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Zwei zentrale E-Bike-Trends: Motoren bekommen eine intelligentere Steuerung und Batterien mehr Kapazität.
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Markt - Trends 2020

Alles E, oder was?

Fans von klassischen Fahrrädern müssen dieser Tage oft tapfer sein. Wer sich auf den zahlreichen Präsentationen und Hausmessen von Verbändern und Herstellern umschaut, sieht kaum noch Neuheiten, die nicht in irgendeiner Form elektrifiziert oder digitalisiert sind. Wer den Branchentrend 2020 beschreiben will, kommt demnach mit einem Buchstaben aus: »E«.

Neulich auf der ZEG Bike Show in Köln: Eine der umsatzstärksten Fahrradmarken in Deutschland präsentiert dort den Mitgliedern der Einkaufsgenossenschaft auf einem weitläufigen Messestand ihre Neu­heiten für 2020 – alles E-Bikes. Diese Marke ist kein E-Bike-Spezialist, wie Flyer oder Riese und Müller, sondern Vollsortimentsanbieter. Fahrräder ohne Motor hat der Hersteller auch im Programm, aber für die ZEG-Show nicht eingepackt. Die wichtigen, präsentationswürdigen Neuheiten im 2020er Programm drehen sich also ausschließlich um Fahrräder mit ­Elektroantrieb.
Der Name der hier beschriebenen Marke ist eigentlich nebensächlich, denn das Beispiel kann mit Blick auf das kommende Modelljahr auf fast jeden namhaften Player im deutschen Markt übertragen werden. Selbst beim Blick auf die bisher noch eher unelektrifizierten Rennräder kann man derzeit – zumindest bei oberflächlicher Betrachtung – zum Eindruck kommen, das E-Rennrad wäre die einzige nennenswerte Neuerung in diesem Segment.
Der Eindruck täuscht natürlich. Auch bei den Fahrrädern ohne Elektromotor gibt es neue Entwicklungen, zumal deren Marktbedeutung aus der Sicht global agierender Marken auch noch eine wesentlich größere ist, als es der Blick allein auf den mitteleuropäischen Markt suggeriert. Fakt ist aber auch, dass zumindest bei den Marktteilnehmern in Deutschland und einigen angrenzende Ländern kaum eine Neuheit ohne E für Aufsehen zu sorgen vermag. Was auch damit zusammenhängt, dass die Entwicklungskurve bei der Antriebstechnik und bei digitalen Themen weiter steil nach oben zeigt. Die Entwicklung im E-Bike-Sektor – vor allem im sportiven Teil des Marktes – wird in naher Zukunft nichts von ihrer Dynamik verlieren. Auch wenn es seltener um Revolutionen im Motoren- oder Akku-Entwicklung geht: Es passiert nach wie vor sehr viel.
»Gerade im E-MTB-Bereich gibt es zunehmend eine Segmentierung – und die werden wir auch mitgehen. Der Trend dahinter: Aufsplittung. Für jeden Einsatzbereich wird es das passende E-Bike geben«, sagt beispielsweise Michael Forstinger vom österreichischen Unternehmen Nox Cycles. Einen weiteren großen Trend für 2020 sieht man dort in Richtung Agilität, zurück zum einfachen Handling und natürlichen Fahrgefühl. Das heißt: Leichtere Räder, dynamischeres Auftreten und, dann doch wieder: Allrounder-Fähigkeiten. Dazu arbeitet man nun auch mit dem Motorenhersteller Fazua zusammen. Dessen Evation-Motor leistet zwar nur 60 Nm Drehmoment und liegt damit unter der obersten Range an Baller-Motoren fürs Gelände von Yamaha oder auch Bosch, doch dafür gibt‘s geringeres Gewicht, feines Ansprechen und natürliches Handling. »Ein leichtes Bike, das dem Fahrer erlaubt, auf allen Trails vorn mit dabei zu sein«, charakterisiert Forstinger das Konzept. Und das ist seiner Meinung auch der Wunsch der jüngeren Klientel. Back to the Roots, aber elektrisch.

