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Torx-Schrauben: Immer häufiger lösen sie die Inbus-Schraube am Fahrrad ab.
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Report - Innenstern als Standard?

Vertorxt nochmal

Die einen preisen schon einen neuen Standard, andere glauben nicht daran, dass der Inbus bald Geschichte sein soll. Ist es denn sinnvoll, wenn die Torx-Schraube eine feste Bindung mit allen Teilen des Bikes eingeht, und findet eine Verdrängung zurzeit tatsächlich statt?

Der ganz nüchterne offizielle Name: Innenstern. Besser bekannt als die Torx-Schraube, benannt von ihrer amerikanischen Entwicklerfirma Camcar nach dem englischen Torque, zu Deutsch: Drehmoment. In diesem sollen auch ihre Vorteile liegen – zumindest laut Theorie: Der Kopf des Innenstern läuft nach innen hin nicht spitz zu wie die Philipps- (Kreuzschlitz-)Schraube, daher muss beim Schrauben kein Druck aufgewendet werden, um nicht abzurutschen. Außerdem ist bei Torx wegen der größeren Angriffsfläche der Kraftschluss besser – die Schrauben sollen daher weniger schnell »vernudeln«. Und der Schraubenkopf muss, verglichen mit dem Inbus, nur eine geringe Höhe vorweisen, um das gleiche Drehmoment aufzunehmen. Wo es also eng hergeht am Fahrrad, scheint sie die bessere Lösung. Und genau über solche Stellen kam sie auch ans Bike: Bei der Befestigung der Bremsscheiben laufen die Aufnahmebolzen Gefahr, mit der Gabel oder den Bolzen des Schutzblechs zu kollidieren – deshalb werden Bike-Bremsscheiben meist mit Torx-Bolzen befestigt.

Teurer Diebstahlschutz

Rolf Häcker kennt noch einen anderen Grund für die Vorherrschaft des Innensterns an der Scheibe: »Natürlich bieten sie zumindest heute noch einen gewissen Diebstahlschutz«, erklärt der Leiter der Produktentwicklung beim Komponentenhersteller Humpert. »Außerdem gehen bei sicherheitsrelevanten Bauteilen dann nicht so einfach Leute ran, die da nichts zu suchen haben«, meint Häcker. Andererseits: »Ein kompletter Schrauben-Mischmasch am Rad mit verschiedenen Systemen, und dann auch noch diversen Größen bei jedem verbauten Typ ist allerdings extrem schlecht für Mechaniker und Monteure, viel zu zeitintensiv.« Und auch die Kosten für eine komplette Umstellung auf Torx-Standard wären nur tragbar, wenn sich die Komponentenhersteller gemeinsam darauf einigen würden. »Momentan wird es für uns viel zu teuer, nur für einige Abnehmer von Komponenten die Produkte mit Torx zu bestücken.« Deshalb sieht man auch kurz- und mittelfristig keinen Wechsel auf einen neuen Standard kommen. »Da müssten schon sämtliche Komponentenhersteller an einem Strang ziehen, das sehe ich momentan jedoch nicht.«

Die Schraube zum ­Aufhübschen

Torx-Verbindungen können flacher gestaltet werden, was nicht nur dort sinnvoll ist, wo es eng hergeht. Auch wo fließende Übergänge aufgrund der besseren Aerodynamik oder einfach schöne Optik gefragt sind, werden Torx-Verbindungen vermehrt eingesetzt. Christoph Allwang von Sram sieht aber auch eine andere Funktion der »neuen« Schraube: »Wir setzen sie zum Beispiel bei unserem XX-Schaltwerk ein – aus Erfahrung zeigt sich, dass bei unsachgemäßer Behandlung eher der Kopf der Schraube vernudelt, als dass die Schraube abreißt. Wir bauen mit dem Torx-Bolzen also auch einen kleinen Zerstörungsschutz ein. Gerade dort wo superleichtes Alu oder Carbon eingesetzt wird, ist das sinnvoll. Dabei gibt es Gegenstimmen, die vom Inbussystem genau dasselbe behaupten. Aber wir haben eben diese Erfahrung gemacht«, so der technische Koordinator für Rennrad und Triathlon beim Komponentenriesen. An einen generellen Ersatz von Inbus durch Torx in naher Zukunft glaubt aber auch er nicht.

