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Kickstarter eröffnet auch ambitionierten Amateuren neue Geschäftsmodelle
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Report - Online-Trends

Die digitale Welt von Morgen

Das Online-Karussell dreht sich schneller und schneller. Nicht jeden Trend und jede verrückte Idee muss man mitmachen. Doch ein Blick über den Tellerrand der Branche öffnet die Augen für das, was kommen wird oder längst da ist.

Warum Sie in Ihrem Laden kostenloses WLAN anbieten sollten«. So lautet die Überschrift eines Trendberichts vom britischen Marketing-Nachrichtendienst eConsultancy. Hinter der provokanten These steckt die simple Erkenntnis, dass das Rad der Zeit nicht mehr zurückzudrehen ist. Kunden werden ihr Smartphone benutzen, um Ihre Preise im Web zu vergleichen. Und da sie es sowieso tun werden, ist es besser, wenn sie das im Laden tun, denn dann steigt die Verweildauer und somit die Wahrscheinlichkeit von Spontankäufen. Außerdem haben Sie die Chance zu reagieren, wenn ein Produkt im Internet günstiger zu finden ist. Sie können den höheren Preis zum Beispiel mit einem kostenlosen Service-Check zum nächsten Saisonstart rechtfertigen. Kundenbindung par excellence.

Konvergenz

Die Akzeptanz der digitalen Realität und die Nutzbarmachung im Laden gehört zu den Megatrends im Handel in den nächsten Jahren. Die großen Flagship-Stores rüsten massiv mit Technik auf, um ihre Nutzer zu begeistern. Modehändler Burberrys etwa stattet seine Verkaufsetiketten mit RFID-Chips aus. Nimmt der Kunden ein bestimmtes Produkt aus dem Regal, erscheint genau zu diesem Produkt ein passendes Video auf dem großen Bildschirm.
Das edle Modelabel Alexander McQueen bietet digitale Touch-Tische an, auf denen der Kunde einen Katalog von Produkten gemütlich durchblättern kann. Gefällt ihm ein Produkt, schiebt er es mit lässiger Fingerbewegung auf den Großbildschirm an der Wand und schon läuft das Model los und präsentiert ihm virtuell sein Wunschstück.
Der Trend zur Konvergenz der Kanäle, also zu deren Annäherung untereinander, setzt sich fort. Das gilt nicht nur für den direkten Verkaufsprozess, sondern auch für die Onlinewerbung. Die Wirkung von TV-Spots wird in Zukunft per Webanalyse gemessen. Löst der Spot zusätzliche Google-Suchen aus? Oder kommen die User direkt auf meine Site?
Ikea hat schon 2013 damit begonnen, den omnipräsenten Katalog online zu verzahnen, die Schnittstelle bildet eine Smartphone-App. Im neuen Katalog, der Ende August erscheint, wird dieser Ansatz weiterentwickelt sein. Dort lassen sich Möbel mithilfe der Smartphone-Kamera virtuell in jedem beliebigen Raum platzieren.
Der Ansatz ist gut, in der Umsetzung hapert es aber noch an ein paar Stellen. Die Handlungsaufforderungen zur digitalen Interaktion im Katalog fallen ziemlich dürftig aus. Man wird den Eindruck nicht los, als konkurrieren da zwei Abteilungen im Unternehmen um die Gunst des Kunden.

Social Media

Neben der Konvergenz der Medien und Kanäle so ist auch Social Media zwar kein neuer Trend, aber eben einer, der sich weiterentwickeln wird. Social Media ist überall. Es legt sich wie ein kommunikativer Transmissionsriemen unter jeden Prozess. So erhalten zum Beispiel Online-Shopper die Wahl, ob sie Produkte kaufen, nur weiterempfehlen oder kaufen und dann weiterempfehlen wollen. Auf den allermeisten Bestellbestätigungsseiten fehlt derzeit noch die Möglichkeit der sozialen Weiterleitung. Der Design-Shop Fab fährt hier eine sehr aggressive Strategie: Wenn man Fab empfiehlt und einer der Freunde kauft dort ein, winken 25 Euro Provision.
Ein weiteres Beispiel für diesen Trend zeigen fast zeitgleich Wayfair und Amazon. Beide setzen in ihren Shops eine neue Form der Merkliste ein. Bei Wayfair funktioniert sie ähnlich wie Pinterest: Man kann Bilder, Texte oder Videos, die man in der Site findet, auf die persönliche Pinwand ziehen, die als Fußleiste beim Browsen zu sehen ist. Dieses »Board« lässt sich auch in seiner Gänze auf Social Media weiterleiten. Bei Amazon hingegen symbolisiert ein schnöder Button unter dem Produktfoto, dass man eine »Collection« anlegen kann. Wo die Collection über eine Merkliste hinausgeht, verrät der Dienst bisher noch nicht.
Dass Verkaufen über die sozialen Netzwerke ein kompliziertes Unterfangen ist, weiß die Branche spätestens seit dem Flop des Facebook-Stores von Fahrrad.de. Es geht wohl eher um pointiert eingesetzte Angebote, die zum Beispiel mit limitierter Stückzahl verkauft werden. Genau für diesen Zweck wurde Stipple erfunden. Stipple ermöglicht, dass man ein Verkaufsangebot direkt in einem Bild platziert. Es wird erst sichtbar, wenn der Nutzer mit der Maus über ein bestimmtes Icon rollt. Der besondere Charme liegt darin, dass alle anderen Nutzer einfach nur ein schönes Produktfoto sehen, ohne störenden »Kauf-Mich«-Befehl.

