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Arbeitsmarkt - Fortbildung

Ausgebildet werden, um ausbilden zu können

Um ausbilden zu können, müssen sich Händlerinnen und Händler entweder selbst um eine entsprechende Berechtigung kümmern oder sie stellen jemanden ein, der oder die bereits darüber verfügt. Es gibt aber noch eine dritte Möglichkeit, die aufgrund ihrer positiven Nebeneffekte oft vielversprechender ist als die beiden anderen Varianten: Eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter aus dem eigenen Betrieb lässt sich entsprechend fortbilden.

Über den letztgenannten Weg können Mitarbeitende, die Ausbilderinnen und Ausbilder werden wollen, noch enger an den Betrieb gebunden werden. Jedoch ist nicht jede und jeder für diese verantwortungsvolle Rolle geeignet. Deshalb sollten Vorgesetzte vorab immer genau überlegen, wen sie aus dem Team für diesen wichtigen Job ansprechen möchten.

Zuständigkeiten

Im Fahrradfachhandel ist die Lage bezüglich Ausbildung etwas komplizierter als in Betrieben anderer Branchen. So sind reine Fahrradwerkstätten Handwerksbetriebe, für die die Handwerkskammer (HWK) die zuständige Stelle ist – auch für die Ausbildung sowie für die Ausbilderinnen und Ausbilder. Ein Fahrradladen, in dem die Werkstatt einen wirtschaftlich untergeordneten Neben-betrieb darstellt, kann dagegen komplett bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) angesiedelt sein. Ist dies der Fall, ist die IHK auch die zuständige Stelle bezüglich aller Belange der Ausbildung. So kann der Beruf »Zweiradmechatroniker/in – Fachrichtung Fahrradtechnik« dann sowohl von der IHK als auch von der HWK begleitet werden. Dies gilt auch für die weiteren Berufsbilder im Fahrradfachhandel, wie zum Beispiel für den Beruf »Kaufmann/-frau im Einzelhandel«.

Voraussetzungen

Die Antwort auf die Frage zu finden, ob eine Person aufgrund ihrer Persönlichkeit dafür geeignet ist, auszubilden, ist nicht leicht. Die grundsätzlichen Voraussetzungen, die potenzielle Ausbilderinnen und Ausbilder erfüllen müssen, schreibt aber schon der Gesetzgeber vor. »Ausbilden darf nur, wer persönlich und fachlich dafür geeignet ist«, erklärt Claudia Meimbresse, Geschäftsbereichsleiterin Berufliche Bildung bei der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade. »Genau regeln dies zum einen § 22b des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks und § 30 Berufsbildungsgesetz.

»Ausbilder, die im Betrieb tätig sind, können die Ausbildungsinhalte besser auf die spezifischen Bedürfnisse und Prozesse des Unternehmens abstimmen.«

Claudia Meimbresse, Geschäftsbereichsleiterin Berufliche Bildung bei der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade

