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Service- Predictive Maintenance

Wartung auf Zuruf

Bei heutigen Autos ist Smartness in Sachen Wartung selbstverständlich. Die Warnleuchte in der Anzeige, wenn der Reifen Luft verliert, oder das Zeichen, dass eine Inspektion des Wasserkreislaufs nötig ist. Wie stellen sich Hersteller von E-Bike-Antriebssystemen Predictive Maintenance vor – oder gibt es sie schon?

Bevor man fragt, ob es das schon gibt, muss man natürlich erst einmal erklären, was das überhaupt ist. Aktuell kennt man die »vorausschauende Wartungsstrategie«, so könnte man Predictive Maintenance (PM) übersetzen, vor allem beim Auto. Das Fahrzeug weist aufgrund einer Meldung an sein System allgemein darauf hin, dass ein Werkstattbesuch nötig ist, meldet eine auffällige Abgasanlage oder einen Reifen mit zu wenig Luftdruck. Nirgendwo sonst ist das Thema so umfassend behandelt wie beim Auto. Außer wir sprechen von Preventive Maintenance, das schlicht ähnlich einem Wecker die Zeit oder zurückgelegte Entfernung seit der letzten Wartung registriert und einen Wartungstermin anmahnt. Der Hinweis hat dann nichts mit der tatsächlichen Situation des Fahrzeugs zu tun, sondern verweist auf das ablaufende Service-Intervall.
Derzeit erstrecken sich im E-Bike-Bereich smarte Funktionen vor allem auf Möglichkeiten wie beispielsweise Tracking. Das gestohlene Rad kann wieder aufgefunden werden, weil etwa mittels Tracker sein Standort verfolgt werden kann. Es ist sicher eines der wichtigsten Smart Features für E-Bike-Nutzer und -Nutzerinnen. Natürlich gibt es mittlerweile auch viele andere, die für den Fahrer oder die Fahrerin wichtig sind. So zeigt Bosch mit einem »Herunterschalten« etwa an, wenn eine unergonomische Trittfrequenz vorherrscht. Ein sinnvolles Feature, das relativ einfach bereitgestellt werden kann, weil die Trittfrequenz ohnehin wesentlich zur Unterstützungssteuerung ist.

Viele neue Features

Automatisches, individuell angepasstes Schalten und Range Control, also die Reichweiten-Erwartung aufgrund von Parametern wie Tourbeschaffenheit, Nutzungsprofil und Ähnlichem sind spätestens mit den aktuellen Smart-System-Updates bei Bosch möglich.
Man will aber auch in die PM einsteigen. Mittels Cloud und den zugehörigen Schnittstellen können Fahrverhalten und Nutzungsprofile erfasst und analysiert werden. Aus diesen Daten lassen sich auch individuelle Wartungspläne erstellen, die auf die tatsächliche Nutzung abgestimmt sind. »Damit bilden diese Funktionen die Basis für eine vorausschauende Wartung, die Ausfälle minimiert und die Lebensdauer des E-Bikes verlängern kann«, so Tamara Winograd, Leiterin Marketing und Kommunikation bei Bosch E-Bike Systems. Das E-Bike »lernt von Kilometer zu Kilometer hinzu und wird zum intelligenten Begleiter.« Der Sicherheitsgewinn wäre laut Bosch durch immer stärkere Vernetzung der Daten enorm. Wichtig ist für den deutschen Marktführer, dass der E-Bike-Hersteller mit dem entsprechenden Bosch-System sein Rad komplett digitalisieren kann und keine weiteren Module oder Ähnliches beisteuern muss. Konkret im Einsatz, so muss man allerdings feststellen, ist Predictive Maintenance bei Bosch noch nicht. Wie zitiert bilden die Daten die Basis dafür. Genaue Angaben, wann aus der Ermittlung des Fahrverhaltens, das die Sensorik feststellt, der Rückschluss auf bestimmte Wartungstermine gezogen wird, kann man derzeit leider noch nicht machen.

