9 Minuten Lesedauer
Ein stilgerechter Austragungsort, wenn es um Lifestyle geht.
i

Cycling World in Düsseldorf

Wellness on Wheels

Die 2017er Premiere der Cyclingworld 2017 war vielversprechend, man durfte auf die neue Ausgabe gespannt sein: Kann die Messe die Sympathiepunkte der Premiere beim Publikum verteidigen? Wird Düsseldorf wirklich Standort einer wichtigen Lifestyle-Radmesse? Trägt Lifestyle überhaupt als Basis für eine Messe, wo Design im Fahrradbereich so lange egal war? Nach der CWD am zweiten April-Wochenende kann man diese Fragen nur mit

Ein stilgerechter Austragungsort, wenn es um Lifestyle geht.Stajvelo aus Monaco:Cargonaut - ein Quereinsteiger in die FahrradbrancheDüsenspeed - eine Schweizer EntwicklungUpcycling - neues Leben für alte RäderSwett - Carbon-Renner aus HollandRemember - ein neues Kleid für das Fahrrad

„Ja“ beantworten: Laut den Messemachern Stefan Maly und Thorsten Abels war es gelungen, die Ausstellerzahlen um satte 66 Prozent von 120 auf 200 zu erhöhen. Das Konzept war das gleiche: Hersteller und Marken mit Affinität zu Design und Lifestyle, keine feste thematische Unterteilung des Angebots in einzelne Bereiche, E-Bikes und Räder stehen neben Rädern ohne Unterstützung, alles ist luftig, eher Boutique-mäßig aufgezogen. Es gibt keine engen Gänge, alles lädt, eher zum Verweilen ein. Im Vergleich zur klassischen Messelocation – vergleiche etwa Eurobike – spielt hier auch der Wohlfühlfaktor eine große Rolle. Und der wird durch die Location deutlich mitbestimmt. Die Schmiedehalle des Areal Böhler in Düsseldorf Lörick, jetzt mit den zusätzlichen gut 3.000 Quadratmeter der angrenzenden Kaltstahlhalle, ist ein stilgerechter Austragungsort, wenn es um Lifestyle geht – und um die Möglichkeiten, die die nun etwa 12.000 Quadratmeter boten.

Der Testparcours im alten Industriegelände und die zwei Offroad-Strecken machten aus der Messe eine echte Ausprobier- und Genussmesse. Mitmachen. Schließlich fand auch wieder ein gut frequentiertes Crossrennen statt, und zusammen mit dem Düsseldorfer Radladen Schicke Mütze als Partner wurde eine Rennrad-Ausfahrt inklusive gesponserter Kaffeepause angeboten. Dazu kamen um die 30 Veranstaltungen vom Fahrtechnik-Schnupperkurs über Bike Fitting bis hin zu Filmsessions und Reisevorträgen. Und was passt zur Kunst- und Modestadt Düsseldorf besser als das Thema Design? So konnte die Messe um die 15.000 Besucher anlocken, was fast eine Verdoppelung zu letztem Jahr darstellte. Gefühlt war es zwar nicht wirklich deutlich mehr als bei der Premiere, durch die größere Anlage und der stark genutzten Teststrecken dürften sich die Besucher aber auch besser verteilt haben. Angesichts des Frühlings- beziehungsweise Sommerwetter an beiden Tagen jedenfalls ein tolles Ergebnis.

Hightech-Schmieden und Innovationsoasen

Verschiedenste Themen und Produkte einfach nebeneinander zu setzen erwies sich auch diesmal als sehr wirkungsvoll. Natürlich werden dadurch Besucher verleitet, alle Stände zu streifen und keinen Hallenteil auszulassen. Am Stajvelo RV01 aus Monaco kam bestimmt jeder vorbei, und nicht wenige dürften stehen geblieben sein: Vorgestellt wird ein integrativ angelegtes E-Bike mit dem neuen Conti-Antrieb, das weitgehend aus Kunststoff aus dem klassischen Formguss-Verfahren aufgebaut ist – vom kompletten Rahmen, dessen „Oberrohr“ einfach abgeschraubt werden kann, um einen tiefen Einstieg zu erreichen, bis hin zu den Laufrädern, die den Look klassischer Auto-Sportfelgen haben. Die Räder sind einseitig aufgehängt, was schnelle Demontage ermöglichen soll – damit schielt man auf den Heimatmarkt, wo einfaches Zerlegen für die Mitnahme auf Yachten zählt, wie Enrico Vercesi von Stajvelo anmerkte. Der Kunststoff, den man haptisch etwa mit Fischertechnik-Verbindungsstreben vergleichen könnte, soll durch den speziellen Aufbau die nötige Steifigkeit erreichen und natürlich recyclebar sein. Das Rad soll Ende Juni in Serie gehen. Hersteller ist – man kann es fast erraten – ein Unternehmen aus der Automotive-Branche. Man strebt nur fünf bis zehn Händlerstandpunkte für Europa an, der Listenpreis soll bei 7.000 Euro liegen. Stajvelo.com