Kommunikationsfähigkeit, eine gute Problemlösungskompetenz und Teamfähigkeit, ein hohes Maß an Selbstmanagement und Planungsfähigkeit sind persönliche Eigenschaften, die Ausbilderinnen und Ausbilder darüber hinaus brauchen. Diese Schlüsselqualifikationen oder ›Soft skills‹ sollen dazu beitragen, dass die Qualität der Ausbildung gesichert ist.« Mareike Steveling, Referatsleiterin der Bildungs- und Integrationsberatung bei der IHK für München und Oberbayern pflichtet ihr bei und empfiehlt zudem, »dass künftige Ausbilderinnen und Ausbilder auch gerne mit jungen Menschen arbeiten sollten sowie Geduld, Verständnis für die junge Generation, Liebe zum eigenen Beruf, Interesse an Neuem und ein hohes Maß an Empathie mitbringen sollten.«
Zu den fachlichen Voraussetzungen gefragt, sagt sie: »Als fachlich geeignet gilt, wer die nötigen beruflichen sowie berufs- und arbeitspädagogischen Fähigkeiten, aber auch rechtliche, organisatorische, psychologische und methodische Kenntnisse und Fertigkeiten besitzt. Ausbilder und Ausbilderinnen haben in der Regel eine Abschlussprüfung in einer dem Ausbildungsberuf entsprechenden Fachrichtung erfolgreich abgelegt und/oder sie verfügen über eine ausreichende Berufserfahrung.« Der Zeitrahmen, in dem diese berufliche Erfahrung gesammelt wird, liege meist bei dreieinhalb bis fünf Jahren. Claudia Meimbresse von der HWK beschreibt die möglichen fachlichen Varianten für Betreiberinnen oder Betreiber von Fahrradwerkstätten: »Im Zweirad-Mechaniker-Handwerk wird die fachliche Eignung mit der bestandenen Meisterprüfung in dem zulassungspflichtigen Handwerk, in dem ausgebildet werden soll, oder in einem mit diesem verwandten Handwerk nachgewiesen. Alternativ dazu reicht auch die Eintragung in die Handwerksrolle nach § 7 Handwerksordnung (HwO). Zuletzt gelten auch die als fachlich geeignet, die eine Ausübungsberechtigung nach § 7a oder § 7b oder eine Ausnahmebewilligung nach § 8 oder nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HwO erhalten haben und den Teil IV der Meisterprüfung oder eine gleichwertige andere Prüfung bestanden haben.« Bestehen hier Unsicherheiten, hilft oft ein Blick in die jeweiligen Prüfungsordnungen beziehungsweise ein Anruf bei den Kammern weiter.
Es werden aber nicht nur an die Personen, die künftig Auszubildende zu ihrem Ausbildungsabschluss befähigen sollen, Anforderungen gestellt. Auch der Betrieb muss sich als Ausbildungsbetrieb qualifizieren. »Auszubildende dürfen nur dann eingestellt werden, wenn die Ausbildungsstätte betrieblich dafür geeignet ist und die Zahl der Auszubildenden in einem angemessenen Verhältnis zur Zahl der beschäftigten Fachkräfte steht«, erläutert Meimbresse weiter. Diese Hürde soll verhindern, dass Arbeitgeberinnen oder -geber das Prinzip Ausbildung dafür nutzen, um Personalkosten zu sparen. Die persönliche Eignung der Arbeitgeberin und des Arbeitgebers spielt bei der Einstellung von Auszubildenden ebenfalls eine Rolle. „Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn jemand keine Kinder und Jugendlichen beschäftigen darf oder wiederholt oder schwer gegen das Berufsbildungsgesetz verstoßen hat“, erläutert Mareike Steveling von der IHK für München und Oberbayern die Details.

Die Ausbildung zur Ausbilderin oder zum Ausbilder

Sind die genannten Voraussetzungen gegeben, geht es im nächsten Schritt darum, den sogenannten AdA-Schein zu erwerben, wobei AdA für »Ausbildung der Ausbilder« steht. Mit diesem Eignungsnachweis, der über eine Prüfung erzielt wird, hat man der Ausbilder-Eignungsverordnung (AEVO) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, die seit 2009 gilt, Genüge getan und kann in die Betreuung der Ausbildenden einsteigen. Der AdA-Schein gilt übrigens unabhängig davon, bei welcher Kammer die Prüfung abgelegt wurde.
Beschäftigte, die nach ihrer Ausbildung in einem Zweiradmechaniker-Handwerk auch eine Meisterausbildung erfolgreich abgeschlossen haben, haben damit gleichzeitig auch den AdA-Schein erworben und können bei entsprechender Eignung des Betriebes dann bereits ausbilden. Technikerinnen oder Techniker sowie Fachwirtinnen und Fachwirte sollten bei der IHK oder HWK nachfragen, ob die AdA damit nicht zumindest in den inhaltlichen Teilen bereits abgedeckt wurde und entsprechend verkürzt werden kann.
»Die ›Ausbildung der Ausbilder‹ umfasst die Bereiche ›Ausbildungsvoraussetzungen prüfen und Ausbildung planen‹, ›Ausbildung vorbereiten und bei der Einstellung von Auszubildenden mitwirken‹, ›Ausbildung durchführen‹ und ›Ausbildung abschließen‹«, erläutert Claudia Meimbresse die AdA-Lehrinhalte.
»Bei der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade umfasst diese Weiterbildung 96 Unterrichtseinheiten, die bei einem Vollzeitkurs zwei Wochen dauert. Danach schließt sie mit einer theoretischen und praktischen Prüfung ab.«