Batterie, Unfall, Komfort auf jedem Untergrund

Auch bei anderen Antriebsherstellern wird in Ansätzen Predictive Maintenance genutzt. Beim Panasonic-System setzt man auch auf eine verstärkte Überwachung der Batterie. Das Battery Management System, das in Echtzeit Informationen über Ladezustand, Temperatur, Ladezyklen und Spannungsungleichgewichte zwischen den Zellen überwacht, gibt es heute längst, damit hat Panasonic auch kein Alleinstellungsmerkmal. Doch »verbesserte Algorithmen könnten genauer vorhersagen, wann sich die Batteriekapazität verschlechtert oder Zellschäden auftreten könnten, sodass eine präzisere Planung von Austauschintervallen ermöglicht wird«, erklärt Jürgen Haumon, Senior Product Manager bei Panasonic. So könnte der Batteriebetrieb auch im Hinblick auf Aussagen zu Reichweiten und anderen Parametern sicherer und komfortabler werden.


Die Welt der elektrischen Antriebe für Fahrräder entwickelt sich stetig weiter. Durch verbesserte Wartung von E-Bikes dürfte die Zufriedenheit der Kundschaft steigen.

Bei Panasonic arbeitet man zudem an Diensten wie intelligentem Diebstahlschutz, adaptiven Unterstützungsmodi, Unfallerkennung, Wartungsdiagnosen und die Integration von Systemen wie intelligenten Fahrwerken und Schaltungen. Die Effizienz des E-Bikes, die Sicherheit und die Individualisierungsmöglichkeiten würden damit erheblich gesteigert, so Haumon.

Zukunftsmusik mit dem Markteinsteiger

Was ist derzeit wirklich schon machbar in Sachen Vorhersagefähigkeit? Bei Gobao, dem Motorenpartner von Hepha, ist man laut Huan Fu, Leiter Technischer Service Europa, einen Schritt voraus. Das sogenannte Smart Thermal Management soll wichtige Komponenten wie Zahnräder, Lager oder Wicklungen vor Überhitzung schützen und damit die Lebensdauer des Motors verlängern, alles dank spezieller Sensorik. Zusätzlich können Bremskomponenten auf Verschleiß hin überwacht und ebenso das Bremsverhalten des Fahrers oder der Fahrerin erfasst und ausgewertet werden. Auch so kann vorzeitigem Verschleiß vorgebeugt beziehungsweise dieser rechtzeitig erkannt werden. Mit diversen internen Sensoren und bestimmten Algorithmen soll außerdem ein Überspringen von Gängen am Ritzelpaket registriert werden können. Das System analysiert dann, ob die Kassette oder Kette verschlissen sind, und fordert zu einem Service auf. Der Kettenwechsel ist einfacher und günstiger als das Wechseln des ganzen Antriebs. Dazu kommt die Möglichkeit der Erinnerung an festgelegte Wartungstermine.
Unfallerkennung mit Notfallbenachrichtigung, Radar-Warnsystem bei näherkommenden Autos, Licht, das beim Verzögern zum Bremslicht wird oder das automatische Entsperren des Systems bei Annäherung mit der Handy-App sind da fast schon Standard-Features.

»Wir denken, dass ein Unternehmen nicht alles selbst machen kann. Daher ist es wichtig, offen zu sein, um anderen smarten Geräten die Anbindung zu ermöglichen.«

Water Qiu, Bafang

Allerdings sind die Systeme mit diesen weitergehenden Features noch nicht in uns bekannten E-Bike-Modellen eingebaut. Auch Hepha, die einzige Marke auf dem deutschen Markt mit Gobao-Antrieb, bietet derzeit keine echte Predictive Maintenance in ihrem System an – es geht, trotz vorhandener Sensoren, bisher um die Möglichkeiten.

