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Von Kinder-E-Bikes bis zu Kleinwagen
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Report - Newcomer

Von Kinder-E-Bikes bis zu Kleinwagen

Der E-Bike-Boom hat den Fahrradmarkt kräftig durcheinandergewirbelt. Immer wieder treten neue, junge Anbieter auf den Plan. Vier aktuelle Beispiele, bei denen die große Bandbreite der Elektromobilität deutlich wird.

Ridetronic

Das 2016 gegründete Münchener E-Bike-Start-up Ridetronic hat es bereits zu einer gewissen medialen Berühmtheit gebracht. Letzten März schaffte es das Pedelec-Modell Tronic Drive ins Finale der Erfindershow »Das Ding des Jahres« des Fernsehsenders Pro7. Als Besonderheit wird das mit 13,5 Kilogramm vergleichsweise geringe Gesamtgewicht des Fahrrads hervorgehoben. Die elektrische Unterstützung kommt durch einen Hinterrad-Nabenmotor, während der Akku in der Vorderradnabe sitzt. Ansonsten ist das schlank gestaltete Fahrrad nicht als E-Bike zu erkennen. Mit Riemen­antrieb und einer Akku-Reichweite von 40 bis 80 Kilometern ist das Single­speed als Pendler- und Stadtrad ­konzipiert.
Die ersten Prototypen können seit Ende Mai in München getestet werden, Bestellungen werden ebenfalls seit kurzem auf der Webseite angenommen. »Ridetronic wird auf Direktvertrieb setzen, weil wir hoffen, so unseren günstigen Verkaufspreis von – mit Gutschein – 2499 Euro halten zu können«, erklärt Mitgründer Maximilian Gassner. Im Herbst soll die Auslieferung beginnen. Trotz des Direktvertriebs suchen die Münchner die Nähe zum Fachhandel, wie Gassner erläutert: »Wir bauen derzeit ein Botschafter-Netzwerk auf, das sowohl aus Fahrradhändlern als auch aus Privatleuten bestehen wird. Unser Ziel ist es, möglichst flächendeckend Testmöglichkeiten zu schaffen. Das ist eine große Herausforderung.« In München will Ridetronic bereits ab Ende Mai Probefahrten anbieten. Hamburg, Köln und Berlin sollen ab 1. Juli folgen. Der Vertrieb und Einbau von Upgrade-Kits soll ebenfalls über ausgewählte Händler erfolgen.
Das dreiköpfige Gründerteam von Ridetronic, zu dem neben Gassner noch Thomas Jankowski und Paul Klarhöfer gehören, konnte sowohl auf öffentliche Fördermaßnahmen wie das Exist-Stipendium des Bundeswirtschafts-ministeriums oder den Euro­päischen Sozialfonds für Deutschland als auch auf private Initiativen wie das Strascheg Center for Entrepreneurship zurückgreifen. Dabei handelte es sich jeweils um Förderprogramme ohne Eigenkapitalbeteiligungen. Das Unternehmen ist derzeit noch komplett im Besitz der Gründer. Das könnte sich aber bald ändern. Man befinde sich bereits in Gesprächen mit Investoren für eine erste Finanzierungsrunde.