»Ausbilder können sich auch nach der Ausbilderprüfung bei uns inhaltlich weiterbilden, Bausteine wie ›neue Technologien im Beruf‹ oder ›Digitalisierung im Unternehmen‹ sind hier nur zwei Beispiele.«

Mareike Steveling, Referatsleiterin der Bildungs- und Integrationsberatung bei der IHK für München und Oberbayern

Mareike Steveling von der Münchner und oberbayerischen IHK weist darauf hin, dass der Vorbereitungskurs nicht obligatorisch sei. Man könne die Prüfung auch ohne diesen Kurs ablegen. Auch müsse man die Schulung nicht bei der IHK oder HWK absolvieren. »Es gibt zahlreiche Kursanbieter zur Vorbereitung auf die AEVO-Prüfung, darunter aber auch die IHK-Akademien. Die Unterrichtseinheiten, die bei uns in der Regel um die 40 bis 80 Unterrichtseinheiten umfassen, variieren zwischen Ganztags-, Teilzeit- und E-Learning-Modellen.«

Die Kosten

Die AdA-Kosten variieren ebenfalls, je nachdem, ob ein Vorbereitungskurs belegt wurde oder nicht. Da diese nicht nur von IHK und HWK angeboten werden, sondern eben auch von freien Weiterbildungsträgern, lohnt sich auch angesichts der Kosten ein Vergleich. Die Prüfungsgebühr – die Prüfung kann nur bei einer IHK oder einer HWK abgelegt werden – variiert ebenfalls und ist auch bundesweit nicht einheitlich, da jede IHK und auch HWK eine eigene Gebührenordnung erlässt.
Und wer zahlt den etwaigen Vorbereitungskurs und die Prüfungsgebühren? Claudia Meimbresse von der HWK rät: »Interessenten sollten sich in jedem Fall über Fördermöglichkeiten, zum Beispiel über das Aufstiegs-BAföG informieren. Auch Betriebe übernehmen in manchen Fällen die Kosten für diese Weiterbildung.« Mareike Steveling schließt sich beiden Tipps an und hebt hervor, dass es sich auch lohne, bei den Kammern nach regionalen Fördermöglichkeiten zu fragen: »So gibt es in Bayern zusätzlich noch den Meisterbonus für eine erfolgreich abgeschlossene Weiterbildung sowie weitere Fördermöglichkeiten.«

Vorteile für den Betrieb

Betriebe sind gut beraten, etwaige Gebühren zu übernehmen, schließlich profitieren sie auch davon, Ausbilderinnen oder Ausbilder im Betrieb zu haben. »Ausgebildete Ausbilder können direkt im Betrieb neue Fachkräfte ausbilden, was langfristig den Bedarf an externen Neueinstellungen reduziert«, weiß Claudia Meimbresse aus Erfahrung. »Ausbilder, die aus den eigenen Reihen stammen, sind bereits mit der Unternehmenskultur vertraut und können diese an die Auszubildenden weitergeben.« Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit zu bieten, sich als Ausbilderinnen und Ausbilder weiterzubilden, fördere zudem deren berufliche Weiterentwicklung und Persönlichkeitsentwicklung. Die damit verbundene Verantwortung könne außerdem ihre Motivation und das Engagement steigern. »Betriebe, die in die Ausbildung und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren, positionieren sich als attraktive Arbeitgeber und können leichter qualifizierte Bewerber anziehen.«
Eine ganze Reihe an Vorteilen also auch für die Betriebe, die Mareike Steveling, Referatsleiterin der Bildungs- und Integrationsberatung bei der IHK für München und Oberbayern, noch um folgenden Punkt ergänzen möchte: »Betriebe leisten mit der Ausbildung auch einen wichtigen Beitrag für die Kompetenzbildung in der Gesellschaft und fördern damit auch Innovationen, den technischen Fortschritt und ihre eigene erfolgreiche Zukunft. Im Fahrradhandel ist etwa der zunehmende Umstieg auf Elektromobilität ein Beispiel, wie fortlaufend neue Kompetenzen bei den Mitarbeitern benötigt werden und die Betriebe sich auf neue Technologien einstellen müssen. Dazu leistet die Aus- und Weiterbildung einen großen Bei-
trag.« //

6. August 2024 von Dorothea Weniger
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