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Aussichtsreicher Job: Die Radl­Retter im Einsatz in Regensburg
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Report - Mobile Werkstätten

Werkstatt to go

Wegen eines platten Reifens in die Werkstatt? Dafür wollen sich viele keine Zeit nehmen. Eine Lösung könnten mobile Fahrrad-Reparaturservices sein. Doch was können sie überhaupt leisten – und sind sie eine Gefahr für stationäre Werkstattangebote?

Schon ein kleiner Schaden am Fahrrad kann einen großen Aufwand bedeuten: Bike in die Werkstatt bringen, warten bis man dran ist, ein paar Tage später das Rad wieder abholen. Eine ziemliche Hürde für viele, in einer Zeit, in der alle chronisch gestresst von Termin zu Termin hetzen. Wäre es da nicht toll, wenn die Werkstatt einfach zu einem nach Hause oder ins Büro käme? Genau diese Idee steckt hinter mobilen Fahrrad-Reparaturservices, die es immer häufiger zu geben scheint. So sind zum Beispiel allein die Dienste Veloyo und Life Cycle in fünf deutschen Städten präsent. Der niederländische Anbieter Get Bike Service kommt in Deutschland bereits auf sechs Standorte. Dazu kommen Dutzende Klein- und Kleinstunternehmen wie die »RadlRetter« in Regensburg, die Berliner »RadAmbulanz« und »Dienstrad« oder »Fahrrad-Technik« in Hamburg.
Letztere hat Stephan Röper gegründet, nachdem er vor vier Jahren seine Anteile an einem klassischen Fahrradladen verkauft und sich ein Jahr lang Zeit genommen hatte, zu überlegen, was er nun machen wollte. Röpers Schritt vom stationären in den mobilen Werkstattdienst war ein bewusster: »Ich habe mir Gedanken gemacht, was in den nächsten zehn bis 15 Jahren benötigt wird«, erklärt er. Und dabei ist ihm bewusst geworden, dass immer mehr Menschen ihre Fahrräder im Internet kaufen, die Reparaturen aber gleichzeitig immer schlechter werden. Wenn ein Versender-Rad in einer stationären Werkstatt überhaupt angenommen wird.

Vorteil für Versender?

Das ist mit ein Grund, warum beispielsweise Versender Canyon Bicycles sich aktiv bemüht, Kooperationen mit mobilen Fahrrad-Reparaturservices zu schließen. »Für uns steht bei allem, was wir tun, das Bedürfnis unserer Kunden im Mittelpunkt. Deshalb begrüßen wir es nicht nur, dass mit Anbietern wie etwa Get Bike Service oder Live Cycle zusätzliche Optionen für einen bedarfsgerechten Service zur Verfügung stehen, sondern wir haben aktiv Gespräche gesucht«, sagt Thorsten Lewandowski, Global Communications Manager bei Canyon in Koblenz. Dort gibt es zwar eine eigene Reparaturwerkstatt, doch um deren Angebot nutzen zu können, müssen die Velo-Besitzer ihr Gefährt einsenden. Das heißt, das Rad lässt sich eine gewisse Zeit lang nicht nutzen. Bei ausschließlich sportlich eingesetzten Bikes mag das lediglich ärgerlich sein. Bei Pendler-Rädern kann es zum echten »Fortbewegungsproblem« werden. Besonders in ländlicheren Gebieten.
Das Fahrradhaus Langbehn in Wedel hat deshalb einige Ersatzräder, die die Kunden bekommen, wenn eine Reparatur mal länger brauchen sollte. Was aber selten vorkommt. Neben der stationären Werkstatt, bietet das Fahrradhaus auch zweimal wöchentlich einen Abhol- und Bringservice für Räder an. »Hier in der Gegend leben viele ältere Menschen, für sie ist das ideal«, sagt Benita Wesselhoeft, die seit Anfang des Jahres dort arbeitet. Die meisten brächten ihre Räder jedoch persönlich vorbei – und die werden schnell und versiert bedient, egal, ob sie das Bike bei Langbehn oder einem Versender gekauft haben.