Ben-E-Bike

Wie bei Ridetronic spielt geringes Gewicht auch bei Ben-E-Bike eine wichtige Rolle. Das hängt allerdings auch mit der Zielgruppe zusammen. Namensgeber der Marke ist Ben, der Sohn des Firmengründers Robin ­Krichel. Nachdem sich seine Eltern E-Mountainbikes angeschafft hatten, sah es der Sohn nicht mehr ein, ohne elektrische Unterstützung hinterher zu radeln. So entstand 2014 die Idee für ein Kinder-E-Bike. Mithilfe des ­Kinderfahrradherstellers Pyrobikes gelang die Umsetzung schnell: Anfang 2017 wurden die ersten Modelle aus­geliefert. Der Vertrieb erfolgt über ein bereits breites Netzwerk an Fachhändlern.
Dabei habe man anfänglich auf die bestehende Händlerschaft von Pyrobikes zurückgreifen können, wie Robin Krichel berichtet. »Inzwischen ist die Schnittmenge bei den Händlernetzwerken kleiner geworden.« Obwohl er langjährige Marketingerfahrung aus der Konsumelektronik mitbringt, muss Krichel für die Gewinnung von Handelspartnern kaum aktiv werden. »Die Händler kommen zu uns.« Auf der diesjährigen Eurobike wird Ben-E-Bike an einem Gemeinschaftsstand mit Pyrobikes erstmals ausstellen. Neben zusätzlichen Händlerkontakten erwartet Krichel auf der Fachmesse auch, vermehrt Verleiher zu treffen. Bislang ist Ben-E-Bike erst im Verleihgeschäft »eher auf Sparflamme« vertreten. Das soll sich künftig ändern.
Ebenso freut sich Krichel bei der Eurobike auf den persönlichen Kontakt zu seinen Lieferanten, die dort das fertige Produkte erstmals persönlich in Augenschein nehmen können. Auf der Suche nach Zulieferern hat Krichel bislang fast ausnahmslos gute Erfahrungen gemacht. Trotz überschaubarer Stückzahlen. »Es öffnen sich auch in Asien schnell die Türen, wenn man erklärt, wozu man die Komponenten braucht.«
Die neue Generation der Ben-E-Bikes, die auf der Eurobike präsentiert werden, kommt mit einer veränderten Rahmengeometrie, die sich nun auch deutlich von den (nicht mit Elektroantrieb ausgestatteten) Kinderrädern des Partners Pyrobikes unterscheidet. Zudem wurde eine eigene Software für die Antriebssteuerung entwickelt. Diese Investitionen leistet die Amperum GmbH, die hinter Ben-E-Bike steht, aus eigener Kraft. Das von Robin Krichel gegründete Unternehmen ist ein reiner Familienbetrieb und soll es bis auf weiteres auch bleiben.
Anders als die fast ausschließlich mit Mittelmotoren ausgestatteten E-Mountainbikes für Erwachsene setzt das Ben-E-Bike auf einen Hinterradantrieb. Aus Sicht der Entwickler die bessere Wahl: Zum einen reduziere sich das Mehrgewicht im Vergleich zum Mittelmotor von rund 2100 auf 1700 Gramm. Zum anderen sei neben weiteren Vorteilen wie einer geringeren Belastung für Kette und Ritzel das Handling sehr gut ausbalanciert.
Serienmäßig sind die Ben-E-Bikes mit einem 175-Wh-Akku ausgestattet, der eine Unterstützung bis 20 km/h erlaubt. Aufgrund des geringeren ­»Systemgewichts« der Kinder samt E-Bike zeige die Erfahrung, dass sowohl Kapazität als auch Unterstützungsgeschwindigkeit für Tagestouren im Allgemeinen ausreichend seien. Optional ist das Ben-E-Bike auch mit 250-Wh-Akku erhältlich. Wer sicher gehen will, dem wird die »Twin Power Option« empfohlen mit einem zweiten 175-Wh-Akku für die Mitnahme im Rucksack.

Technibike

Wie Ben-E-Bike wird auch Technibike in diesem Jahr Eurobike-Premiere feiern. Dabei handelt es sich um ein Schwesterunternehmen des Unterhaltungselektronikers Technisat, das erst 2016 gegründet wurde. Die neue Fahrradsparte will, so die Selbstdarstellung »alltagsfreundliche und klimafreundliche Lösungen für jeden Anlass« bieten. Das soll alles beinhalten, was »smart ist und sich nachhaltig fortbewegt«. Den Anfang machen E-Bikes mit Continental-Antrieb, die den Beginn eines stetig wachsenden Produktportfolios markieren sollen. Fünf Modelle aus den Segmenten Mountainbike, Trekking und City können seit Ende letzten Jahres online gekauft werden. Die Preise bewegen sich zwischen 2899 Euro für das City-Modell und 4999 Euro für das E-Fully.
Die E-Bikes werden auch über einige Elektronikhändler aus dem Netzwerk von Technisat verkauft. Künftig soll der Fokus außer auf dem Online-Vertrieb aber ganz klar auf dem Fahrradfachhandel liegen, wie Tom Specht, seit Anfang März dieses Jahres Vertriebs- und Marketing-Manager bei Technibike, erklärt. »Wir wollen ein flächendeckendes Netz an Servicepunkten für unsere Kunden schaffen.« Die Eurobike soll dazu beitragen, die Händler von Technibike zu überzeugen. »Der bis zu 90Nm starke Continental-Antrieb ist das Zugpferd unseres ersten Produktportfolios«, sagt Specht. Für das Modelljahr 2019 wird in Friedrichshafen ein neues Konzept zum Thema urbane Mobilität vorgestellt. »Die Zusammenarbeit mit Continental bei der Entwicklung unserer ersten E-Bikes war die Basis«, so Specht. »Nun haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, Technibike mit eigenen Entwicklungen auf dem Markt zu etablieren.«
Neben dem Antrieb stellt Continental bei allen aktuellen Modellen auch die Reifen. Zudem sind die fünf E-Bikes allesamt mit Magura-Scheibenbremsen ausgestattet. Während die beiden E-Mountainbikes auf die Sram-GX-11-Schaltung setzen, kommen die Trekking- und City-Modelle mit Shimano Deore. Das City-Rad ist optional mit Riemenantrieb und En­violo-Automatikschaltung erhältlich.
Technibike vertreibt neben der eigenen Marke auch die Fahrräder der englischen Kultmarke Cooper in Deutschland.

