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Rene Takens
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Europas größter Fahrradhersteller

Accell-CEO Takens: „E-Bikes werden den Markt verändern, aber im positiven Sinn“

Accell-CEO René Takens hat gegenwärtig eine ganze Reihe spannender und brisanter Themen auf der Tagesordnung. Nicht zuletzt dank des Booms bei E-Bikes befindet sich der Fahrradmarkt im Umbruch. Doch auch der drohende Wegfall des Anti-Dumping-Zolls auf Fahrräder aus China könnte den europäischen Fahrradmarkt dramatisch verändern. Inmitten dieser Veränderungen entwickelt sich die Accell-Gruppe, Europas größter Fahrradhersteller, prächtig: Gerade erst konnten die Niederländer wieder für das vergangene Jahr ein kräftiges Umsatzwachstum melden. Im Interview mit velobiz.de verrät Takens nicht nur das Erfolgsrezept von Accell, sondern auch, wie das Unternehmen künftig weiter wachsen soll. Man ahnt es schon, dass der E-Bike-Markt dabei keine ganz unwichtige Rolle spielt - auch wenn Takens in manchen Ländern bereits erste Sättigungszeichen erkennt.

An der Börse liebt man Accell-CEO René Takens. In den vergangenen zwölf Monaten hat sich der Aktienkurs des Fahrradherstellers mehr als verdoppelt. Takens wurde für seine erfolgreiche Unternehmensführung jüngst erst von der niederländischen Aktionärsvereinigung als CEO des Jahres ausgezeichnet. Aber auch innerhalb der Fahrradbranche genießt der Niederländer hohes Ansehen: Seitdem Accell 1998 aus dem Mischkonzern Atag herausgelöst wurde, hat sich das international aufgestellte Unternehmen zu Europas größtem Fahrradhersteller entwickelt. Schon wenige Monate nach der Trennung von Atag übernahm Takens, bis dahin Geschäftführer von Accell-Tochter Batavus, das Ruder des Unternehmens. Seitdem ist der Umsatz von einst 150 Mio. EUR auf zuletzt 572 Mio. EUR gewachsen. Ein wichtiger Faktor war dabei eine geschickte Übernahme-Strategie, die dazu geführt hat, dass Accell heute zumindest in Mitteleuropa in allen wichtigen Marktsegmenten vertreten ist. Knapp 20 Marken und Tochterunternehmen gehören inzwischen zur Accell-Gruppe, darunter beispielsweise die Winora-Gruppe und Ghost in Deutschland, Lapierre in Frankreich, Tunturi in Finnland sowie Koga und Batavus in den Niederlanden. Im nachfolgenden Interview mit velobiz.de erklärt Takens, wie – oder vielmehr wo – Accell künftig mit weiteren Akquisen wachsen will.

{b}velobiz.de: Accell konnte in den vergangenen Jahren deutliche Zuwachsraten erzielen. Ihr Unternehmen ist der größte Fahrradanbieter in Europa. Zudem ist die Accell-Gruppe auch an der Börse sehr beliebt, wie jüngst erst wieder eine Auszeichnung der niederländischen Aktionärsvereinigung belegte. Was ist das Erfolgsrezept von Accell? {/b}

René Takens: Unser Erfolg hat natürlich nicht nur eine Ursache, sondern ist ein Ergebnis ganz unterschiedlicher Faktoren. Eine ganz wesentliche Rolle für unseren Erfolg spielt aber sicherlich, dass sich unter dem Dach der Accell-Gruppe einige der bekanntesten Fahrradmarken befinden, die zudem fast ausschließlich das mittlere und gehobene Preissegment ansprechen. In diesem Teil des Marktes können wir uns als Hersteller mit Innovationen differenzieren, für die der Verbraucher auch bereit ist, einen entsprechenden Betrag auszugeben. Für uns zahlt sich nun aus, dass wir diese Strategie in den vergangenen Jahren sehr konsequent verfolgt haben.

Natürlich spielt auch unser wachsender Erfolg im E-Bike-Segment eine wichtige Rolle für die Unternehmensentwicklung. Aber auch der Markt für mittel- bis hochpreisige Rennräder und Mountainbikes ist für Accell mit den Marken Lapierre, Ghost, Haibike und Koga ein sehr wichtiger Baustein geworden. Und dann haben wir auch noch sehr bodenständige, traditionelle Marken, wie Batavus und Sparta in Holland oder Hercules und Winora in Deutschland. Diese Kombination von Marken macht uns im Fahrradmarkt sicherlich einmalig.

Unser Erfolgsrezept lässt sich somit vielleicht auf folgenden Nenner bringen: In allen profitablen Marktsegmenten ein Standbein haben, diese Segmente mit innovativen Produkten bedienen und dann auch noch viel Geld für Marketing ausgeben, damit auch jeder von diesen Innovationen weiß.

