auch im Geschäft vorhanden sein. Sobald man einen Termin machen muss, um das Rad aus dem Außenlager holen zu können, ist das für Menschen, die wenig Zeit haben, nicht unbedingt zielführend. Wenn sie das passende Produkt nicht finden und nicht inspiriert werden, dann ist das auch kein Einkaufserlebnis.
Dekoelemente, eine Kaffeeecke und alles, was zur Wohlfühlatmosphäre beiträgt, sind wichtig, aber es sollte nicht auf Kosten des Sortiments gehen. Wir sagen ganz pragmatisch, das Wichtigste für die Kunden ist, dass sie das passende Produkt finden. Man ist weniger erfolgreich, wenn man den Kunden nicht wenigstens zwei attraktive alternative Angebote zeigen kann.
Was raten Sie Händlern, die in diesem Winter einen Umbau planen?
Sie sollten auf jeden Fall schauen, womit sie die letzten drei Jahre Geld verdient haben. Wo hat der Ertrag vielleicht nicht gestimmt? Der Handel muss eigentlich jedes Jahr sein Sortiment straffen, auch weil die Sortimentsvielfalt in den letzten zehn, fünfzehn Jahren immer weiter gestiegen ist. In den Bereichen, in denen man keine besonderen Erfolge einfahren konnte, sollte man reduzieren und umgekehrt bei erfolgreichen Segmenten noch aufsatteln. Also planen, welche Produkte zum Saisonstart und im Verlauf präsentiert werden sollten und selbige dann verkaufsfördernd ausgestalten – Präsentation ist nach der Corona Zeit wieder wichtig!
Herr Birkhold, ich habe noch eine Fangfrage für Sie: Was war die schönste Warenpräsentation, die sie je gesehen haben?
Also, die schönste Warenpräsentation, die ich je gesehen habe, war auf einer Messe. Ich bin mir gar nicht mehr sicher, welcher Hersteller das war. Ich möchte ausdrücklich sagen, da war keine einzige Schraube von uns verbaut. Dazu muss man sagen, dass man auf einer Messe mitunter viel Platz hat. Je mehr Platz pro Fahrrad zur Verfügung steht, desto einfacher ist es, eine schöne Präsentation zu gestalten. Ich möchte aber gleich ergänzen, dass es oft der falsche Weg ist, als Händler über die Messe zu schlendern und zu sagen, »Mensch, so möchte ich meinen Laden haben«. Das scheitert dann oft daran, dass nachher im Geschäft viel weniger Platz je Bike zur Verfügung steht als auf einer Messe. Von daher ist es eher eine Fangfrage für Händler, weil man immer auf Basis vom eigenen Shop die optimale Präsentation entwickeln sollte. Das ist der Weg, um das Beste für seine individuelle Situation zu erreichen.
Welche Punkte sind bei der Warenpräsentation wichtig und welche sind überbewertet?
Bei der Fahrradpräsentation ist die Strukturierung des Raumes wichtig, dass die Gangbreite ausreichend groß ist, der Zugriff optimal ist und die einzelnen Räder vom Kunden gesehen werden können, ohne dass sie bewegt werden, und die Kundschaft sollte sich eigenständig im Laden zurechtfinden. Zudem sollten die Produkte vor Beschädigung geschützt sein. Die Kunden sollten sich austoben können, ohne Gefahr zu laufen, etwas zu zerkratzen. All das sind die wichtigen Punkte.
Überbewertet wird das Drumherum um die Fahrradpräsentation. Etwas kann optisch schön sein, aber wenn ich nur auf Wohlfühlatmosphäre und Farbgestaltung schaue, die Räder aber ineinander gestellt im Laden stehen, dann hat man die Prioritäten nicht ausgewogen gesetzt. Das Produkt und die Produktpräsentation stehen absolut im Mittelpunkt.
Birkhold feiert in diesem Jahr das 35. Jubiläum des Präsentationssystems. Wie wird der Fahrradladen in weiteren 35 Jahren aussehen?
Der Fahrradhandel wird noch einmal effektiver und strukturierter werden. Es wird immer noch kleine und mittelgroße Geschäfte geben. Das Wachstum der großen Händler wird sich irgendwann abflachen. Vom Sortiment her bin ich überzeugt, dass die Läden in 35 Jahren ganz pragmatisch aufgestellt sein werden. Die Lösungen werden sich ganz stark an der Profitabilität des Geschäfts orientieren. Jeder wird versuchen, so effizient wie möglich zu arbeiten. Da kommt die verkaufsfördernde Präsentation ins Spiel. Sie kann gegebenenfalls einen Verkäufer ersetzen, weil die Kunden sich schon weitgehend selbst vororientieren können und sich dadurch Verkaufsgespräche verkürzen. //
Über Birkhold:
Aktuell sind in deutlich über 2000 Läden wenigstens in Teilbereichen die Birkhold-Systeme eingesetzt. In diesem Jahr feiert das Unternehmen das Produktjubiläum. Seit 35 Jahren sind die Birkhold-Präsentationssysteme im Fahrradmarkt verfügbar. Birkhold selbst gibt es bereits seit 97 Jahren. Das 100-jährige Firmenjubiläum folgt also schon bald und wird in 2026 gefeiert.
Seit 1926 verkauft das Unternehmen übrigens durchgehend selbst Fahrräder, also zu einer Zeit, als Holzfahrräder noch häufiger zu finden waren als heute. Wie das damals üblich war, geschah das in Verbindung mit Nähmaschinen, Motortechnik, Landtechnik und all den anderen Sortimenten, die einst wie selbstverständlich im Fahrradhandel dazukamen. Das Fahrradgeschäft ist nun aber ein anderer Geschäftsbereich, der vom Bruder von Werner Birkhold geleitet wird.
Bei aller Tradition ist Birkhold ein kleineres Unternehmen geblieben, das komplett in Deutschland produziert. Im Moment arbeiten dort je nach Auslastung fünf bis sieben Mitarbeiter.
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