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Schön, schnell, originell
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Report - Trends 2013

Schön, schnell, originell

E-Bike hin oder her, die Stimmung schwankt derzeit zwischen Euphorie und Ernüchterung. Dabei gibt es in jedem Bereich Trends und Neuerungen, die dem Markt Schub für die nächste Saison bringen könnten – man muss in der diesjährigen Vorschau nur etwas genauer gucken.

Als erstes fällt immer die Optik auf: Radfahren wird noch schicker und kultiger. In Radl-Hauptstädten wie München oder Berlin ein Trend, der vor einiger Zeit eher »von unten« angestoßen wurde: Stichwort Singlespeed und Fixie. Auch wenn sich die Technik – aus verschiedenen Gründen möchte mancher wohl sagen, zum Glück – nicht breit durchgesetzt hat, der starke Fokus auf die Optik macht in Zukunft einen großen Teil der Anziehungskraft des Fahrrads aus.
Der Begriff des Cycle Chic macht immer mehr die Runde. Merke: Nicht nur die Idee besserer Verkehrswege kommt aus Kopenhagen. Auch die Idee, dass Fahrradfahren schick ist und Bike wie Biker entsprechend auftreten, ist im hohen Norden bereits viel stärker umgesetzt: Der Begriff ist lifestylig, und deshalb wie so oft nicht genau definiert. Klar ist: Was sich in diesem Jahr schon abzeichnete, wird 2013 verstärkt zum Einsatz kommen. Das sind zum Beispiel minimalistische Bikes mit Nabenschaltung – die Singlespeeder scheinen auf dem Rückzug, was Brancheninsider sicher nicht verwundert, geht der Lifestyle-Aspekt doch mit einer tatsächlich stärkeren Nutzung des Fahrrads einher. Das zeigt jetzt auch öfter die Ausstattung. Der Gates-Antrieb etwa passt bestens zum aufgeräumten Design, wie zum Beispiel am Bergamont Sweep MGN EQ zu sehen ist: mattschwarze Rahmen, kombinierte Schutzblech-Gepäckträgereinheit, Scheibenbremsen, 11-Gang-Alfine, gehobene Beleuchtungsanlage mit Nabendynamo, Centertrack-Gates-Riemen. Der Kunde wird etwa 1700 EUR dafür zahlen müssen. Tim Huppertz, Marketing-Manager bei Bergamont bestätigt: »Wir sehen den Urban- und Chic-Trend immer noch als langfristige oder gar dauerhafte Sache an. Schließlich ist er nicht nur eine optische Erscheinung, sondern eingebettet in die allgemeine Stimmung pro Rad; außerdem erwarten wir, dass der E-Bike-Trend auch wieder mehr Leute aufs normale Rad bringt.«
Auch bei Kettler, wo der City-Sektor traditionell einen großen Stellenwert einnimmt, ist man sich sicher: »Cycle Chic ist der Trend der Zukunft. Besitzer von Lifestyle-Bikes sind Individualisten, die sich von der Masse abheben wollen«, erklärt Produktmanager Mike Dietz. »Mit dem Berlin Royal haben wir deshalb 2012 auch ein Lifestyle-Bike speziell für Männer.« Und das will vor allem mit minimalistischem Auftritt überzeugen, Reifen in Rahmenfarbe und einer optisch schön integrierten kleinen Trägerlösung, ebenfalls in Rahmenfarbe. Wie es sich gehört, wenn Menschen aus Lifestyle-Gründen aufs Fahrrad steigen, wird hinten mit Rücktritt gebremst.
Ähnlich beim Triple X von Giant; hier setzt man radschutzfrei auf Schönwetterfahrer und Minimalausstattung, der Clou ist der Retro-Federsattel, der das kontrastierende hellbraune i-Tüpfelchen zum mattschwarzen Rahmen liefert.