Gut für automatisches Schrauben

Ähnlich sieht das der technische Leiter beim Shimano-Importeur Paul Lange, Frank Prüwer. »Wenn überhaupt, dann ist das ein langwieriger Prozess, erst einmal sehe ich keinen allgemeinen neuen Standard am Fahrrad. Und die Händler wollen ja auch nicht für jede Komponente einen eigenen Schlüssel benutzen müssen. Man kennt das aber auch aus dem Alltagsbedarf: Die häufiger benötigte Verbindung ist immer der Inbus – und so sind auch die Torx-Verbindungen am Rad vorwiegend dort, wo selten geschraubt werden muss. In der Serienfertigung«, so Prüwer, »bringt Torx natürlich Vorteile: Maschinelle Verschraubungen sind dadurch einfacher zu bewerkstelligen. Aber darum geht es im Fahrradbereich kaum.«
»Es gibt klare technische Gründe, die für Torx am Fahrrad sprechen«, meint dagegen Marcus Schroeder von EFBE Prüftechnik. »Das fängt schon in der einfacheren Handhabung an. Und man kann höhere Drehmomente anbringen, man läuft weniger Risiko, den Schraubenkopf rund zu drehen.« Dass die Endverbraucher mit einem neuen System davon abgehalten werden, selbst Hand anzulegen, sieht er nicht: »Bislang ist noch jeder Versuch gescheitert, mit neuen Systemen den Endverbraucher am Herumschrauben zu hindern. Innerhalb kürzester Zeit sind die Werkzeuge breit verfügbar. Außerdem ist die Torx-Schraube inzwischen in vielen Bereichen schon ein anerkannter Standard.«
Alles in allem sieht er den Innenstern eindeutig als Fortschritt: »Festerer Halt des Werkzeugs und höhere Drehmomentübertragung – das kann jedem nur lieb sein.«

Mehr Torx, mehr Technik-Flair

Doch was sagen die Händler zum Torx-Trend? Nehmen die Radler tatsächlich mehr Serviceangebote in Anspruch, seit der Inbus an einigen Stellen auch mal ein Torx ist? Peter Dedenbach, Chef des Kölner Fachgeschäfts Stadtrad, spricht nicht von höherem Reparaturaufkommen, aber tatsächlich von anwachsendem Einsatz des Newcomers an neuen Rädern: »Mindestens an jedem zweiten unserer Räder haben wir die Schrauben dran. Und nicht nur an Bremsscheiben: Die Marke Velo de Ville etwa ist fast komplett auf Torx umgestiegen, auch Flyer verbaut immer mehr – auch an Stellen wie dem Vorbau« – wo der Endverbraucher selbst auch schon mal etwas einstellt. »In unserer Werkstatt haben wir gemerkt, dass der Verschleiß an Schlüsseln geringer ist als beim Inbus-System.« Grundsätzlich sieht der Kölner Händler die Entwicklung positiv. »Es kommt ja auch noch hinzu: Für Kunden, die aufs Detail sehen, ist der Einsatz von Torx-Schrauben auch ein Zeichen von Qualität.«
»Das Fahrrad wird technischer«, betont auch der Bielefelder Peter Dreischmeier. »Das hat auch ein bisschen Signalcharakter: Die Torx-Schraube sagt dem Endverbraucher: Da gehören Fachleute dran«, so der Leiter von Feine Räder. »Für mich als Händler ist relativ egal, was eingesetzt wird. Tendenziell ist aber die Schraube, die von Premium-Firmen wie Rohloff oder Magura heute schon recht breit genutzt wird, in der Praxis robuster.«

Total vertorxt?

Ein einheitliches Bild ist es also mitnichten, das man sich auf die Frage nach Vorkommen, Sinn und Zweck der vermeintlichen Torx-Invasion zusammenschrauben kann. Die Meinungen sind so kunterbunt, wie man es zu einem so trockenen Thema kaum erwarten würde. Es gibt recht wenige Gesichtspunkte, bei denen sich die Betroffenen einig sind; nicht einmal in puncto Festigkeit drehen sie in dieselbe Richtung. Natürlich bestimmt wie immer auch das eigene Interesse die Wahrnehmung eines Sachverhaltes, doch eines zeigt diese Umfrage: Es braucht mit Sicherheit noch ein paar Windungen, bis die Innenstern-Bolzen etwas wie einen Standard am Rad darstellt. Aber sie ist derzeit irgendwo auf dem Weg dahin. Denn einen Schrauben-Mischmasch kann man sich wohl tatsächlich kaum auf Dauer vorstellen.

11. Juni 2014 von Georg Bleicher
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