Ein paar Stände weiter ein Lastenrad wie aus einem Science-Fiction. Cargonaut ist ein Label von Ophardt, einem Unternehmen, das ebenfalls aus dem Kunststoff- und Aluminium-Bereich kommt. Ophardt stellt Hygieneprodukte wie Seifenspender und Papierhandtuchhalter aus Leichtmetall her. Den Dreh zur E-Mobilität will das bereits alteingesessene Issumer Unternehmen mit dem Cargonaut-Geschäftsführer Heiko Lange und einem Lastenrad bekommen, an dem nicht nur der Rahmen, sondern auch viele Details aus eigenen Entwicklung kommen. Bremsen fand man im Roller-Bereich, selbst der Akku ist bis auf die Zellen selbst entwickelt. 48 Volt, große Wattstundenleistungen der Akkus und bis zu 2.000 Watt Motorleistung sollen auch bei satten 68 Kilogramm Gesamtgewicht vernünftige Reichweiten generieren. Dazu schaffen die verwendeten Batterien bis zu 3.000 Ladezyklen. Im September soll die S-Pedelec-Prüfung für den Cargonaut durch sein, ein 25er hat man in der Mache. Auch wenn man als sehr spezieller Aussteller für viele Besucher durch das Raster fällt, fühlte man sich bei Ophardt auf der Cycling World durchaus gut aufgehoben – am Stand lobte man die vielen interessierten Besuchernachfragen und den großen Andrang auf der Messe. Facebook.com/cargonautbike

Ähnlich futuristisch, aber von vorn bis hinten durch-designt erscheint Düsenspeed – verschiedene E-Bike-Modelle von Gerhard Weber. Der Schweizer Entwickler packt bis zu vier Akkus in seine Modelle, die es in drei unterschiedlichen Ausführungen als Pedelec 25, 45er und E-Motorrad gibt. Letzteres besticht durch den Maxon-Bikedrive-Motor im Heck und einer angegebenen Beschleunigung von etwa 6 Sekunden auf 80 Stundenkilometer. Nicht nur in der Formgebung, auch beim Material geht Weber eigene Wege; so macht er die Composite-Rahmen nicht nur selbst, er setzt dem Carbon auch noch verschiedene, teils nicht genannte Materialien zu, um eine höhere Steifigkeit zu erhalten. www.duesentrieb.de .

Doch wer auf die Cyclingworld geht, erwartet auch klassisches Design. Wie etwa Räder von Upcycling. Das Kölner Unternehmen kauft Bikes aus den 70ern und 80ern auf, restauriert die Rahmen und verhilft ihnen mit stilechten Komponenten wieder zu neuem Leben. Auch als Wunschrad: Der Kunde bestimmt, beraten von den Machern, wie sein klassischer Renner oder das Fixie aussehen soll. Ein Trend, der den Upcyclern nicht nur auf der Messe viele Besucher beschert. „Wir finden es hier super“, so die Jungs aus dem Kölner Westen zur Düsseldorfer Messe. www.upcycles-wunschrad.de

Ganz neu, aber mit ebenfalls hohem Qualitäts- und vor allem Design-Anspruch gemacht sind die Rennräder des Holländers Peter Paul Zalm. Er arbeitet mit unterschiedlichen Carbon-Rahmenherstellern zusammen und kann so verschiedene Renner auf Custom-Made-Basis anbieten. Die Marke: Swett. Zu ihm kommen Kunden, die ganz besonderen Wert auf Design und eine individuelle Lackierung legen – auf einem Rahmen, der technisch State of the Art ist. Die Komponenten sind frei wählbar. Sein kleiner Stand in der zweiten, kleineren Halle der Cyclingworld zeigt einige Spitzenmodelle, die den Freund von auffallenden Farben Adrenalinstöße bereiten können. Und, für Zalm ganz wichtig: Ich arbeite nicht mit Online-Shops. „So ein Traumrad muss in gemütlicher Atmosphäre bei Cappuchino oder einem Wein konzipiert werden! Als einer der wenigen Aussteller zeigte sich Zalm allerdings tendenziell enttäuscht vom Interesse der Messebesucher. www.swettcycles.com

