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Messe im digitalen Format
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Digitale Spezialradmesse 2021

Virtuell, aber wie gewohnt speziell

Schon zum zweiten Mal hat die Pandemie die Präsenz-Veranstaltung der Spezialradmesse in Germersheim verhindert. Die Alternative zur beliebtesten Spezialradmesse Europas: Ein Online-Event. Kann das funktionieren?

Digitale VersuchsanordnungMesse im digitalen FormatLive und digital.

Der Veranstalter Hardy Siebecke hatte schon im Vorfeld eine „zusätzliche“ Spezi Online zur Präsenzmesse eingeplant. Noch im vergangenen Winter hatte man den seit 25 Jahren angestammten April-Termin in den Herbst verschoben, und den Frühjahrstermin als Online-Messe angekündigt. Während der sich aufbauenden dritten Pandemie-Welle nahm man auch den neuen Herbsttermin '21 als zu gefährlichen Wackelkandidat wahr und cancelte die Präsenz-Messe ersatzlos. Schließlich hatte man durch die letztjährig kurzfristig abgesagte stationäre Messe doch einen Verlust im fünfstelligen Bereich verarbeiten müssen.

Schon im Vorgespräch der 21er-Ausgabe gab sich Hardy Siebeke, seit Beginn an Chef der Spezi, trotzdem sehr zuversichtlich. Aus gutem Grund: „Wir hatten die Digitale Spezi im April 2020 aus der Not geboren. Ganz kurzfristig wurden in Windeseile die technischen Möglichkeiten geschaffen – und der Riesenerfolg überraschte uns alle! Das Feedback von vielen Besuchern war begeisternd.“ Auch die Idee, ein Spendenkonto für die Online-Spezi einzurichten, der Besuch war ja kostenlos, kam von außen. Ein vierstelliger Betrag, der half, die Kosten zu verringern, ging so an die Macher zurück. 2021 konnte man die Vorbereitungen genauer planen und die Kosten besser einschätzen. Auch für die Aussteller war es günstig: Die digitale Messe war für Aussteller, die sich zur der Präsenz-Spezi angemeldet hatte, inklusive.

Messestand per Mausklick

Die Online-Messe ist seit Samstag, 10.00 Uhr abrufbar und soll das bis in den Juli '21 bleiben. Auf den klassischen Rundgang muss man natürlich online verzichten. Wie kann dann so eine virtuelle Messe überhaupt funktionieren?
Wer auf der altgedienten Messen-Seite den grünen Messe-Button klickt, kommt auf die Seite des aktuellen Messeprogramms. Neben einer kleinen Video-Vorstellung des Messeteams gibt es dort die wesentlichen Features: Die Links zu Ausstellern, zum Erfinder-Labor, den Vortragsraum und die Online-Meetings. Jeder Aussteller liefert dann unter seinem Link eine Darstellung des Unternehmens, meist ein kurzes Image-Video, Content zur aktuellen Neuheit des Unternehmens, digitale Visitenkarte sowie die Darstellung des Unternehmenssitzes auf Google Maps. Diese von der Spezialradmesse angelegten Host-Seiten sind übersichtlich aufgebaut und schnell zu überblicken. Will der Besucher Weiteres über den Aussteller erfahren, klickt er sich per Link zu dessen Homepage weiter und verlässt damit die Spezi-Seite (die auf dem Monitor aber geöffnet bleibt). 55 Aussteller stellen sich so auf der Messeseite vor, etwa die Hälfte der Unternehmen, die die Präsenz-Messe jährlich zum Publikumsmagnet machen – ein Zeichen, dass die Möglichkeit gut ankam.

Online News statt persönlich präsentieren

Aber das allein macht noch keine Messe. Möglichkeiten zum Austausch und direkter Kommunikation gibt es über den Vortragsraum. Hier können Aussteller zu den festgelegten Terminen am Messewochenende, gehostet von der Messe, ihre Vorträge halten. Je nach technischer Lösung sind das Livestreams oder Videokonferenzen, bei denen auch Zwischenfragen gestellt werden. Wie gut das überhaupt funktioniert, hängt stark vom teilnehmenden Unternehmen ab. Reha-Spezialist Hasebikes nutzte die Chance, um sehr professionell die Vorteile seiner neuen Tandem Pino-Variante vorzustellen (Produktneuheiten in einem späteren Beitrag auf velobiz.de), auch der zweite große Anbieter, HP Velotechnik, konnte mit einem dauerhaft abrufbaren Youtube-Video die Vorzüge seines neuen Premium-Sitzes überzeugend darstellen. Andere Hersteller waren, was den Aufwand betrifft, deutlich weniger ambitioniert. Die Möglichkeiten zu Video-Präsentationen wurden nicht von sehr vielen Ausstellern genutzt.