Ab und zu Strukturwandel

Wem das zu viel Äußerlichkeit ist, der kann sich von Hard Facts und strukturellen Faktoren leiten lassen: Gerade hat sich der 29-Zoll-Mountainbike-Bereich über die letzen beiden Jahre etabliert, da scheint sich weitere Differenzierung in Sachen Reifengrößen anzubahnen. Vor allem auch, weil sich der MTB-Bereich von den Einsatzgebieten über die Jahre extrem ausdifferenziert hat. Cannondale reagiert 2013 darauf mit der eigenen neuen Produktkategorie Over Mountain, die sich selbst wiederum in drei Sektoren zergliedert. Marketing oder Funktion? Das neue Modell Trigger etwa aus dem Cross-Mountain-Sektor soll jedenfalls den ambitionierten Cross-Bereich abdecken als auch in den All-Mountain-Bereich hineinschnuppern. Mit 120 beziehungsweise 70 Millimeter Federweg und der klassischen Cross-Country-Sitzposition durchaus vorstellbar. Inwiefern hier tatsächlich wieder etwas zusammenwächst, was eigentlich zusammengehört, wird sich zeigen.
Grundsätzlich findet sich im Fahrgestell-Sektor durchaus neue Technik, die für Begehrlichkeiten bei der Kundschaft und entsprechend für einen echten Trend sorgen könnte: die automatische Anpassung der Dämpfer-Elemente über ein elektronisches System etwa. Vom Federungshersteller Rock Shox und Marken der Accell-Gruppe zusammen entwickelt, soll das E:I Shock für jeden Untergrund in Echtzeit die richtige Einstellung zur Verfügung stellen. Vorgestellt wird auf der Eurobike unter anderem das Ghost E:I Shock. Über Sensoren am Tauchrohr der Federgabel und am Gabelkopf wird von einer CPU die Differenz bestimmt, die quasi den Untergrund erkennt und über ein festgelegtes Programm den Dämpfer entsprechend reagieren lässt, erklärt Ghost-Entwickler Volker Ackermann. Ein zusätzlicher Bewegungssensor reagiert auf Pedalbewegung vorwärts. Wird nicht getreten – etwa im Sprung – ist das System in Automatikstellung grundsätzlich offen. Etwa eine zehntel Sekunde braucht das System, um den Dämpfer einzustellen. Die Elektronik wird von einem kleinen Akku gespeist, der mit einer Ladung etwa 25 Stunden
arbeitet.
Am Display des Trelock-Computers mit den üblichen Tacho-Anzeigen wird abgelesen, ob man mit einem vorher gewählten Dämpfer-Programm (Lock, Medium oder Open) unterwegs ist oder die Vollautomatik den Dämpfer-Job machen lässt. Eingestellt wird das jeweilige Programm einfach per Taste neben dem Lenkergriff.

Schneller schalten

Immer mehr wird auch elektrisch geschaltet: So kommt von Shimano nun die elektrifizierte Dura Ace Di2 mit Elffach-Kranz und zahlreichen Detailverbesserungen. Der Akku kann jetzt optional im Rahmen »versteckt« werden.
Interessanter ist, dass Schalten per Strom auch in die Urban-Linie fließt: Acht- und Elfgang-Alfine sind also als OEM-Produkte auch elektrisch zu schalten. In der Praxis bedeutet das zunächst mehr Schaltkomfort: Es muss zum Schalten praktisch kaum mehr Hebelkraft aufgewendet werden, der Schaltvorgang läuft schneller und direkter ab, ein Verschalten ist praktisch nicht mehr möglich. Wichtiger dürfte allerdings sein, dass keine mechanische Abnutzung oder Korrosion den Schaltvorgang im Laufe der Zeit erschwert, es müssen keine abgenutzten Züge ausgetauscht werden. Und nicht zuletzt sieht der Kunde nicht nur die konkreten Vorteile der elektrischen Schaltung: Auch das High-Tech-Image ist es, was diese Schaltung interessant für den Kunden macht. Und das ist im Bereich City- und Tourenrad derzeit viel Wert, denn die Konzentration auf das E-Bike zieht viel Aufmerksamkeit vom Fahrrad ab.
Deshalb macht man sich auch bei SRAM um den Otto-Normalbiker verdient, wenn der Komponenten-Hersteller jetzt nach dem Motto »weniger ist mehr« mit der 2x10-Technologie kommt. Dabei war der Zugang für SRAM eigentlich »logisch«: »Zwei-Kettenblatt-Technologie ist derzeit im Mountainbike-Bereich wie beim Rennrad State of the Art«, so Tobias Eberhard, Marketing-Mann bei SRAM, »wieso nicht auch bei den Trekking­radlern?« Die Vorteile liegen laut Unternehmen auf der Hand: »Je nach großem Kettenblatt vorn ergibt sich eine Entfaltung wie bei einem Dreifach-Satz. Und er kann alle Gänge schalten und muss auf den Kettenlauf keine Rücksicht nehmen. Auch der Kettenschutz ist leichter zu bewerkstelligen. Nicht zu vergessen: Via spart Gewicht!« Bis zu 500 Gramm sollen es bei der Via GT sein, die man gegenüber dem Dreifach-System spart. Die GT ist die hochwertigere Gruppe, die etwa auf X9-Niveau liegt, das Einsteiger-Modell nennt sich Via Centro. Grundsätzlich dürfte das System je nach Einsatzgebiet dank 10-fach-Ritzelsatz eine sinnvolle Neuerung für viele Trekkingbiker und Tourer sein.

