Kurzausflug in die Historie
125 Jahre Victoria: Von der Hochradmontage bis zur e-Rad-Sparte
Die von den Radsportlern Frankenburger und Ottenstein im Jahr 1886 in Nürnberg gegründete Marke ist auch heute, 125 Jahre nach der Montage ihres ersten Hochrades, bestens mit der Herstellung von Fahrrädern vertraut. Ende des 19. Jahrhunderts galten diese als das Transportmittel neben Kutschen und Pferden. Was damals mit 20 Angestellten startete, sollte sich im Laufe bis zur Jahrhundertwende rasch vergrößern. Bereits 1890 war ein Umzug in eine eigene Fabrikhalle notwendig, kurze Zeit später der damalige Produktionshöchststand von weit über 11.000 Fahrrädern erreicht. Die große Beliebtheit der Produkte lag in deren hoher Qualität, für die die VICTORIA Fahrradwerke, später VICTORIA Werke AG, schon damals standen.
Neben Hoch- und Dreirädern wurden ab 1901 die so genannten und heute geläufigen „Niederräder“ hergestellt. Teils motorisiert fuhren diese für damalige Verhältnisse bis zu unglaubliche 40 km/h schnell. In Verbindung mit den oftmals bescheidenen Straßenbeschaffenheiten war der Respekt vor diesen Leistungen verständlicherweise groß. Point of Sale einmal anders: um diese Ängste zu nehmen, wurde in Nürnberg das VICTORIA Velodrom gebaut, ein Rundkurs, der den Neukunden das Erlernen des Radfahrens auf abgesperrtem Terrain ermöglichte.
Mit der zunehmenden Modellvielfalt - das Programm umfasste mittlerweile neben dem für militärische Zwecke konzipierten „Jagdrad“, auch Automobile, wie dem bei Landärzten beliebten „Doktor´s Cabriolet“ - bestanden die Modellbezeichnungen aus Zahlen oder den ersten Namen, wie dem 1907 eingeführten Fahrrad-Grundmodell „Preciosa“. Nach dem Ende des ersten Weltkrieges präsentierte VICTORIA mit der „KR I“ das erste große Motorrad. Die Nachfolgemodelle „KR III“ und „KR VI“, waren speziell bei der Nürnberger Polizei, weiteren Behörden sowie den städtischen Gaswerken beliebt. Parallel dazu nahm der Erfolg der Fahrräder weiter zu, 1926 wurden bereits über 27.000 Stück verkauft, 1939 waren es schon knapp 50.000 sowie rund 10.000 motorisierte Fahrräder wie die „V 38 Saxonette“ mit 60 ccm Hinterradmotor.
Zerstörung während des 2. Weltkriegs
In der Zeit des zweiten Weltkrieges war die Produktion an Zivilrädern weitestgehend heruntergefahren, es wurden überwiegend leicht modifizierte Serienmaschinen für die Wehrmacht in mattgrauer Lackierung gefertigt. Nach Kriegsende waren die Werkshallen nahezu vollständig zerstört, es kam zu einem Neuanfang in Nürnberg mit 28 Angestellten.
Zu diesem Neuanfang zählte auch das Modell „Vicky“, das sich in den nun folgenden Wirtschaftswunderzeiten zu einem echten Erfolg entwickeln sollte. Der Start erfolgte mit der „Vicky I“, einem normalen Fahrrad, das mit einem 38 ccm kleinem Hilfsmotor und einem Tank für das Benzin/Öl-Gemisch zwischen dem Hinterradschutzblech und dem Gepäckträger ausgestattet war. Die Präsentation auf dem Genfer Salon in der Schweiz war ein Riesenerfolg, spontan lagen 50 Bestellungen vor, was sicherlich auch am damals attraktiven Startpreis von 390 Reichsmark lag.