„Ja, aber“ sagen die Aussteller

„Die Sehnsucht ist natürlich ganz stark da, mit dem Besucher persönlich zu interagieren. Das kann die digitale Messe nicht ganz schaffen“, erklärt der Pressesprecher von HP Velotechnik, Alexander Kraft. „Auf dem Messespaziergang stolpere ich über Dinge, die mein Interesse auslösen. Digital muss ich erst nach Dingen suchen, die ich schon im Kopf habe.“ Kunden werde man durch die fehlende Messe aber sicher nicht verlieren, „derzeit ist ja eher die Lieferfähigkeit das Limit“, schiebt der Pressesprecher lächelnd hinterher.

Als zweischneidiges Schwert sieht auch Dario Valenti vom Marketing bei Hasebikes Online-Events als Messeersatz. „Online-Workshops können sehr gut funktionieren, Messen sehen wir skeptisch. Gerade im Liegeradbereich ist es wegen des komplexen Produkts einfach nicht möglich, auf Probefahrten zu verzichten. Großartig ist Online aber, um mit dem Kunden in Kontakt zu kommen. Wir haben bei unserer Info-Veranstaltung sehr viel Interesse erlebt. Es gab mehr Fragen als bei den Händler-Workshops, und der Aufwand ist doch relativ gering. Die Effizienz ist hierbei also höher als bei jeder Messe.“
Spezialrad-Urgestein Hennig Voss, jahrzehntelang Deutschland-Vertrieb von Brompton, stellt auf der Aussteller-Seite der Spezi im Video seinen virtuellen Messestand vor. „Die Seite ist für das vorinformierte Klientel der Spezialradmesse sicher das richtige Format“, schätzt er. „Voss Spezialrad hat gerade sein Vertriebs-Portfolio in Sachen Spezialrad, aber auch Zubehör deutlich erweitert und findet hier den passenden Kanal zur Präsentation." Trotzdem meint er zur Digitalisierung der Messe: „Grundsätzlich wird man nach Corona neu nachdenken, wie Messen in Zukunft aussehen werden. Doch die Spezi braucht diese klassische Messeform.“

Online-Event als Familientreffen?

Etwas Besonderes an der Messe war schon immer der Event-Charakter und ihre familiäre Atmosphäre. Das ist digital schwer abzubilden, doch mit Meeting-Veranstaltungen, an denen man aktiv teilnehmen konnte, gab es auch den Versuch, die direkte Kommunikation zu fördern. Sie richteten sich allerdings klar an Szene-Insider zum fachlichen Austausch, die sie dann auch gut besuchten. Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen, auch für den Spezialrad-Interessierten Normalo Chat-Foren zu bieten, etwa aufbereitet nach bestimmten Themenbereichen wie häufig gestellte Fragen zu Trikes oder Tandems, Erfahrungsaustausch etc.

Aber natürlich kann eine Online-Messe auch mit Live-Chat-Angeboten letztendlich nicht die Atmosphäre hervorbringen, die für die Spezi immer schon charakteristisch war. „Für uns war aber letztes Jahr und auch dieses Jahr wichtig zu sagen: Wir sind noch da, und wir werden auch bleiben“, so Veranstalter Siebeke. „Und die Kommunikation mit Besuchern und Ausstellern macht uns großen Spaß.“

Wie erfolgreich die digitale Messe '21 ist, ist schwer numerisch messbar. Klickzahlen, die er erst am Monatsende erhält, sind da immerhin ein Anhaltspunkt. Doch wichtig ist für Siebecke: „Es ist einfach eine gute Werbung für die Messe und den Laden.“ Eine aussagekräftige Zahl: Schon bei der ersten Ausgabe waren laut Veranstalter 15.000 Besucher auf den messeigenen Seiten, dieses Jahr werden es wohl deutlich mehr werden. Immerhin ist die Messe bis einschließlich Juli „geöffnet“. "Die Vorträge werden auch später über Youtube oder ähnliche Kanäle zu sehen sein. Insgesamt verursachte die Vorbereitung und Organisation der Messe beim Veranstalter einen vierstelligen Euro-Betrag.

Fazit: So lohnenswert wie ausbaufähig

Die digitale Spezi ist eine gute Chance für Veranstalter und Aussteller, die enttäuschten Spezi-Fans mit Neuheiten zu versorgen und vor allem, den Kontakt zu halten. Mit einem Ausbau der Möglichkeiten im Besucherbereich, vor allem bei den Chatangeboten, könnte man vielleicht noch mehr erreichen. Wie effizient die digitale Spezi für die Aussteller ist, hängt davon ab, mit wie viel Aufwand sie ihren virtuellen Stand betreiben. Wer, wie viele schon, ein Image-Video oder einen kurzen Erklärfilm zu Neuheiten direkt auf seine Spezi-Ausstellerstand-Seite legt, dürfte in diesen Tagen sicher die Klickzahlen auf seiner Seite deutlich steigern.
Vielleicht war die digitale Spezi für viele kleine Spezialrad-Hersteller auch ein guter Anlass, sich mit digitalen Kommunikationsmethoden auseinander zusetzen. Denn eine Lehre zieht man aus der digitalen Spezi ganz besonders: Auch im Spezialrad-Sektor ist Digitalisierung überfällig.

27. April 2021 von Georg Bleicher

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