Trends - E-Bike-Antriebe
2014 wird das Jahr der nächsten Generationen
Das nennt man wohl einen Auftakt nach Maß: 2011 hat Bosch seine ersten E-Bike-Antriebe ausgeliefert; gerademal zwei Jahre später sieht sich der Elektronikkonzern mit 50 Marken, die Bosch-Systeme verbauen, bereits als Marktführer in Europa. Eine Selbsteinschätzung, der in Fachkreisen kaum jemand widersprechen mag.
Doch schon bereits bei der ersten Präsentation des Bosch-Systems im Sommer 2010 sagten die Entwickler der in Reutlingen beheimateten E-Bike-Sparte, dass der ganz große Wurf erst mit der zweiten Antriebsgeneration käme. Was bei Bosch damals nur angedeutet wurde, hat nun in Form der neuen Linien Active und Performance das Licht der Öffentlichkeit erblickt.
Bereits die Optik der neuen Antriebsgeneration zeigt, dass hier mehr als nur ein paar kosmetische Änderungen vorgenommen wurden. Während die als »Drive Unit Cruise« vermarktete, bisherige Version häufig noch wie ein Fremdkörper am E-Bike wirkte, integriert sich die neue 2014er-Generation nun deutlich eleganter ins Rahmendesign. Große Änderungen gibt es aber auch unter dem Kunststoffkleid des Motors, wie beispielsweise Ralf Dreher, E-Bike-Produktmanager bei Hartje, zu berichten weiß: »Bosch verfolgt technisch mit der neuen Antriebsgeneration einen völlig neuen Ansatz.« Ein internes Getriebe übersetzt nun die Motorleistung im Verhältnis 1 : 2,5. Dadurch wird vorne nur noch ein Kettenblatt mit 16 bis 20 Zähnen benötigt. »Das verspricht mehr Effizienz beim Energieverbrauch, ist aber für die E-Bike-Hersteller auch eine konstruktive Herausforderung«, berichtet Dreher. Damit die Kette bei kleiner Zähnezahl vorne nicht an der Kettenstrebe schleift, müssten Fahrradhersteller einige konstruktive Kniffe anwenden. Mit einer Rahmengeometrie von der Stange sei das jedenfalls nicht zu machen, so der Hartje-Mann.
Trotz einiger Hausaufgaben, die mit der neuen Bosch-Generation auf die E-Bike-Hersteller zukommen, zweifelt in Branchenkreisen jedoch kaum jemand, dass auch die neuen Antriebe aus Reutlingen wieder ein Verkaufsschlager werden. »Das neue System ist technisch ausgezeichnet, bietet hohes Drehmoment und kennt keine Probleme mit Überhitzung«, beschreibt etwa Christian Seitner, Produktmanager bei KTM, die Stärken des Bosch-Antriebs. »Bosch versucht, künftig alles abzudecken«, beschreibt der KTM-Entwickler die neue Zielsetzung.
Mitbewerber wachen auf
Die Tage, in denen Bosch im Premiumsegment relativ unbehelligt von Mitbewerbern, agieren konnte, dürften 2014 gezählt sein. Dabei tauchen auch einige Namen wieder auf, die in der E-Bike-Szene schon fast in Vergessenheit geraten waren. Wie etwa der japanische Technologiekonzern Yamaha, der 2014 mit E-Bike-Antrieben beispielsweise in den Modelllinien von Winora und Giant eine Renaissance feiert. Dem Mittelmotorkonzept der Japaner wird von Winora-Sprecher Sven Bernhardt ein sensibles Ansprechverhalten attestiert, das durchaus an das Niveau von Bosch heranreiche. Und bei Giant lobt man zudem das Verhältnis von geringem Gewicht (3,5 kg) und hohem Drehmonent (60 Nm) des Yamaha-Mittelmotors, der unter der vielversprechenden Bezeichnung »Next Generation« vermarktet wird. »Die neuen Yamaha-Modellreihen mit ihrem hochintegrierten Antrieb und der höchsten spezifischen Leistung sind ein neuer Meilenstein in der Entwicklung von E-Bikes«, lobt jedenfalls Oliver Hensche von Giant Deutschland das neue Yamaha-System.