Vielleicht mag es mit dem Thema Carbon-Rennrad auf der Design-Messe zusammenhängen, vielleicht aber auch mit dem Standort zweite Halle. Sie bot nicht nur auf den ersten Blick weniger Designorientierung und Hippness als die große Haupthalle: Wer durch den Übergang direkt aus der boutique-mäßigen Haupthalle kam, stand plötzlich vor einem großen, grellgelben, eng mit Rädern voll geparkten Stadler-Stand. Das passte dann doch nicht so in das Prinzip „Design und Lifestyle“, das von den Messemachern propagiert wird. Umgekehrt ging das gut: Christian Wulff, Mitarbeiter vom Stadler-Stand: „Also wir fühlen uns hier durchaus sehr wohl und freuen uns, auf der Cyclingworld zu sein!“

Wieviel Lifestyle wirklich im Kommen ist, zeigen auch zwei kleine Marken, die sich ganz der optischen Wirkung des Rads verschrieben haben: Da ist Happarel Bicycles, die stark reflektierende Klebestreifen für den Fahrradrahmen verkaufen: Da gibt es einzelne Aufkleber-Sets, etwa mit Decals in Logo-Größe, aber auch ganze Kits, die lange Streifen enthalten, die den ganzen Rahmen bedecken können. Bei Dunkelheit auffallen und auch noch schick unterwegs sein, so die Devise. http://happarelbicycles.berlin .

Mehr noch den Design-Faktor im Kopf hat man bei Remember. Die selbstklebende Folie Radkleid gibt’s in 14 verschiedenen Designs. Mit ihnen lassen sich unzählige verschiedene Rahmen-/Gabel-Optiken kreieren. „Wieso denn gleich ein neues Rad kaufen? Lieber 20 Euro in unsere Folie investieren, und ein völlig neuer Look entsteht – und du machst den auch noch individuell für dich. Remember ist nur im Fahrradbereich ein Newcomer: Als Lieferant für Design-Accessoires und u.a. Zulieferer für Einrichtungshäuser, aber auch als Hersteller von Dekorfolien ist jede Menge Erfahrung mit Bekleben und Verschönern vorhanden.

Kaum Händlerkontakte

Wer hier auf viele Händlerkontakte hoffte, wie Remember-Geschäftsführer Ingo Fremer, wurde aber enttäuscht. „Das Publikum ist sehr interessiert, wir suchen aber besonders Händlerkontakte. Und das passiert hier eher wenig.“ www.remember.de/Fahrrad/RadKleid/
Grundsätzlich war man aber auch in der Kaltstahl-Halle zufrieden – sowohl mit dem Besucherandrang als auch mit dem Interesse des Publikums an den Produkten und Ideen.

Die 200 Aussteller, so hatte die Messeleitung verkündet, kämen aus 20 Ländern gekommen und sind damit noch internationaler als letztes Jahr. Kein Wunder, dass laut Erzählungen von Ausstellern Mitarbeiter der Berliner Fahrradschau die Stände abklapperten und versuchten, interessante Aussteller für die BFS 2019 abzugraben ...
Schwalbe-Chef Frank Bohle schlenderte übrigens mit seiner Frau „privat“ über die Messe und sicher auch mal bei seinem Mitarbeitern am Schwalbe-Stand vorbei. Er fand die Messe „ganz fantastisch“, und war daher froh, nach später Entscheidung kurz vor knapp noch einen kleine Fläche bekommen zu haben.

10. April 2018 von Georg Bleicher
Velobiz Plus
Die Kommentare sind nur
für unsere Abonnenten sichtbar.
Jahres-Abo
115 € pro Jahr
  • 12 Monate Zugriff auf alle Inhalte von velobiz.de
  • täglicher Newsletter mit Brancheninfos
  • 10 Ausgaben des exklusiven velobiz.de Magazins
Jetzt freischalten
30-Tage-Zugang
Einmalig 19 €
  • 30 Tage Zugriff auf alle Inhalte von velobiz.de
  • täglicher Newsletter mit Brancheninfos
Jetzt freischalten
Sie sind bereits Abonnent?
Zum Login