Die „Vicky I“ erfüllte in den ersten Nachkriegsjahren die Ansprüche an ein Beförderungs- und Transportmittel zur Genüge. Doch mit der Zeit stiegen die Ansprüche: war man nach Kriegsende noch mit einem einfachen Fahrrad zufrieden, wurde der Wunsch nach einer kräftigeren Motorisierung und somit einem Moped, das keinem Fahrrad mehr glich, lauter. Als Nachfolgemodell wurde 1953 die nicht weniger erfolgreiche „Vicky II“ auf den Markt gebracht, die allerdings nur eine Zwischenstation war: erst die „Vicky III“, die von 1954 bis 1955 produziert wurde und den neuen, drehfreudigeren 47 ccm Motor besaß, brachte mit der gefälligen Form, der modernen Technik und der guten Handlichkeit den Durchbruch. Weitere Varianten und Ausbaustufen folgten, die „Vicky L“ mit zweifarbiger Lackierung entwickelte sich zum Prestigeobjekt, das mit über 40.000 verkauften Exemplaren nicht nur den Geschmack der Jugend traf.
Doch auch unmotorisierte Fahrräder wurden nach Kriegsende wieder produziert. War die Produktion aufgrund von Materialknappheiten anfangs noch sehr eingeschränkt möglich, steigerte sich die Produktivität nach und nach und sollte zur besten Einnahmequelle werden. Aus Marketinggründen wurde auf die damals beliebten „Steher-Rennen“ gesetzt, bei denen zahlreiche Erfolge gefeiert werden konnten.
Dass die Radfahrklientel seinerzeit eher konservativ war, zeigte der Versuch, die „Vicky II“ als reines Fahrrad auf den Markt zu bringen, was allerdings an der laut damaliger Händlerumfrage „zu modernen Rahmenform“ nicht umgesetzt werden konnte.
Weitere namhafte Modelle wie der Mopedroller „Nicky“, der von 1954 bis 1958 gefertigt wurde, die Wiederauflage der „Preciosa“ 1957 oder die „Avanti“, VICTORIA´s Antwort auf die beliebten Sportmopeds aus Italien mit schmalem Rennlenker, straffer Federung und Tank-Sitzkombination, sorgten für weitere Unternehmenserfolge in den 50er Jahren.
Doch die für VICTORIA goldene Zeit Mitte des vergangenen Jahrhunderts sollte nicht ewig währen und es kam 1958 zur Fusion mit Express und DKW zur Zweirad-Union. Der Grund lag allseits in dramatisch sinkenden Fahrrad-Verkaufszahlen, was auch bei VICTORIA nicht durch den Verkauf der Moped-Modelle ausgeglichen werden konnte. Dort lebte die „Vicky“-Linie nur noch kurze Zeit weiter, bevor die Zweirad- Union 1966 von der Nürnberger Hercules Werke GmbH übernommen wurde und der Name VICTORIA endgültig verschwand.
Neustart bei Hartje
Einen Neustart erlebte die Marke am 30.10.1995. Die Hermann Hartje KG erwarb die Namensrechte von Hercules und nahm die Produktion zum Modelljahr 1997 mit insgesamt 14 City- und Trekking-Fahrrädern wieder auf. Aus dieser Zeit stammt auch die heute noch geläufige Namensgebung der Modelle mit Städte- oder Inselnamen. Die Wiederbelebung wurde 2005 mit der Programmerweiterung um e-Räder und 2010 mit der Einführung des Fachhandelskonzeptes e-Punkt weiter abgerundet. 2011 steht somit nicht nur im Zeichen einer traditionsreichen und bewegten Geschichte sondern auch für den Aufschwung, den die Marke seit nunmehr 16 Jahren unter dem HARTJE Dach erfährt.
Aktuell umfasst die VICTORIA Modellpalette nicht weniger als 37 Fahrräder und 28 e-Räder. Anlässlich des Jubiläums sind ab sofort vier Jubiläums-City/Trekkingmodelle „125 Jahre VICTORIA“ sowie ein Jubiläums-e-Rad erhältlich. Letzteres, „Vicky e“ genannt, erinnert optisch wie namentlich an die erfolgreiche Zeit aus den 1950er Jahren, nicht aber technisch. Hier trumpft es mit modernstem PANTERA ED2-EX 4 Mode-Antrieb und der brandneuen und stufenlos zu schaltenden NU VINCI „N360“ Nabe auf. Dieser Fingerzeig in die Moderne verdeutlicht, dass VICTORIA als Traditionshersteller auch künftig den aktuellen Stand der Technik bereithalten wird um gut aufgestellt in die nächsten, vielleicht sogar 125 Jahre zu gehen.
Verknüpfte Firmen abonnieren
für unsere Abonnenten sichtbar.