Das besondere Bike 2013

Exoten rücken heute dank mehr allgemeiner Aufmerksamkeit für Rad und E-Bike stärker in die öffentliche Wahrnehmung. Da gibt es ausgefallene Rahmenmaterialien wie Holz oder Bambus. So wurde kürzlich beim Brandnew-Wettbewerb der Ispo Bike der Hersteller Zuribikes als bester Newcomer prämiert – sein Rad hat einen Bambus-Rahmen. Neben dem Flair des Besonderen und dem natürlichen Rahmenmaterial trifft hier auch der Nachhaltigkeitsfaktor des Produkts auf fruchtbaren Boden. Ein Faktor, bei dem ein anderer interessanter Exot nicht punkten kann: Christian Häuplers Rad Arcus ist aus Eschenholz und Carbon in Sandwichweise hergestellt. Aus 17 Lagen dieser beiden Werkstoffe ist der Rahmen geformt. Auffällig seine Form: zwei wellenartige Züge bilden Ober- und Unterrohr, das Sitzrohr fehlt. Technisch sicher kein schlechter Gedanke. Die Stabilität des Rahmens hat der gelernte Schreiner bei einem 24-Stunden Rennen testen lassen. Funktion ist aber nicht alles: »Das ist einfach ein richtiges Lifestyle-Produkt«, erklärt Häupler, der das Rad in verschiedenen Versionen, zum Beispiel auch als Fitnessbike unter 9 Kilo, anbietet. Durch Rahmenform und Sandwich-Verfahren ist das Rad komfortabler als gewöhnliche, ungefederte Alu-Produkte. »Man kann den Komfort-Effekt in etwa mit Blattfedern beim Lkw vergleichen«, so Häupler. Was Recycling und damit Nachhaltigkeit dieser Synthese aus Natur und Kunststoff anbelangt, ist das interessante Produkt aber leider nicht auf Höhe der Zeit.
Allerdings kommt man bei aller Exotik, die sich gelegentlich ins Blickfeld drängt, nicht um die These herum, dass das normale, nicht unterstütze Fahrrad in Zeiten der Elektromobilität wenig Aufmerksamkeit erfährt; nicht nur von Seiten der Öffentlichkeit, sondern auch von der Industrie. Selbst die Aufmerksamkeit für den Spezialrad-Bereich ohne Unterstützung hat scheinbar nachgelassen. Allerdings bietet sich hier eine Ausstattung mit E-Antrieb besonders an. So bringt etwa Liegeradspezialist HP Velotechnik 2013 mit dem Liege-Dreirad Scorpion fs 26 ein vollgefedertes Pedelec in der 45-Stundenkilometer-Liga. Die hohe Geschwindigkeit steht laut Hersteller auf besonders sicheren Rädern, schließlich stammt die Fahrwerkstechnik aus dem Automobilbau: McPherson-Federbeine und Stabilisatoren an der Vorderachse sorgen – wie schon bei den motorlosen Scorpions – für sicheren Lauf und geringe Seitenneigung in Kurven. Neben der Bionx-Motorausstattung, die auch mit 250 statt 500 Watt zu haben ist und dann bis 25 Stundenkilometer unterstützt, kennzeichnet das neue Scorpion-Modell ein 26-Zoll-Hinterrad, das für noch mehr Laufruhe sorgen soll. Wie schon das klassische Scorpion ist der 26-Zöller für den einfachen Transport faltbar.