{b}velobiz.de: Wie vermeiden Sie Kannibalisierungseffekte zwischen den Marken, wenn jedes Marktsegment gleich mit mehreren Marken bedient wird? {/b}

René Takens: Es gibt bei Accell Überlappungen zwischen den Marken, diese sind aber relativ gering. Jede unserer Marken hat eine sehr eigenständige Positionierung im Markt. Die Eigenständigkeit ist dabei mitunter nicht nur über die Produkte definiert, sondern kann sich auch in der Ansprache bestimmter Regionen oder Händlerschichten ausdrücken. Jede Marke hat damit auch ihr individuelles Marketing. In Deutschland haben zum Beispiel Ghost und Haibike teilweise ähnliche Produkte, beide Marken sprechen aber unterschiedliche Marktsegmente an. Ghost ist vor allem bei den sportlichen Spezialisten vertreten, während Haibike eher eine Marke für Fahrradhändler mit breitem Sortiment ist.

{b}velobiz.de: Wie weit geht die Eigenständigkeit der einzelnen Accell-Töchter? Können diese Unternehmen frei entscheiden, wie sie den Markt bearbeiten? {/b}

René Takens: Die strategische Ausrichtung unserer Marken wird zentral bestimmt. Die einzelnen Unternehmen äußern Vorschläge und Wünsche zu ihren Zielsetzungen, die wir dann mit den einzelnen Marken und in der Gruppe diskutieren. Wenn aber einmal die Rahmenbedingungen für eine Marke fest gelegt sind, hat diese relativ viele Freiheiten, wie sie ihren Markt bearbeitet.

{b}velobiz.de: Accell hat nicht nur ein breites Spektrum an Fahrradmarken, sondern ist auch insgesamt als Unternehmen in der Branche sehr breit aufgestellt. Zu Accell gehören nicht nur mehrere Fahrradhersteller, sondern beispielsweise auch verschiedene Großhändler und ein Anbieter von E-Bike-Antriebssystemen. Gleichzeitig hat Ihr Unternehmen angekündigt, auch durch Firmenübernahmen weiter wachsen zu wollen. Was fehlt noch aus Ihrer Sicht? {/b}

René Takens: Es ist nicht so, dass etwas in der Accell-Gruppe fehlen würde. Aber wir wollen weiter wachsen. Und dafür fehlt uns noch eine Präsenz in einigen Märkten. Wir wollen beispielsweise noch eine deutlich stärkere Stellung in Italien erreichen, wo insbesondere der Markt für sportliche Räder gerade zulegt. In Deutschland und Frankreich wiederum wollen wir unsere Position als Anbieter von E-Bikes deutlich ausbauen. Und wo wir immer noch nicht richtig voran kommen, ist der amerikanische Markt. Mit der Übernahme von Seattle Bike Supply (u.a. Anbieter der Marke Redline, Anm.d.Red.) haben wir einen ersten Fuß in den Markt bekommen. Durch die wirtschaftliche Situation in den USA konnten wir aber hier unsere Ziele bisher nicht erreichen. Wir haben diesen Markt zwar nicht aufgegeben, befinden uns aber derzeit sozusagen in einer Warteschleife.

{b}velobiz.de: Gleichzeitig ist doch eine solche Krise auch eine günstige Zeit, um andere Unternehmen zu übernehmen…{/b}

René Takens: Das ist prinzipiell richtig, trifft aber so gegenwärtig für den Fahrradmarkt nicht zu. Fahrräder sind ein sehr gefragtes Produkt, das perfekt in viele gesellschaftliche Trends passt. Das bedeutet auch, dass es den meisten Unternehmen in der Branche nicht allzu schlecht geht. Manche Anbieter von unteren Preislagen haben zwar deutliche Einbußen, wenn man aber, so wie wir, im E-Bike-Segment tätig ist, gibt es sogar Zuwachsraten. Viele Unternehmen spüren die Auswirkungen der Wirtschaftskrise, aber nicht so sehr, dass sie gezwungen wären, ihr Unternehmen unter Wert zu verkaufen.

{b}velobiz.de: Accell hat in den vergangenen Jahren einen großen Teil der Produktionskapazitäten nach Ost-Europa, insbesondere nach Ungarn, verlegt. Wie wichtig war dieser Schritt für den Erfolg Ihres Unternehmens? {/b}

René Takens: Es war kein großer, aber ein wichtiger Teil unserer Produktion. Unser Werk in Ungarn hat inzwischen ungefähr die Größe unseres Werkes in Holland und bedient immer noch überwiegend den deutschen Markt. Der Schritt, die Produktion in Deutschland aufzugeben und nach Ungarn zu verlagern, war sehr wichtig für unsere Wettbewerbsfähigkeit. Wir sind jedenfalls sehr froh, dass wir diesen Schritt gemacht haben.

{b}velobiz.de: Auch Ihr Heimatmarkt, die Niederlande, ist immer mehr vom Wettbewerb geprägt. Hat die Produktion in Holland langfristig noch eine Zukunft? {/b}

René Takens: Da stellt sich natürlich zunächst die Frage, was Produktion bedeutet. Inzwischen reden wir hier ja vor allem von der Assemblierung der Fahrräder. Und die Fertigungstiefe bei den europäischen Fahrradherstellern wird langfristig noch weiter abnehmen. Für uns als Anbieter im mittleren und gehobenen Preissegment ist die Flexibilität sehr wichtig. Das geht nur, wenn wir die benötigten Teile selber bevorraten und nah am Absatzmarkt produzieren. Insofern fühlen wir uns sehr wohl mit unseren Produktionsstätten in Mittel- und Osteuropa. Zudem verliert die Produktion in Fernost durch steigende Logistik- und Arbeitskosten gerade sehr an Attraktivität.

