Portrait - A & C Solutions und Innotronic
Auf die Kontakte kommt es an
Die Firma A & C Solutions hat heute, nach sechs Jahren, »gerade einmal sieben Mitarbeiter«, erzählt Franky Vanlerberghe bei unserm Treffen in Gronau. Seine Firma sitzt im belgischen Tournhout und ist wohl nicht nur den normalen E-Bike-Fahrern unbekannt; auch die meisten Branchenkenner dürften von
A & C Solutions bislang kaum etwas gehört haben. Trotzdem arbeitet das Unternehmen mit heute sieben Mitarbeitern mit großen Partnern in der Branche zusammen, Motorenherstellern wie E-Bike-Herstellern. Vanlerberghes Unternehmen vertreibt Stecker und Kabelverbindungen. Die gibt’s bekanntlich am E-Bike genug – die Leitung von Batterie zum Motor von Steuerung zu Motor und Batterie, innerhalb des Motors und und und …
Zunächst ein scheinbar nebensächliches Produkt – doch das denken Außenstehende auch über den Fahrradreifen: Gummi ist Gummi. Genau wie beim Pneu gibt es allerdings auch hier riesige Unterschiede. Einige der wesentlichen: Passgenauigkeit, Korrosionsschutz der Verbindungen, Anpassung der Kabeldurchmesser an den jeweiligen Einsatz ... »Ein gutes Beispiel für den Fortschritt in der Produktion ist die Art, wie Wasserbeständigkeit gewährleistet wird: Vor allem Firmen, die neu im Business sind, dichten die Übergänge von Kabel und Stecker mit Silicon ab.« Was aber meist nur eine gewisse Zeit Schutz vor dem Eindringen von Feuchtigkeit gewährt. Qualitativ höherwertige Stecker sind gecovert, haben grundsätzlich eine Ummantelung, die den Anfang des Kabels umschließt.
»Wir arbeiten eigentlich auf der Plattform von HIGO«
2008 startete das Unternehmen, damals schon mit dem Fokus auf Stecker und Montage. Vor drei Jahren wurden die Belgier auf Higo aufmerksam – und umgekehrt. Higo ist einer der größten asiatischen Hersteller von Kabelverbindungen im hoch qualitativen Sektor im E-Bike-Bereich. Und: Higo hatte kein Marketing und keinen strukturierten Vertrieb für Europa. Man lernte sich kennen, wog die Vorteile ab, die eine Partnerschaft für beide Seiten hatte, und A & C stieg damit endgültig in die E-Bike-Branche ein. Sie erstellten für Higo die Internetseite
www.higoconnector.com
, wurden damit auf eigene Kosten zu so etwas wie dem Marketingunternehmen für den großen Hersteller. Und fast ganz nebenbei zu seinem General-Distributeur für Europa.
Denn Stecker und Kabel können heute viel spezieller an die Bedürfnisse angepasst werden. Müssen sie auch: Beispielsweise kann die Güte der Kabel in einem Motorsystem mit über die Effizienz eines Motors entscheiden. Aber auch das Design gibt immer mehr Maße vor. Über Higo kann A & C Solutions etwa klassische Steckerverbindungen liefern, bei denen die Kabeladern vor der Verbindung einen anderen Durchmesser aufweisen als hinterher, obwohl es sich um einen klassischen Stecker handelt. »Connectors on Demand« ist ein Stichwort für Vanlerberghe. Die Kunden kommen mit einem Kabel- oder Stecker-Problem zu A & C Solutions und man setzt sich zusammen, um eine Lösung zu finden – oftmals eben mit dem Hauptgeschäftspartner Higo. »Wir geben dabei den Motor- oder Bike-Herstellern Anregungen, wie das jeweilige Problem günstig gelöst werden könnte«, so Vanlerberghe. Auch »Automotive Standard« ist ein Begriff, der im Gespräch immer wieder fällt. In der Zusammenarbeit mit Higo ist vieles möglich. Das asiatische Unternehmen geht auf fast alle Wunschvorstellungen von A & C und deren Kunden ein, wenn mindestens 3.000 Meter Kabel bestellt werden – eine technische Vorgabe. Die Produktion von Kabelverbindungen ist teuer; ein Grund dafür: Sehr vieles daran ist tatsächlich heute noch Handarbeit, wie man auch in einem Video über die Higo-Produktion auf der Internetseite von A & C sehen kann.
