Branche - Gehälter
Das Gehalt im Blick
Grundlage dieser Zahlen sind die Daten der letzten Verdienststrukturerhebung von 600.000 Vollzeitbeschäftigten. Sie sind untergliedert nach Wirtschaftszweigen, Regionen und persönlichen Angaben für in Vollzeit Beschäftigte. Die Gehaltszahlen stammen aus den Lohnabrechnungen der Betriebe und bieten daher eine hohe Datenqualität. Zudem sind sie in einer brauchbaren Aufschlüsselung verfügbar, sodass nach Unternehmensgröße, Ausbildungsabschluss, Betriebszugehörigkeit und Branche, in diesem Fall Einzel-, Großhandel und Industrie unterschieden werden kann. Die Erhebung fand bisher nur alle vier Jahre statt, zuletzt 2018, seit 2021 werden diese Zahlen aber auf Basis der neuen Verdiensterhebung regelmäßig aktualisiert (beziehungsweise sollen aktualisiert werden). Bei vollständiger Umsetzung liefern dann sieben Millionen Vollzeitbeschäftigte die Datengrundlage. Für die Statistikfreaks ist auch noch interessant, dass die Zahlen als Schätzungen gelten, da auf ein Regressionsmodell zurückgegriffen wird und nicht einfach Durchschnittswerte angegeben werden. Dies wird getan, um die Abfrage nach den eigenen Kritieren zu erleichtern und auch dann aus den Datensätzen zu sinnvollen Schätzungen zu kommen, wenn sonst nicht genug Menschen in einer ähnlichen Situation sind. Eine solche Regressionsanalyse nimmt man vor, wenn es die jeweiligen Faktoren einen ursächlichen Einfluss auf das erzielbare Gehalt haben. Insgesamt wird man, trotz gewisser Schwächen, schwerlich eine verlässlichere Datenbasis als den Gehaltsvergleich von Destatis finden.
Für diese Recherche konzentrieren wir uns auf die Berufe, in denen die meisten Beschäftigten angestellt sein dürften: Im Verkauf und in der Werkstatt.
Fahrradmechaniker
Der Fahrradmechaniker und die -mechanikerin können sich im Prinzip freuen: Gut ausgebildete Werkstattmitarbeiter und -mitarbeiterinnen werden nie lange nach einem Job in diesem Beruf suchen müssen. Die Nachfrage nach Werkstattpersonal ist höher als je zuvor, bei gleichzeitig überschaubarem Angebot. Warum begeistert diese sichere Berufsperspektive dann nicht mehr Menschen? Trotz hohen Bedarfs können die Gehälter den Bundesvergleich meist nicht übertreffen. Der Median über alle Berufsgruppen liegt in Deutschland bei 43.200 Euro, also die eine Hälfte verdient weniger, die andere Hälfte mehr. Fahrradmechanikerinnen und -mechaniker mit 40.000 Euro Bruttogehalt und mehr gelten hingegen eher als eine Seltenheit in der Bike-Branche.
Wer in der Fahrradbranche an Fahrrädern schraubt, muss sich oft mit unterdurchschnittlichen Gehältern zufriedengeben.
Für die Tabellen wurde davon ausgegangen, dass die abfragende Person zwei Jahre Betriebszugehörigkeit aufweist, eine abgeschlossene Berufsausbildung hat und in einem Betrieb mit 10 bis 49 Mitarbeitern unbefristet angestellt ist.
Zunächst einmal ist der augenfällige Unterschied zwischen Frauen und Männern in der Gehaltsstatistik zu erklären. In diesem Modell muss man wissen, dass diese Zahlen nicht einen Gender Pay Gap belegen, sondern dass diese Differenz aufgrund zu geringer Fallzahlen durch das Regressionsmodell lediglich unterstellt wird. Entsprechend werden rund 11 Prozent pauschal abgezogen, in der Hoffnung, dass dies dann auch in den Berufen aussagekräftig ist, in denen entweder wenig Frauen oder wenig Männer arbeiten und entsprechend nicht genug Daten vorhanden sind.
Gefälle zwischen Ost und West flacht ab
Eine andere Auffälligkeit ist die nach wie vor signifikante Differenz zwischen den Gehältern in Ost- und Westdeutschland. Es wurde schon vielfach festgestellt, dass dieser Gehaltsunterschied auch 30 Jahre nach der Wende noch vorhanden ist und nur langsam sinkt. Über alle Berufe hinweg liegt er bei rund 20 Prozent. In der Fahrradbranche und insbesondere bei den Werkstattmitarbeitern liegt er bei knapp über 17 Prozent und damit leicht darunter. In Westdeutschland tragen Fahrradmechaniker im Schnitt 2447 Euro brutto im Monat nach Hause (mit den besagten zwei Jahren Betriebszugehörigkeit und Berufsausbildung) während es im Osten 2083 Euro sind.