Service als Start-up

Die RadlRetter in Regensburg sehen Kooperationen mit Versendern generell als interessante Option. Auch sie haben bereits Kunden, die ihr Fahrrad online gekauft haben und durch den mobilen Service reparieren oder überhaupt erst zusammenbauen haben lassen. Hauptsächlich kommen aber E-Biker und Stadtradler mit platten Reifen oder Problemen an Bremse, Licht oder Gangschaltung zu Margarethe Schneider, Fabian Schultes und Christian Wenzl, deren Idee so gut angenommen wurde, dass die drei Gründer nicht nur den Start-up-Wettbewerb »5-Euro-Business« des Bildungswerks der Bayerischen Wirtschaft an den Regensburger Hoch­schulen gewannen, sondern sich aufgrund der hohen Nachfrage schon mit RadlRetter selbstständig gemacht hatten, bevor der Sieger feststand. Warum? Für Margarethe Schneider ein klarer Fall: »Durch uns sparen sich die Menschen Zeit und Mühe, weil wir vorbeikommen, um kaputte Räder direkt vor Ort zu reparieren.« Termine lassen sich online buchen (auch über die Unternehmens-Facebook-Seite oder per WhatsApp). Es gibt eine Garantie, dass die RadlRetter innerhalb der nächsten 48 Stunden vorbeikommen. Komfort gewinnt auch, wenn es um den Drahtesel geht.

Komfort mit Kilometergeld

Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) geht sogar noch einen Schritt weiter und betrachtet mobile Fahrrad-Reparaturservices als logische Entwicklung im Zeitalter des Online-Handels: »Es ist nur konsequent, wenn auch Fahrradreparaturen bestellt werden können, um das Leben von Radfahrenden so zu erleichtern«, ist der stellvertretende Pressesprecher René Filippek überzeugt.
Aus Verbrauchersicht sind mobile Fahrrad-Reparaturservices attraktiv. Allerdings gibt es auch hier Grenzen. Und an die stoßen viele mobile Player schneller als ihre stationären Pendants: So ist zum Beispiel die Anzahl an möglichen Kundenterminen pro Tag begrenzt, da Zeit für die Anfahrt anfällt. Finanziell lässt sich das zwar durch eine Anfahrtspauschale entschärfen, die bei den RadlRettern fünf Euro beträgt, zuzüglich einer Kilometerpauschale von 1,60 pro Kilometer, bei DienstRad Berlin 20 Euro und bei Röpers FahrradTechnik je nach Entfernung zwischen neun und 55 Euro. Aber dadurch bekommt der Tag auch nicht mehr Stunden.
Die Pauschale macht zudem den Service als solchen teurer. Selbst, wenn »wir uns für die Reparaturen auf dem gleichen Preisniveau bewegen wie unsere Mitbewerber mit lokalen Werkstätten«, wie RadlRetterin Margarethe Schneider betont. »Gerade, wenn sich mehrere mobile Services ein Stadtgebiet teilen, kommt es irgendwann zum Preiskampf. Dann stellt sich die Frage, wie lange sich so ein Angebot noch lohnt«, glaubt Robert Karrasch-Weeslhoeft, der in Hamburg den Laden Pirate Bikes betreibt und vor 15 Jahren selbst mit dem Gedanken gespielt hat, einen mobilen Service anzubieten. »Damals war das aber noch nicht erlaubt«, sagt er. Inzwischen ist er ganz froh, dass die Leute zu ihm kommen und nicht umgekehrt, dennoch sieht er für beide Konzepte eine Berechtigung: »Wer einen Platten nicht selbst reparieren kann, für den sind mobile Services optimal. Bei einem Kunden im Wohnzimmer eine High-end-Rennradgabel zuzuschneiden, ist aber meiner Meinung nach nicht die beste Idee.«