Minimalismus und maxi­males Handling

Grundsätzlich geht ein Trend tatsächlich auch über die gesamte Motoren-Thematik in diese Richtung. Auch die Detaillösungen des Motorherstellers Fazua selbst implizieren nicht mehr Power oder mehr Reichweite, sondern mehr Nähe zum antriebslosen Fahrrad – in Handling und Optik. Dafür spricht unter anderem das neue »Display« FX inklusive Bedieneinheit, das jetzt im Oberrohr integriert ist. Pioniere wie Coboc haben ähnliche Lösungen schon vor Jahren verfolgt. Mit einer Taste wird am Oberrohr die Unterstützung eingestellt, ansonsten zeigen die LEDs den Ladezustand der Akkueinheit an. Nach wie vor gibt es die Smartphone-App, über die alle Einstellungen vorgenommen werden können und bei Bedarf die Satelliten-Einheit am Lenker. Wer drauf verzichtet, spart entsprechend Kabel ein und vermindert so möglichen Problemquellen.
Apropos Coboc: Die Heidelberger entdecken im Modelljahr 2020 mit dem neuen Modell Seven Kallio das Thema Tiefeinsteiger für sich, aber in typischer Coboc-Manier. Soll heißen: mit fast unsichtbar integriertem Akku, schlankem Nabenmotor, minimalistischem Cockpit und unter 17 kg Gewicht. Und, auch das ist ein Novum für die stylische Marke: Wer will, bekommt das neue Modell auch mit Federgabel und gefederter Sattelstütze.
Auch bei den großen Antriebsherstellern geht das Angebot in die Breite. So mancher stellt sich gar neu auf: Brose tritt ab sofort als Hersteller kompletter Antriebssysteme an. Antrieb, Akku und Display kann der OEM-Kunde ab 2020 als Paketlösung direkt vom Unternehmen beziehen. »Wir sind aber nach wie vor offen für individuelle Lösungen des Partners«, sagt Marketing-Mann Marcus Endres am Stand von Brose bei den Media Days der Eurobike. »Natürlich können die Hersteller auch die eigenen Apps nutzen.« Gerade bei sportlichen, minimalistischen E-Bikes geht der Trend zum möglichst unsichtbaren Display. Die neue Remote kommt neben den Lenkergriff und verfügt über dieselben sechs haptisch gut ausgelegten Steuertasten. Minimalismus par ecxellence: Die Unterstützung und der Ladezustand der Akkus wird mit LEDs angezeigt, ein Display braucht es nicht.
Individualisierung ist also auch bei Brose ein wichtiger Punkt. Das gilt auch für die Motoreneinstellung: Schon beim City-Antrieb Drive C ­können nun die Unterstützungsstufen individuell eingestellt werden.
Gleichzeitig werden die Motoren leichter. Durch Magnesium-Gehäuse spart man beim Drive C Mag und dem Drive T Mag immerhin 500 Gramm ein.

Mehr Schub für Lasten

Vereinfachung und breite Anwendungen einerseits, Spezialisierung andererseits: Bosch bringt mit der Cargo Line zwei neue Antriebe für Lastenräder (25er und 45er Pedelecs), die mit mehr Kraft bei niedrigen Trittfrequenzen und aus dem Stand den Transport bis hin zu nominell 250 Kilogramm unterstützen. Auch hier versucht man, mit einem weiter aufgefächerten Programm alle Themenbereiche der Branche abzudecken. Die weiterentwickelte Performance Line soll vor allem mit dem besonders ruhigen und gleichmäßigen Lauf punkten – und damit einen Schritt weiter in Sachen »natürliches Fahr­gefühl« gehen. Dazu gehören sicher auch die Neuerungen der 25 Prozent leichteren Performance-Motoren und der vollständigen Entkoppelung des Antriebs – bei ausgeschaltetem Antrieb soll man gefühlt wie mit einem Rad ohne Unterstützung fahren. »Durch den nicht sichtbaren, ­integrierten Akku und kompaktere Antriebe erweitern sich außerdem die Möglichkeiten für Hersteller bei der Konzeption ihrer Modelle«, spricht Tamara Winograd, Pressesprecherin bei Bosch E-Bike Systems neue Design-optionen durch die verbesserten Akku-Lösungen an. Außerdem arbeite man bei Bosch ohnehin – wieder Stichwort »natürlicher Auftritt« – an noch besser integrierbaren Energie­trägern. »Ein Quantensprung ist hier nicht zu erwarten«, so Winograd, »denn es gibt physikalische Grenzen. Wer weniger Gewicht möchte, muss irgendwann mit der Leistung heruntergehen, sonst ist der Motor thermisch nicht stabil.« Integration ist aber – in anderem Wortsinne – ein Stichwort: Die Integration des Smartphones schreitet immer weiter voran. Die Pressefrau spricht hierbei vor allem von individuellen Services wie Fitnessdaten-Speicherung oder ­Tracking. Was Drittanbieter schon länger realisieren, wollen die Antriebs­herstellern nun weiter in ihre Systeme integrieren. Aber auch die Kombination unterschiedlicher Verkehrsmittel soll damit erleichtert werden. Und in Sachen Kommunikation zwischen E-Biker und Infrastruktur will man Kopenhagener Verhältnisse möglich machen, wo zum Beispiel LEDs anzeigen, wann die nächste Ampelanlage auf dem Weg umspringt.