Big Data lässt grüßen

Nochmals zur Theorie dahinter. Auch Alex Thusbass, CEO von Hepha, weist darauf hin, dass die Auswertung von einzelnen Sensoren nur wenige Details zu einer rundum KI-gestützten oder smarten Überwachung eines Systems bieten kann. »Wie am Beispiel der gelängten Kette würde man die Trittkraft durch den Drehmomentsensor, die Schaltvorgänge mit einem Schaltungssensor, die Laufleistung mittels Geschwindigkeitssensor, die Nutzung anhand des Gyrosensors (Bergauffahrten, Schüttelbewegungen) etc. erfassen. Diese Daten würden aber für sich genommen nicht genügen, um eine realistische Aussage zu treffen. Verknüpft man diese Daten, lässt sich ein immer präziseres Bild abschätzen.« So ließen zum Beispiel häufige Schaltvorgänge (1) bei hohem Drehmoment (2) bei Bergauffahrten (3, Gyroskop) zusammen erst Rückschlüsse auf den Nutzungstyp und die tatsächliche Belastung der Kette zu. Das bedeutet also, dass erst die Vernetzung der einzelnen Sensoren beziehungsweise ihrer Auswertung, die in Zukunft immer mehr KI-gesteuert ist, die volle Breite der smarten Möglichkeiten eröffnen wird.

Offen für Neues

Auf einen besonderen Gesichtspunkt des Themas hebt man bei der E-Bike-Systemabteilung von Bafang ab. Water Qiu, Marketing Manager von Bafang Electric erklärt, dass für den Hersteller eines offenen Systems vor allem die Bereitstellung der Schnittstellen wichtig ist. Für die Mittelmotor-Systeme von Bafang gibt es beispielsweise Schnittstellen für die elektronische Schaltung, ABS oder das IoT-Funktionen (Internet of Things). »Wir denken, dass ein Unternehmen nicht alles selbst machen kann. Daher ist es wichtig, offen zu sein, um anderen smarten Geräten die Anbindung zu ermöglichen, was Vorteile für den Kunden, den Händler und die Fahrradmarke bietet«, so Qiu. Das E-Bike ist unabhängig davon für Bafang ein Teil des Smart Homes. Es würde immer und unaufhaltsam intelligenter. Er verweist auf die kürzlich vorgestellte Auto-Shift-Technologie, die Nabenschaltung und -motor, aber auch den Mittelmotor umfasst. Das ist zwar kein Feature der Predictive Maintenance, aber ein Beispiel für smarte Kommunikation innerhalb eines Antriebssystems. So ist im Hinterradmotor H700 ein Zweigang-Nabengetriebe integriert, das automatisch schaltet und beim internen Gangwechsel das Material, also vor allem Kette und Ritzel, schont. Ähnlich, aber kombiniert mit dem M210-Mittelmotor-System, arbeitet die neue G300A-3-Gang-Automatiknabe in Verbindung mit dem M210-Mittelmotor oder die nächsthöhere 5-Gang-Automatik. Das ist vielleicht keine Predictive Maintenance, die auf unerwartete Entwicklungen reagieren kann, aber doch Preventive Maintenance, indem man Verschleiß vermindert.

Schöne neue Wartungswelt?

Viele Daten lassen sich heute schon in der Systemsteuerung sammeln beziehungsweise werden in der Cloud gesammelt und sind für den Fahrradhersteller heute schon abruf- und auswertbar. Die Frage ist, was man mit diesen Daten macht, wie man sie zusammenbringt und für wen man sie aufbereitet. Predictive Maintenance wäre neben den vielen Möglichkeiten, die sich den Herstellern dadurch bieten, eine sehr sinnvolle Verwendung. Mehr Sicherheit und mehr Zuverlässigkeit durch Digitalisierung des Rads auch aufseiten der Radfahrer und Radfahrerinnen hilft nicht nur diesen, es könnte auch dem Handel vieles erleichtern. Zudem stellt es das E-Bike hier auf eine Stufe mit dem Auto. Auch das ist ein Fakt, der dem Fahrrad wie der Mobilitätswende weiterhelfen würde. //

28. Januar 2025 von Georg Bleicher

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