Online Marketing

Stipple ist also Marketing und Shop in einem. Bislang funktioniert die Integration in Facebook, eventuell kommt die Zuckerberg-Company aber auf die Idee, etwas Ähnliches selbst zu machen.
Bis dahin ist Facebook gut mit seiner jüngsten Neuerung beschäftigt, der Graph Search. Die wird das Online-Marketing im Verlauf des nächsten Jahres in Atem halten. Zunächst gilt es herauszufinden, welche Faktoren das Ranking beeinflussen, etwa bei der Suche nach dem »Restaurant in der Nähe«.
Heiko Eckert, Online-Marketingleiter bei MyTheresa erwartet, dass Facebook dort auch Anzeigenformate wie Adwords einspielen wird. In der alten Suche war das auch möglich, doch kann die neue, leistungsfähigere Suche weitaus feiner zielgerichtet eingesetzt werden.
Und noch etwas erwartet der Münchner: Microsofts Suchmaschine Bing wird im Fahrwasser der Facebook-Suche eine Aufwertung erfahren. Anfragen, die Facebook intern nicht beantworten kann, leitet man an Bing weiter. Bings Anzeigen werden dabei ausgeblendet, also wird das vor allem die Suchmaschinenoptimierer betreffen.
Natürlich darf Google nicht fehlen, wenn es um Online-Marketing geht. Die Bedeutung von Google+ wird weiter zunehmen, zumal sich Google gerade Snapseed geschnappt hat, einen Instagram-Konkurrenten. Das wird das Thema Bildbearbeitung auf Google+ weiter stärken.
Aus Sicht der Unternehmen gilt es, ein Hauptaugenmerk auf den Author-Rank zu werfen. Wo immer es Experten im Unternehmen gibt: Sie müssen bevorzugt behandelt werden. Sie benötigen Blogs, sie müssen in Medien erscheinen und sie kommentieren fröhlich in Social Media. Wie ernst Google das Thema Expertise nimmt, zeigt sich an einem semi-geheimen aktuellen Projekt. Unter dem Codenamen Helpout baut Google gerade eine Plattform, in der jeder Experte sein Wissen per Videokonferenz vermarkten kann. Das gibt es schon bei LiveNinja oder PowWow, doch Googles Marketing-Power hat keiner etwas entgegenzusetzen. Für den Fahrrad-Experten könnte das bedeuten, dass man Reparaturhilfe oder Trainingstipps auf diesem Weg im gesamten deutschsprachigen Raum vermarktet.

Massenphänomene

Natürlich begibt man sich auf einer solchen Plattform in den Wettbewerb mit kenntnisreichen Hobbyfahrern und -schraubern. Ganz klar: Helpout ist nicht nur für die bestehenden Profis gedacht, sondern soll vor allem Talent aus der Masse schöpfen, indem der Marktzugang extrem vereinfacht wird.
Um einen vereinfachten Marktzugang geht es freilich auch beim Thema Crowdfunding. Wer eine gute Idee hat und eine Zielgruppe dazu, der kann auf dieser Plattform praktisch jedes Projekt lostreten. Vom Buch über die Video-Übertragung einer Rad-Weltreise bis hin zum unternehmerischen Geschäftsmodell. Zielgruppe baut man sich wiederum als Themenexperte zum Beispiel über einen Blog auf.
Gemeinsam mit dieser Zielgruppe teilt man sich das unternehmerische Risiko und – wenn es gut läuft – auch den Gewinn. Eine profundere Form der »Markterforschung« kann es wohl kaum geben, da die »Befragten« tatsächlich ihr Portemonnaie aufmachen sollen. Soeben hat beispielsweise der in Chicago ansässige Thomas Smafield 10.000 US-Dollar eingesammelt, um damit ein Fahrradwerkzeug zur Serienreife weiterzuentwickeln.
Aus Sicht der Hersteller wird voraussichtlich das Thema Mass Customization ein Comeback finden. Die Herausforderung besteht darin, den Produktionsprozess in einen Serien-Teil und einen individuellen Teil zu trennen. Nur in letzterem findet die Personalisierung statt. Das muss nicht in einem individuellen Produkt münden
Eine Reihe von Anbietern macht derzeit mit der Personalisierung von Fahrradtrikots von sich reden. Allerdings sind die Preismodelle für das erste Stück meistens zu teuer. Etablierte Personalisierer wie Spreadshirt bieten möglicherweise schlechtere Qualität aber zu einem Drittel des Preises. Eventuell bringt hier auch 3D-Druck den nächsten Schub. Die Entwickler von Trek nutzen 3D-Druck bereits für das Herstellen von Prototypen. Und EADS hat mit dem AirBike gleich ein ganzes Rad gedruckt. Aus Nylon.

17. August 2013 von Frank Puscher
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