Citkar

Auf den ersten Blick ist der Loadster von Citkar eigentlich kein E-Bike. Auf den zweiten Blick auch nicht. Das vierrädrige Gefährt erinnert mit seinem runden Lenkrad und dem Verdeck eher an einen – sehr kleinen – Kleinwagen. Angetrieben wird es jedoch mit Muskelkraft, unterstützt durch einen Elektromotor. Rechtlich gilt der Loadster also als Fahrrad. Führerschein und Zulassung sind nicht erforderlich. Damit sieht sich Citkar, 2013 gegründet, als ein Vorreiter der Verkehrswende. »Unsere Produkte werden im urbanen Umfeld einen wesentlichen Beitrag zu der Vision leisten, die Elon Musk von Tesla schon vor über zehn Jahren hatte: Verbrennungsmotoren werden überflüssig.« So selbstbewusst zeigt sich das Unternehmen auf seiner Homepage.
Citkar wird ebenfalls erstmals auf der Eurobike präsent sein, hat aber schon einige Messauftritte hinter sich. So wurde der Loadster auf der Velo Berlin und der Hannover-Messe präsentiert. Zuvor wurde auf der Startup Cycling im November 2017 in Berlin bereits ein Prototyp gezeigt.
Das Fahrzeug will die Vorteile eines Fahrrads, als das es rechtlich gilt, mit dem Komfort eines Autos kombinieren. »Wir wollen die erste echte Alternative zum Auto bauen«, erklärt der junge Gründer und Erfinder Jonas ­Kremer. »Der Loadster ist komplett wetterunabhängig, hat eine enorme Traglast und schont nachhaltig die Umwelt«, preist er sein Produkt an.
Die Reichweite des 250-Watt-Elektromotors von Brose, der von einem üppigen 1500-Wh-Akku mit Energie versorgt wird, soll bei bis zu 200 Kilo­metern liegen. Von Enviolo (vormals Nuvinci) kommt die stufenlose Automatikschaltung mit einem Übersetzungsbereich von 380 Prozent. Eine integrierte Telematikbox enthält ein Alarm- und Frühwarnsystem und bietet Voraussetzungen für Flottenmanagement und Sharing-Anbieter. Die Telematikdaten können über die dazugehörige Loadster-App ausgewertet werden. Lieferdiensten empfiehlt Citkar beim Loadster eine optional erhältliche, individualisierbare 420-Liter-Box für eine Zuladung von bis zu 300 kg. Das Leergewicht des Fahrzeugs selbst liegt bei rund 60 kg.
Gefertigt wird der Loadster in den Behindertenwerken Berlin. Zahlreiche Vorbestellungen liegen laut Kremer bereits vor. Der Verkaufspreis liegt bei 7128 Euro. Die Auslieferung soll noch 2018 starten. »Wir bauen ein deutschlandweites Direktvertriebsnetz auf und sind dabei, ­flächendeckend Testmöglichkeiten für den ­Loadster zu schaffen. Zudem werden wir auch bei einigen spezialisierten Cargobike-Händlern vertreten sein«, erklärt Kremer. Beim Service setzt Citkar auf den Fahrradfachhandel. »Servicepartner ist die Winora Group. Wer Probleme mit seinem Loadster hat, kann sich künftig also an den nächstgelegenen Winora-Fachhändler wenden«, fügt ­Kremer hinzu.
Neben der Winora Group zählen auch der Bundes­verband Deutsche Startups und die Berliner Agentur für ­Elektromobilität zu den Partnern von Citkar. Zudem hat das junge Unternehmen bereits erfolgreich an Gründerwettbewerben wie dem Entrepreneurship Summit, dem Start2Grow und dem Businessplan-­Wettbewerb Berlin-Brandenburg teilgenommen.

4. Juni 2018 von Oliver Bönig
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