{b}velobiz.de: Die Anti-Dumping-Zölle auf Fahrradimporte aus China laufen demnächst aus. Wird es Accell beeinflussen, wenn die EU keine neuen Zölle einsetzt? {/b}

René Takens: Es wird sicher die Branche und den Fahrradmarkt dahingehend beeinflussen, dass mehr Fahrräder aus China importiert werden. Aber der Einfluss auf unser Geschäftsmodell wird eher gering sein: Wir fertigen vergleichsweise kleine Losgrößen, zudem sind unsere Fahrräder überwiegend mit Premium-Komponenten aus europäischer Produktion bestückt. Da macht es wenig Sinn, unsere Modelle in China vom Band rollen zu lassen. Aber wenn nun alle in der Branche nach China gehen, werden wir diesen Schritt natürlich mitgehen müssen.

{b}velobiz.de: Gibt es denn aus Ihrer Sicht weiter Argumente für einen Anti-Dumping-Zoll? {/b}

René Takens: Ganz sicher. Durch die Wirtschaftskrise hat sich die Situation in den letzten Jahren sogar noch drastisch verschärft. Die chinesische Regierung hat massive Anstrengungen unternommen, um die eigene Industrie zu unterstützen. Mit einem freien Markt hat das nichts mehr zu tun.

Aber wir können den Entscheidern in Brüssel nicht in die Köpfe schauen. Vor zwei Jahren hätte ich noch gewettet, dass der Strafzoll in 2010 ersatzlos ausläuft. Auf der Taipei Show bin ich nun sehr häufig gefragt worden, ob ich mit einem Ende des Strafzolls rechne. Meine Antwort lautet inzwischen, dass ich es für möglich halte, dass der Strafzoll erneuert wird. Zumindest sind die Chancen dafür wieder gestiegen.

{b}velobiz.de: Die Fachwelt war überrascht, als Sie mit Ihrem Wirtschaftsbericht für 2009 meldeten, dass E-Bikes bereits 25 % des Umsatzes bei Accell ausmachen. Wie sind Ihre Perspektiven in diesem Marktsegment? {/b}

René Takens: Der Markt wird sich insgesamt noch einige Zeit weiter positiv entwickeln. In Holland sehen wir aber bereits, dass sich die Wachstumskurve abflacht. Der E-Bike-Markt wird dort noch weiter wachsen, aber nicht mehr mit Zuwachsraten von 20 bis 30 % wie in den vergangenen Jahren.

Ich sehe noch ein sehr großes Wachstumspotenzial in Deutschland und vielleicht etwas später auch in Frankreich. Und wenn sich in einigen südeuropäischen Städten, wie etwa bereits in Mailand oder Barcelona, die Fahrradmobilität weiter positiv entwickelt, rechne ich hier ebenfalls mit großen Chancen für das E-Bike.

Der Auslöser, warum wir den E-Bike-Anteil in unserem Wirtschaftsbericht so genau beziffert haben, war übrigens, dass immer mehr fachfremde Medien über uns berichtet haben, als ob wir nur noch E-Bikes anbieten würden. Diesen falschen Eindruck wollten wir mit dieser Information gerade rücken.

{b}velobiz.de: Glauben Sie, dass E-Bikes die Strukturen im Fahrradmarkt verändern werden? {/b}

René Takens: Ein bisschen bestimmt. Allerdings im positiven Sinn: E-Bikes sind sehr technische Produkte, die Beratung und Wartung benötigen. E-Bikes taugen deshalb nicht als billiges Wegwerfprodukt. Der Massenmarkt wird sich mit diesem Segment jedenfalls sehr schwer tun. E-Bikes sind ein wunderbares Produkt für den Fachhandel.

{b}velobiz.de: Gleichzeitig zieht der Erfolg des E-Bikes viele neue Marktteilnehmer an, etwa aus der Automotive-Zulieferindustrie. Wird deren Einfluss nicht den Markt verändern? {/b}

René Takens: Nein, das glaube ich nicht. Wenn sich ein Unternehmen wie Bosch als Anbieter von Antriebssystemen in unserem Markt etabliert, kann uns das nur Recht sein. Wir werden weiter das machen, worin wir gut sind, nämlich Fahrräder bzw. E-Bikes zu entwerfen und herzustellen. Und wenn wir dabei auf gute, ausgereifte Komponenten zurückgreifen können, ist das für uns ein Vorteil. Wir würden dadurch jedenfalls viel Geld sparen. Bisher mussten wir viele Lösungen für E-Bikes selbst entwickeln.

{b}velobiz.de: Vielen Dank für dieses Gespräch.{/b}

Das Interview mit René Takens führte Markus Fritsch.

31. März 2010 von Markus Fritsch

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