Doch auch andere traditionsreiche Namen im E-Bike-Business haben eine treue Fangemeinde. Wie beispielsweise der austro-kanadische Antriebshersteller BionX. Allen technischen Problemen der jüngeren Vergangenheit zum Trotz wird BionX beispielsweise von KTM-Mann Seitner als das »für bestimmte Einsatzzwecke nach wie vor beste System am Markt« gelobt. Der kraftvolle und völlig geräuschlose Heckmotor überzeugt vor allem Kunden, die es im E-Bike-Sattel etwas sportlicher angehen lassen wollen. Dazu kommen noch ein sehr bedienfreundliches Display und ein ausgereiftes Ladegerät. Sorgenbereiter für die BionX-Verbauer waren in der Vergangenheit meistens die Batterie und deren Management. Bei KTM erwartet man jedoch, dass diese Probleme mit dem Modelljahr 2014 und der Verwendung einer neuen Platine »endgültig passé« sein werden.
Frontmotor weiter gefragt
Ebenfalls zu den Pionieren im E-Bike-Segment darf sich der taiwanische Anbieter TranzX PST zählen, der mit seinen Frontmotoren zwischenzeitlich einen nicht unerheblichen Marktanteil im E-Bike-Segment erobert hatte – bis die zunehmende Popularität der Mittelmotoren diesen Erfolg wieder etwas bremste. Hartje-Mann Dreher sieht jedoch weiterhin einen starken Markt für die Nabenmotoren von TranzX, denn nicht alle Kunden können und wollen über 2000 EUR für ein E-Bike ausgeben. »Der Frontmotor ist preislich sehr attraktiv«, erklärt der Produktmanager. Wenn es darum geht, ein E-Bike mit Rücktrittbremse und ausgereiftem Antriebssystem in der Preislage um 1600 EUR auf die Räder zu stellen, greift man zumindest bei Hartje gerne zu den Produkten von TranzX.
Und auch mit Mittelmotoren wollen die Taiwaner künftig besser im Markt Fuß fassen. Bei Hartje sieht man dafür gute Chancen: »Der neue TranzX-Mittelmotor funktioniert wirklich gut. Er ist eine günstige Alternative mit Rücktrittbremse und kompakter als der Panasonic-Antrieb«, erklärt E-Bike-Entwickler Dreher. Bei Mitbewerber Winora sieht man die Stärken des TranzX-Mittelmotors ganz ähnlich: Dank dessen kompakter Form seien E-Bikes machbar, die sich bei der Durchstiegshöhe und der Bodenfreiheit nicht wesentlich von antriebslosen Fahrradmodellen unterscheiden würden, erklärt Unternehmenssprecher Bernhardt.
Ob das Merkmal »kompakter als Panasonic« für 2014 noch Bestand hat, muss sich allerdings erst noch erweisen. Denn auch die Japaner haben ihren populären, zuletzt aber etwas angestaubten Center-Motor für das kommende Jahr grundlegend überarbeitet. »Das neue System kann man nicht mehr mit den bisherigen Panasonic-Antrieben vergleichen«, erklärt Mike Dietz, Produktmanager bei Kettler, im Gespräch mit velobiz.de. Die neuen Panasonic-Motoren besitzen kein gesondertes Antriebsrad und keinen Kettenspanner mehr, sondern liefern die Antriebskraft direkt aufs Kettenblatt. Gleichzeitig konnte der Panasonic-Batterie ihre etwas ausladende Form abtrainiert werden, sodass nun auch bei deren Montage hinter dem Sitzrohr kürzere Radstände möglich seien. Ein interessante Variante zeigt zudem Kettler für das Modelljahr 2014: Mit der Akku-Montage am Unterrohr werden beim neuen sportlichen Modell Traveller E Speed zunächst nur Insider Panasonic als Lieferanten des Antriebssystems erkennen können.
Wobei das sportliche Metier wahrscheinlich auch künftig keine Hochburg für den Panasonic-Antrieb sein wird. KTM-Mann Seitner sieht Panasonic im Programm des österreichischen Fahrradherstellers mit seiner »sanften, harmonischen Kraftentfaltung« eher als idealen Kandidaten für die Tiefeinsteiger-Fraktion.
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