Effizienz ist wichtiger als Reichweite

Alles wird einfacher, alles wird leichter: In diese Richtung geht es auch bei den Shimano-Antrieben. Doch auch hier redet man Klartext, was den Wunsch nach dem »Verschwinden« des Motors angeht: Michael Wild, ­Pressesprecher bei Importeur Paul Lange, meint: »Das Wärme-Management setzt Grenzen, wenn es darum geht, den Motor immer weiter zu verkleinern und zu integrieren.« Auch bei Shimano wird individualisiert: Die Eco-und Boost-Modi der Modelle E 7000 und 8000 lassen sich nun dank neuer Software in drei Stufen individuell einstellen – vom Händler oder vom Kunden. Vorgenommen wird die Einstellung per App oder über Kabelverbindung zum PC.
»Effizienz ist uns wichtiger als maximale Reichweite«, meint Wild zu den Bestrebungen, die Kapazität der Akkus immer weiter zu erhöhen. Bei Shimano wird es weiterhin die 400- und 504-Watt­stunden-Batterien geben. Und auch beim Komponenten-Marktführer geht’s in die Breite, was Kombinationsmöglichkeiten und damit Einsatz für noch mehr Fahrradtypen angeht. Die Antriebe sind jetzt auch mit dem Rennrad-Hebelsystem STI kombinierbar. Di2-Brems-Schalthebel können nun für E-Rennräder und ­-Gravelbikes oder Pendler-Pedelecs mit Rennlenker verwendet werden.

Volle Ladung

Zum Trend zu Effizienz, Schlankheit und Vereinfachung gibt es 2020 natürlich auch eine Gegenbewegung. Und der lässt sich in Anlehnung an eine amerikanische Auto-Weisheit beschreiben als: Akku-Kapazität lässt sich nur durch noch mehr Akku-Kapazität ersetzen. Prominentes Beispiel ist die jüngste Generation der Intube-Akkus von Bosch, die künftig optional bis zu 625 Wh Kapazität bieten. Viele Hersteller überlassen dabei neuerdings dem Kunden die Wahl, wie viel Geld er beim Fahrradkauf in die Akkukapa­zität investierten will. Die bauliche Lücke etwa beim kompakteren 400-Wh-Akku wird dann mit einem entsprechenden Adapter geschlossen.
Intube gibt es 2020 ab Werk auch bei Shimano, dort aber standardmäßig »nur« mit 504 Wh Kapazität. Wer beispielsweise als Mountainbiker ein mit Shimano-Motor ausgestattetes Bike mit mehr Akku-Kapazität sucht, wird dennoch fündig. Weiterhin verbauen manche Fahrradhersteller den vielgelobten Steps-8000-Motor mit eigenen Akku-Lösungen. Auf die Spitze treibt diese Entwicklung dabei Fahrradhersteller Kettler, der sich 2020 mit seiner neuen, vollgefederten Shimano-Steps-Linie Scarpia auf seine Wurzeln im MTB-Segment besinnt. Mit an Bord sind neben XTR-Komponenten und Fox-Kashima-Fahrwerk eine integrierte 750-Wh-Batterie.
Wem auch solche Kraftpakete im MTB-Segment nicht genügen, wird im nächsten Modelljahr bei einigen Herstellern mit optionaler Dual-Battery bedient. Wie etwa beim Schweizer E-Bike-Pionier Flyer, der sein Modell Uproc 3 künftig als Marathon-E-Mountainbike positioniert: Das Versprechen marathonartiger Distanzen wird hier mit 1125 Wh eingelöst, bestehend aus 625-Wh-Batterie im Unterrohr und zusätzlichem 500-Wh-Power-Pack.

