Aha-Erlebnisse für Händler
„Chance statt Schicksal!“: HP Velotechnik schulte zum Medizinproduktegesetz
Das Seminar war Teil einer zweitägigen Händlerschulung der Spezialradschmiede. Am 16. und 17. Februar traf man sich in Hofheim beziehungsweise Kriftel. Anlass für die Schulung: die Einführung des neuen HP Gekko fxs, ein mitwachsendes Reha-Modell für Kinder und Jugendliche. Das Rad soll in den nächsten Tagen laut der zuständigen Stellen die Hilfsmittelnummer erhalten. Sie ermöglicht es dem Kunden mit entsprechendem Bedarf, ohne großem Aufwand beim Kauf von der Krankenkasse Unterstützung zu bekommen.
Medizinprodukteberater statt Händler
Die Hilfsmittelnummer – aber nicht nur sie – macht das Rad zum Medizinprodukt. Und da wird die Sache kompliziert. Deshalb hat HP Velotechnik zum Auftakt des Schulungstreffens ein Seminar über das Medizinproduktegesetz anberaumt. „Mit dem Gekko fxs bringen wir unser erstes Rad auf den Markt, das eine Hilfsmittelnummer hat und in die Kategorie der Medizinprodukte fällt“, erklärt Paul Hollants, Mit-Geschäftsführer von HP Velotechnik. „Der Händler wird damit zum Medizinprodukteberater. Und wir wollen die wesentlichen Voraussetzungen – natürlich auch rechtlich – dafür schaffen, dass unsere neuen Produkte sicher verkauft werden können. Schließlich kommen wir mit dem Gekko fxs in ein ganz neues Marktfeld – und dafür legen wir hier den Grundstein.“
Als Referent hat HP den Mediziner Dr. Thomas Castner verpflichtet. Der Sportarzt arbeitet unter anderem zum Thema Ergonomie auf dem Fahrrad und unterhält in Markdorf am Bodensee ein Radlabor und eine sogenannte Fahrradfahrer-Sprechstunde, in der sich Radler mit sitz- oder sonstigen Problemen beraten lassen können.
Die „Invalidenkurbel“ und ihre Folgen
Die Bestimmungen sind laut Castner klar: Ein Medizinprodukt ist ein für kranke Menschen oder Menschen mit eingeschränkten Fähigkeiten bestimmtes Produkt. Wer seinen einstellbaren Kurbelarm „Invalidenkurbel“ nennt, biete alleine schon durch diese Bezeichnung ein Medizinprodukt an. Nicht nur er selbst muss dann MP verkaufen dürfen, auch das Produkt muss bestimmten Voraussetzungen entsprechen: es muss das CE-Zeichen tragen, nachgewiesenerweise für die genannte Nutzung sinnvoll sein, dieser Nachweis muss dokumentiert sein und weiteres.
Es scheint ausgeschlossen, Räder oder Zubehör im Reha-Bereich zu verkaufen, die nicht als MP gelten. „Schon wenn ich sage, ‚das ist ein Rad, das gut für Menschen mit Behinderung ist’, preise ich ein Medizinprodukt an“, erklärt Castner. „Mit allen Konsequenzen!“
Erschrecken konnte die Händler auch, dass man mit einem Anbau eines Zubehörs an ein Medizinprodukt ein neues MP kreiert – und sich damit als Hersteller verantwortet. Castner schilderte den Fall eines Händlers, der eine nicht dafür bestimmte Klingel an den Rollator einer älteren Dame schraubte. Sie hatte danach einen Unfall, womöglich, weil ihr Mantel an der Klingel hängen blieb und damit einen Sturz auslöste. Es kam zur Umkehr der Beweislast – nicht die Geschädigte musste also nachweisen, dass der Sturz von der nicht zugelassenen Klingel verursacht worden war – der Händler sollte nachweisen, dass dies nicht der Fall gewesen war. „Das ist der Super-Gau vor Gericht“, so Castner.
Herausforderung annehmen, Chancen nutzen
Am Ende des Seminartags waren die Teilnehmer betroffen und erleichtert zugleich. Auch wenn sich bei einer kurzen Umfrage einige Händler sehr skeptisch über den Einstieg in die Medizinprodukte äußerten: „dreimal so viele“, zählte der Seminarleiter, „sehen eine positive Zukunft für ihr Geschäft dank des Medizinproduktegesetzes.“ Und ihres neuen Zertifikats. Vor allem, so der Mediziner, würde es mit der neuen Einstufung viel einfacher werden, Beratungshonorar zu verlangen – und zu bekommen. Ein weiterer Vorteil liege in den Wartungsintervallen, die der Händler bei diesen Produkten ja selbst festlegen kann. Der Weg zu mehr Umsatz ist offen, so die abschließende Prognose.
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