Die verlängerte Werkbank der Maschinenbauer
Noch mehr an der Entwicklung des letztendlichen Produkts beteiligt ist man bei Innotronic: Die Gronauer Firma besteht seit 1998 und ist »seit etwa drei Jahren verstärkt in der E-Bike-Branche unterwegs«, erklärt Co-Gründer und Geschäftsführer Robert Beckmann. Die grundsätzliche Aufgabenstellung: Die Steuerung für elektronische Geräte zu entwickeln. Mit Beckmann arbeiten hier Ingenieure aus dem Automatisierungs-Bereich, seine Kunden kommen vorwiegend aus dem Maschinenbau. Wir sind so etwas wie die verlängerte Entwicklungs-Werkbank der Maschinenbauer«, sagt Beckmann gelegentlich. Viel Erfahrung hat sein Unternehmen in Branchen wie Medical Care- und Reha-Technik. Im kleinen Showroom steht ein Rollstuhl mit elektronisch angetriebenen Rädern, die als Ersatz für die normalen Räder montiert werden können. Wie bei einem Pedelec unterstützen die beiden Motoren den Rollstuhlfahrer, sobald dieser am Greifreifen schiebt. Daneben steht, wie ein kleiner Kran: ein Patientenlift, mit denen Patienten umgebettet werden können. Eine relativ großflächige Platine zeigt, wie die vielen Funktionen in so einem Gerät »untergebracht« werden müssen. Geschoben und gelenkt wird der Lift nur durch Leichten Druck auf eine vermeintlich starre Deichsel, auch die um 180 Grad drehbaren Räder werden mit einem leichten Druck darauf gesteuert.
Steuerung nach Kundenwunsch
Das aktuelle E-Mobility-Projekt von Innotronic ist der Scrooser, ein ehemaliges Kickstarter-Projekt. Optisch erinnert er an einen überdimensionierten Kindertretroller mit Formel-1-Bereifung. Und wie ein Roller funktioniert er – unter anderem – auch: Dank der Sensorsteuerung von Innotronic kann man mit dem wuchtig wirkenden Gerät so leicht per Beinkraft dahinrollern wie mit dem Spielzeug aus Kinderzeiten. Über den Gasgriff lässt sich der Scrooser aber auch ohne den Anstoß per Fuß fahren – er ist damit ein klassisches E-Bike. Verschiedene elektronische Schlüssel zur Initialisierung führen zu diesen unterschiedlichen Unterstützungsmodi – auch die 6-km/h-Einstellung für die Fußgängerzone hat das Unternehmen einprogrammiert.
Die Herausforderung dabei: Eine elektronische Steuerung zu entwickeln und herzustellen, die den physischen Impuls beim Anschieben mit dem Fuß erkennt und entsprechend dosiert Schub über den Motor beisteuert. Jens Thieme, Geschäftsführer der Scrooser GmbH in Dresden, suchte jemanden, der das konnte – und stieß dabei auf Innotronic. Die Initiative ging also vom Produkthersteller aus, was häufig der Fall ist. »Wir sind eine kleine Firma, eine eigene Marketing-Abteilung ist bei uns nicht drin«, so Beckmann, »wir sind auf Netzwerken und den Erfolg von früheren Projekten angewiesen.« Im Falle von Scrooser klappte das gut. Innotronic entwickelte also zusammen mit Scrooser diverse Schnittstellen zu User Interface, Beleuchtung, Batterie und ein elektronisches Startsystem, ein minimalistisches Display sowie die komplette Verkabelung des Scrooser. Nicht mal ein komplettes Jahr war Innotronic mit der Scrooser-Steuerung befasst, für größere Firmen eine unrealistische Zeitvorstellung. Auch, weil man bei der Steuerungsentwicklung oft im Trial-and-Error-Modus der optimalen Lösung näherkommen muss. Kleine Unternehmen können oft sehr schnell und flexibel reagieren, auch deshalb sind sie als Geschäftspartner gefragt. »Daneben schätzen unsere Kunden natürlich auch das ›Made in Germany‹ was für viele auch heute noch als Qualitätskriterium gilt«, freut sich Beckmann, der 10 Mitarbeiter hat. Jens Thieme schätzt, wie er sagt, »die Flexibilität des Unternehmens, die Schnelligkeit, mit der wir zusammen weiterarbeiten konnten.« Die beiden Firmen wollen in Zukunft enger zusammenarbeiten.
Die Vorteile der Kleinen
A & C Solutions und Innotronic haben selbst erst vor kurzem als Partner zusammengefunden. Bei Gesprächen eines Mitarbeiters der Steuerungsspezialisten mit Zulieferern fiel gelegentlich der Name A & C, und erste Kontaktaufnahmen waren erfolgversprechend. Beide Unternehmen haben neben einer schnellen Reaktionsfähigkeit die klassischen, offenen Strukturen kleiner Firmen, die viele neue Perspektiven bei der Problemlösung für ihre Kunden erlauben. Eine hohe Innovationsmotivation trifft auf Background: bei Innotronic ist das die Erfahrung in der Automatisierungsbranche, bei A & C Solutions die Möglichkeit, auf große Partner wie Higo oder andere bekannte Kabel-Stecker-Hersteller wie Rosenberger oder Hummel zurückzugreifen.
Gerade die E-Bike-Entwicklung und hierbei vor allem der Trend zu höherwertigen Bikes schafft für beide Unternehmen ganz neue Perspektiven. Und an diesen Beispielen kann man erkennen, wie ein Markt mit neuen Sektoren auch neue Partnerschaftsstrukturen entwickelt. Eigentlich wissen wir es alle: Networking ist in vielen Bereichen nicht nur für die Kleinen das A und O. Aber man braucht fürs Netzwerk auch die richtigen Stecker …
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