Dem Antrieb die Wahl lassen

»Einfacher für den Anwender« heißt die Devise bei einem dezidierten Motor fürs Grobe: Der Yamaha-Antrieb fürs E-MTB PW-X2, eine Überarbeitung des viel verbauten PW-X, bietet eine »Automatic Support«-Einstellung. Drei Akkugrößen sprechen dafür, dass es nicht um maximale Reichweite, sondern um den individuellen Bedarf geht. »Für die schnelle, kurze, schöne Abendrunde tut’s der 400er – und wenn es länger, schwerer, schneller wird, benötige ich eventuell länger Power – also wähle ich den ›Dicken‹«, sagt Frank Jeniche von der Yamaha-Agentur PR-Trust. Der Trend »einfach« bedeutet hier Automatic-Support-Modus. »Er verhilft dem Einsteiger genauso zum unbeschwerten Bike-Vergnügen wie dem erfahrenen Trailbiker. Er führt zu mehr Fahrspaß, denn der Biker muss nicht vor jeder Kurve, Steigung oder Wurzelpassage neben dem passenden Gang auch noch die richtige Unterstützungsstufe einlegen«, so Jeniche. Wie bei Bosch wartet man auch bei den Japanern mit einer neuen Vier-Sensor-Technologie auf. Der Neigungssensor ermittelt dabei die Steigung, in der sich das Bike gerade befindet und gibt so einen weiteren Beitrag zur Bestimmung der aktuell richtigen Unterstützung. »Die Fahrbedingungen werden so noch genauer erkannt und die Unterstützungsleistung optimiert.«

Neuer Motor für Rennlenker-Räder

Wer als Radhersteller jetzt in den E-Rennrad-Ring steigt, macht das sehr fokussiert. So zeigt Specialized gerade sein neues Turbo Creo E-Roadbike und E-Gravelbike mit einem im eigenen Hause entwickelten Mittelmotor SL1,1. Der gerade mal knapp zwei Kilogramm schwere Antrieb leistet 240 Watt und 35 Newtonmeter Drehmoment. Auch hier merkt man: Es geht nicht um Power ohne Ende, sondern um das Fahrgefühl. Der Akku wird mit 1,8 Kilogramm Gewicht angegeben und leistet 320 Wattstunden. Zusätzlich ist ein Rage Extender mit 160 Wattstunden erhältlich. Über eine Taste am Oberrohr werden der Antrieb und die drei Fahrmodi gesteuert. Wem das zu viel an Minimalismus ist, der kann auch eine Ausführung mit Display wählen. Über die dazu­gehörige App lässt sich außerdem vor Fahrtantritt einstellen, wie weit die Tour gehen soll. Die zur Verfügung gestellte Energie wird dementsprechend portioniert. Dass der Motor sich optisch sehr harmonisch in das Rad integriert, ist selbstverständlich – schließlich wurde er für diese Räder gebaut.

Nicht zu bremsen: ­Integrationstrend

Nicht nur im E-Bereich ist Integration heute ein Zauberwort. Der Trend geht analog ebenso weiter: Fing die Tendenz, neben elektrischen auch Bremsleitungen verschwinden zu lassen, bei speziellen Rennrädern und einzelnen Konzept-Rädern an, scheint er sich nun auch bei MTBs fortzusetzen. So verlegt Bremsenspezialist Magura seine Bremsleitungen und Steuermechanismen mit dem neuen System MCi (Magura Integration Series) ins Lenkerinnere. Davon verspricht man sich Funktionsverbesserungen und größeren Schutz gegen Beschädigungen bei Stürzen. Vor allem dürfte das dadurch optisch ­aufgeräumte Cockpit ein Anreiz sein.
Dabei sitzt der Bremszylinder im Lenker-Griffbereich. Dank gleicher Durchmesser und Funktion der Mechanik wie bei den bekannten MT-Modellen spricht Magura von einer Standfestigkeit analog zur MI-Serie. Auch das MCI-System ist mit Zwei- oder Vierkolben-Bremszangen erhältlich. Die Bremsleitungen führen vom Geberkolben durch den Lenker und einen speziellen Vorbau über das Steuerrohr in die Gabelkrone. Von dort aus geht’s durch die Gabel in die Vorderradbremse beziehungsweise in den Rahmen, was die hintere Bremse anbelangt.
Um Service oder Reparatur nicht komplizierter werden zu lassen als bei herkömmlichen Bremsanlagen, stattet Magura das System mit einer einfachen Schnellverbindung aus, an der Leitungen und Cockpit getrennt werden können.
Man darf gespannt sein, wann andere Komponentengrößen wie Shimano hier in ähnlichem Umfang nachziehen. Aber vielleicht ist es tatsächlich nur noch eine Frage von wenigen Jahren, bis wir herum baumelnde Bremszüge und Lichtkabel mit liebevollem Blick in die Kategorie ­»Vintage« einsortieren.

5. August 2019 von Georg Bleicher

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