Spannung im E-Bike-Bereich

Und elektrisch boomt weiter, die Hersteller arbeiten jetzt auch aktiv daran: In der nächsten Saison werden überraschend viele neue Pedelec-Motoren an den Start gehen.
Winora etwa hat mit seinem Partner TranzX einen neuen Mittelmotor entwickelt. 250 Watt Nenn- und 400 Watt Maximalleistung bringt der neue, der zunächst vor allem in Winoras Family-Line zum Einsatz kommen wird. Die Kapazität der Akkus richtet sich nach dem Einsatz; wählbar sind drei Varianten von 316 bis satte 469 Wattstunden, was für bis zu 120 Kilometer reichen soll. Oder eben für ausgiebige Touren mit Anhänger im Schlepp, was grundsätzlich wesentlich höhere Kapazität erfordert als der Normal-Betrieb. Natürlich hat man hier auch die Zeichen der Zeit erkannt und bietet den Antrieb im Laufe des nächsten Jahres mit Rücktrittbremse an; diese Variante wird dann vor allem in den Comfort-Modellen des Herstellers zum Einsatz kommen.
Auf einen bestimmten Motortyp festlegen – auch wenn das sicher kostentechnische Fortschritte mit sich bringt – will man sich nicht, so Sven Bernhardt von Winora. »Jeder Antrieb hat für uns seinen eigenen Reiz«, erklärt er. »Vom Komfort her kann auch ein Vorderrad-Motor sinnvoll sein, der Hinterrad-Nabenmotor kann für sportliche Varianten besser sein.«
Aber auch der Bosch-Motor mit höherer Wattleistung kommt voraussichtlich im 45-er Bereich bei Winora zum Einsatz: In der schon bestehenden Xduro-E-Mountainbike-Gruppe der Schweinfurter wird es ein schnelles geländegängiges Rad von der Schwestermarke Haibike geben, ebenso ein S-Pedelec im EQ-Trekking-Bereich.

Schneller, weiter, stärker

Die Epo-Modelle von Cube (Electric Performance Optimizer) werden 2013 schnellen Zuwachs bekommen: Das 45 km/h schnelle EPO Nature 45 geht voll ausgestattet an den Start. Die Motorentechnik (Go Swissdrive) und Elektronik sollen laut Produktmanager Jonathan Herget auf höchstem Stand sein: »Es herrscht maximal mögliche Kommunikation zwischen Motor, Steuerung und Akku, da wird nichts mehr dem Zufall überlassen.« Der Akku selbst sitzt entsprechend des typischen Cube-Designs in der Sattelstütze mit länglichem Querschnitt. Immer mehr Anbieter wagen den Sprung zur schnellen Klasse – und damit zu den aufwendigen Zulassungsverfahren. »Das ist immer noch sehr komplex, an manchen Stellen wissen selbst die Behörden nicht, was angesagt ist und was nicht«, so Herget. Bei Cube, die mit dem TÜV Süd zusammenarbeiteten, lief das Verfahren allerdings relativ problemlos ab, sodass das schnelle Epo XX wirklich zur nächsten Saison ausgeliefert werden könne. Zu einer mit Spannung erwarteten Neuentwicklung wollte man sich noch nicht weiter äußern. Doch der bereits auf der letztjährigen IAA als Prototyp vorgestellte Mittelmotor-Bolide von Brose-SEW könnte trotzdem 2013 in Serie gehen.
Einen neuen Heckmotor stellen auch KTM und Panasonic für die sportlichen Modelle der Österreicher vor. Stefan Limbrunner, Marketing-Chef der Marke kündigt zwei Offroader und zwei Trekkingräder sowie einen Crosser mit dem neuen Antrieb an. »Für uns bedeutet Mittelmotor so etwas wie Kompaktklasse; der Heckmotor steht für dynamisch und sportiv.« Entsprechend soll der neue bis zu 40 Newtonmeter Drehmoment an die Hinterachse liefern, dabei aber kleiner sein als die bisherigen Heckmotor-Konzepte. Das liegt auch daran, dass die Elektronik weitgehend in der Akku-Aufnahmeschiene versteckt wurde. Ein Trick, der auch gegen allzu heftige Erwärmung bei hoher Leistungsabgabe hilft. Die 46,8 Volt des Systems ergeben mit 8,8 Amperestunden des Akkus satte 412 Wattstunden. Noch eine Neuerung: Der Rekuperations-Modus kann in
drei verschiedenen Stufen eingestellt
werden.
Die Beispiele zeigen: Das unterstütze Fahrrad hat noch eine Menge Entwicklung und Ausdifferenzierung vor sich. Es kommt darauf an, das Potenzial zu nutzen.

27. Juli 2012 von Georg Bleicher
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