FIT-Technology
Flyer stellt Branchen-Konventionen in Frage
Vergangene Woche hat Biketec die Prototypen der schnellen U-Serie und des E-Mountainbikes Uproc7 an der Eurobike enthüllt. Die neuen Flyer sind für das Frühjahr 2016 angekündigt und bringen frischen Wind ins Angebot des Elektrovelo-Pioniers. Mit den beiden Modellen führt Flyer den frisch entwickelten Panasonic Motor, eine neue Akku-Generation und die "Flyer Intelligent Technology" -kurz FIT- ein.
Der im Unterrohr integrierte Akku ist mit der neuentwickelten 4Ah-Zellentechnologie bestückt. Die einzelnen Rundzellen sind großvolumiger und können daher anders befüllt werden. Mit 432Wh könnte der Akku den Premium-Käufern im aktuellen Marktumfeld vielleicht etwas schmalbrüstig erscheinen, laut Flyer besteht bezüglich Kapazität aber noch Potential. Die neue Zellentechnologie wurde von Panasonic-Tochter Sanyo entwickelt, bei Elektrovelos wird sie von Flyer vorerst exklusiv eingesetzt. Laut Flyer konnte erstmals direkt mit den Akku-Entwicklern zusammen an einen Tisch gesessen werden, um die eigenen Bedürfnisse an eine Elektrovelo-Batterie anzumelden.
Mit der FIT-Technologie hat sich Flyer eine ausbaufähige Elektronik-Architektur geschaffen, mit der neben dem Motor verschiedenste elektronische Komponenten miteinander verbunden und gesteuert werden können, um das Fahrerlebnis und den Nutzen für den E-Radler zu verbessern.
Einzigartiger Einfluss auf Steuerung
Der Schweizer Elektrovelohersteller ist damit nicht mehr davon abhängig, was Panasonic umsetzen kann, sondern er kann selber diejenigen Komponenten einbinden, die ihm für seine Fahrzeuge eine Nutzen ergeben. Als erste Funktionen hat Flyer Höhen-, und Temperaturmessung, einen Sensor, welcher vor dem ausgeklappten Ständer warnt und den neuen Supernova Scheinwerfer, welcher seinen Lichtkegel der Geschwindigkeit anpasst zusammen mit dem Panasonic-Antrieb in ihre neuen Elektrovelos integriert. Diese Features deuten an, was noch alles möglich sein könnte: Navigation, Diebstahlschutz, Schaltung, Fahrsicherheitsfunktionen bis hin zu anderen Motoren, welche ohne ein anders Display nutzen zu müssen, verbaut werden können. Flyer hat mit dem "FIT" die Möglichkeit, die von ihnen bevorzugten, marktführenden Komponenten in ihr Elektrovelo zusammen zu führen und aufeinander abzustimmen.
Das große Ding am "FIT" ist aber, dass die Huttwiler für das System Zutritt zu der Software-Steuerung ihres japanischen Motorenlieferanten Panasonic erhalten haben. Bislang verkauften die Japaner, wie die anderen großen Elektroantriebshersteller Bosch, Shimano, Yamaha, ihren Antrieb nur als strikte geschlossenes System. Damit waren die Funktionen und der Look des Displays fest vorgegeben, mit der Hermetik konnten die Motoren-Hersteller aber auch die Zuverlässigkeit sicherstellen. Flyer ist es offenbar gelungen, den qualitätsbewussten japanischen Konzern davon zu überzeugen, dass die Vorteile größer sind als die Risiken, wenn sie einen Teilbereich der Entwicklung an ihrem Motorensystem aus der Hand geben. Für Flyer bietet sich daraus die Möglichkeit, einzigartige Produkte zu entwickeln und dennoch auf die bewährte Technik eines erfahrenen Zulieferers zurückgreifen zu können.
Siebenstelliges Entwicklungsbudget
Einen solchen Schritt muss man auch zu stemmen vermögen: Biketec hat in das Projekt rund eine Million CHF investiert. Alleine für das FIT-System arbeitet in Huttwil unterdessen ein Team von fünf Software-Ingenieuren. Ivica Durdevic, CTO (Chief Technology Officer) von Biketec, bezeichnet die Entwicklung als weiteren Meilenstein für den Schweizer E-Bike-Pionier und ist überzeugt, dass sich die Investitionen für das Unternehmen auszahlen werden. „Wir integrieren selbst marktführende Komponenten und können diese so verzahnen, dass sie miteinander kommunizieren und harmonisieren.“ Für Flyer ist "FIT" der Schritt vom System-Monteur hin zum Fahrzeugbauer. In dieser Liga spielen bei den Branchengrößen im Moment sonst nur der Deutsche Derby-Konzern (Kalkhoff, Raleigh, Univega, Focus), bei etwas kleineren Stückzahlen noch Stromer und der Global Player Specialized.
Antriebspremiere von Großserien-Hersteller
Die dritte große Neuerung an den Flyer Prototypen ist die neue Panasonic-Motoren-Generation mit integriertem, elektronisch geschaltetem Zweigang-Getriebe. Damit ist ein größeres Gangspektrum als bei den üblichen Mittelmotoren möglich, sei es um in der Eben auf gutes Tempo zu kommen, oder am Berg die Steigfähigkeit zu verbessern. Neben dem italienischen Newcomer Neox unter der Leitung des früheren Flyer-Kadermanns Gianni Mazzeo, deren Mittelmotor sogar über ein Achtgang-Getriebe verfügt, ist Panasonic derzeit der einzige Hersteller, der Schaltung und Motor serienmäßig integriert.
Konkurrenz für klassische Komponentenhersteller?
Der bürstenlose Motor hat eine Nennleistung von 350 Watt, das maximale Drehmoment am Hinterrad wird mit 95 Newtonmeter angegeben. Das Zweigang-Getriebe übersetzt von 1 zu 1.415 und erweitert damit das Gangspektrum um die 40%. Die neue Panasonic Motoren-Generation wirft die Frage auf, ob die Motorenhersteller in Zukunft die Schaltung am Elektrovelo nicht gerade selber herstellen und so den komplette Antriebsstrang kontrollieren und optimieren können. Shimano zielt mit dem Steps-Motor in dieselbe Richtung, behält aber die physische Trennung von Motor und Schaltung noch bei. Dass Konzerne wie Panasonic, aber auch Bosch oder Yamaha technisch in der Lage sind, ein Getriebe in den Mittelmotor zu integrieren, steht außer Zweifel. Der Kampf zwischen den traditionellen Fahrrad-Schaltungsherstellern und den Elektroantriebshersteller um die Gänge am E-Bike ist lanciert.
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