Ausstattung und Radius: beschränkt

Dazu kommt: In eine mobile Fahrradwerkstatt passt niemals ein so umfangreiches Sortiment an Ersatzteilen und Werkzeugen wie in eine stationäre: »Wenn weniger gängige Ersatzteile benötigt werden oder ein Diagnose-Computer für ein Elektrorad, wird manche mobile Werkstatt an ihre Grenzen kommen«, glaubt ADFC-Mann Filippek. Das gilt auch dann, wenn die Mobilen, wie es gängige Praxis ist, mit dem Transporter und nicht, wie es konsequent und umweltfreundlich wäre, mit dem Lastenrad zum Kunden fahren. Zwar, so schätzt Filippek, führen Kunden mit kaputtem Rad in der Regel auch mit dem Auto zur Fahrradwerkstatt, sodass die Klimabilanz ungefähr gleichbleiben dürfte. Dennoch »wäre es aus ökologischer Sicht vorteilhaft, wenn sie nicht mit dem Transporter unterwegs wären.« Auf einer Gesamtfläche von 755,2 Quadratkilometern wie Hamburg sie hat, wäre Stephan Röper aber ganz schön am Kurbeln, wenn er seine Kunden mit dem Bike besuchen würde. Auch so hat der Einzelkämpfer schon einiges damit zu tun, seine Routen so zu legen, dass er nicht ständig von einem Ende der Hansestadt ans andere pendeln muss. Perfekt für ihn seien Verpflichtungen von großen Firmen wie Tchibo oder Carlsberg, sagt er. Hier hat er nur eine Anfahrt, aber jede Menge Fahrräder zu warten. Ein Geschäftsbereich, der bei ihm immer besser läuft und immer stärker nachgefragt wird. In seinem dritten Jahr als mobiler Anbieter rechnet sich das Unternehmen und er kann davon leben.
Berlin ist mit 892 Quadratkilometern zwar noch größer als Hamburg, Ulrich Christ von DienstRad und Norbert Winkelmann von der Radambulanz fahren trotzdem mit dem Rad zu ihren Kunden. Winkelmann hat dafür sogar ein eigenes Transportfahrrad mit integriertem Montageständer und Koffer entworfen, in dem er Werkzeuge und Ersatzteile transportieren kann. Sie möchten, so schreibt Winkelmann auf seiner Webseite, »als mobile CO2-freie Dienstleister ein gutes Vorbild sein, dass man das Fahrrad auch als Arbeitsgerät einsetzen kann.« Ein hehrer Vorsatz. Aber wie rechnet sich das? Ganz einfach indem sie kooperieren. Miteinander und mit einem ganzen Netzwerk an Kollegen in der Hauptstadt. Meist ebenfalls mit mobilen Anbietern, aber durchaus auch mit stationären. Norbert Winkelmann empfiehlt Kundinnen und Kunden, die ihr Rad »wegbringen« möchten, beispielsweise an stationäre Fahrradläden weiter. Ähnlich sieht es mit den RadlRettern aus. Sie kooperieren mit einer lokalen Werkstatt in Regensburg. »Wir sehen uns gegenseitig nicht als Konkurrenz«, beschreibt Margarethe Schneider die Situation. »Stattdessen empfehlen sie uns weiter, wenn Kunden eine Abholung des Fahrrads wünschen und wir sie, wenn wir Schäden nicht mobil reparieren können, da beispielsweise spezielles Werkzeug benötigt wird, welches wir nicht mit dem Fahrrad transportieren können.«

Genügend Platz für alle

Pirate-Bikes-Chef Karrasch-Wesselhoeft betrachtet die mobilen Services ebenfalls als etwas, das gut neben dem stationären Handel existieren kann: »Wenn jemand gute Qualität abliefert, ist es egal, ob er das in einer stationären oder mobilen Werkstatt macht«, ist er überzeugt. Ähnlich entspannt sieht es Tino Zieger, Besitzer von Elbbikes, einem klassischen Fahrradladen samt Werkstatt in Pirna. Er sieht die mobilen Anbieter nicht als Konkurrenz, sondern würde solch einen Service in seinem Landstrich sogar begrüßen: »Hier in unserer Touristenregion würde das absolut Sinn machen«, meint er. »Und ein mobiler Service würde die Kunden vielleicht auch wieder einen Schritt in die richtige Richtung holen. Weg von den großen Mega-Läden ohne Flair und Kompetenz. Lokal leben und kaufen eben.«
Dass es überhaupt ein Thema ist, dass der stationäre Handel in mobilen Werkstattangeboten eine Bedrohung sieht bzw. sehen könnte, interpretiert Thorsten Lewandowski als Zeichen dafür, dass hier ein Bedürfnis befriedigt wird, um das sich bisher niemand gekümmert hat: »Wenn dem nicht so wäre, stellten mobile Services keine Konkurrenz, weil keine gefragte Alternative, dar«, schlussfolgert er und Elbbike-Gründer Tino ­Zieger fügt hinzu: »Wenn ein stationärer Laden nicht läuft, ist das weniger ein Problem der Konkurrenz durch mobile Anbieter, sondern ein generelles Problem unserer Zeit. Als Radladen muss man offen sein für alle Kunden.« Und dabei ist es egal, ob der Kunde zur Werkstatt kommt, oder die Werkstatt zum Kunden.

2. Dezember 2019 von Carola Felchner
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