Mit 2580 Euro durchschnittlichem Bruttomonatsgehalt verdienen Fahrradmechaniker in Hamburg am
meisten, ganz dicht gefolgt von den Kolleginnen und Kollegen in Baden-Württemberg mit 2579 Euro. Am anderen Ende finden sich Sachsen und Thüringen.
Die zwei Tabellen zeigen zum einen die Gehälter von Fahrradmechanikern im Einzelhandel und zum anderen die Gehälter in der Industrie (sonstiger Fahrzeugbau, z. B. Fahrräder) auf. Wie sich scheinbar zeigt, zahlt die Industrie bei gleichen Voraussetzungen deutlich höhere Gehälter, als es der Einzelhandel tut. Da sich zumindest auf dem Gebiet der Personalgewinnung Handel und Industrie als Wettbewerber treffen, sind das schlechte Nachrichten für Ersteren. Die gute Nachricht: Wie beim Gender Pay Gap wurden diese Gehälter hochgerechnet und sind damit nur geschätzt. Die pauschal angesetzten 35 Prozent Industrieaufschlag gegenüber dem Handel sind ein Faktor, der sich über alle Industriebranchen ergibt, aber für die Fahrradwelt als zu hoch angesetzt gelten darf.
Mit mehr Berufserfahrung und Betriebszugehörigkeit steigt in aller Regel auch das Gehalt. Wenn man von zehn Jahren Betriebszugehörigkeit ausgeht (statt den bisher genannten zwei Jahren), steigt das Gehalt für Zweiradmechaniker erwartungsgemäß. Allerdings ist der Sprung nicht allzu weit: Einen Unterschied von knapp zehn Prozent erwartet die Statistik über diesen Zeitraum.
Ebenfalls einen Einfluss auf das Gehalt hat auch die Betriebsgröße. In den Beispieltabellen wird von Unternehmensgrößen mit 10 bis 49 Mitarbeitenden ausgegangen. Hat der Betrieb weniger als zehn angestellte Werkstattmitarbeiter, muss man sich auf ein geringeres Gehalt einstellen. Etwa 6 bis 8 Prozent weniger Gehalt zeigt Destatis auf der vorhandenen Datengrundlage für die kleineren und damit die meisten Fahrradwerkstätten und Handelsbetriebe in Deutschland.
Insgesamt kommt damit ein Zweiradmechaniker in den alten Bundesländern auf ein durchschnittliches Jahresgehalt von knapp 30.000 Euro.
Fahrradverkauf Einzelhandel
Der Gehaltsvergleich von Destatis liefert zwar umfangreiche Daten zu den Gehältern von Verkäuferinnen und Verkäufern im Einzelhandel, aber leider nicht explizit für die Fahrradbranche. Damit ist die Vergleichbarkeit nur begrenzt vorhanden. Wenn man als Grundlage »Verkäufer/in im Einzelhandel« nimmt, dann ist man ungefähr auf dem Gehaltsniveau wie in der Werkstatt. Allerdings fehlen in beiden Bereichen die leistungsabhängigen Boni. Gerade im Verkauf gibt es oft Prämien, auch wenn sie mitunter sehr unterschiedlich gestaltet sein können. Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie ein denkbares 13. Gehalt finden sich in der Gehaltsschätzung von Destatis ebenfalls nicht wieder. Wie zuvor hat die Unternehmensgröße Einfluss auf das erzielbare Gehalt. Sieht man sich statt der Allgemeinbezeichnung »Verkäufer/in« stattdessen die Fachverkäuferinnen an, und dazu dürften sich die Angestellten im Fahrradhandel ebenfalls zählen, kommt man auf durchschnittlich um etwa zehn Prozent höhere Gehälter. Des Weiteren findet sich hier ein Großhandelszuschlag. Branchenübergreifend erzielen Angestellte im Großhandel höhere Gehälter als im Einzelhandel.
Explizite Angaben für Fahrradverkäufer findet man etwa auf der Webseite von Gehalt.de. Dort findet man ein bundesweites Durchschnittsgehalt von 2628 Euro im Monat für Vollzeitmitarbeitende im Fahrradverkauf bei Betrieben mit weniger als 100 Mitarbeitern. Trotz der deutlich geringeren Zahl an Datensätzen könnte diese Größenordnung hinkommen. Allerdings findet sich dort auch eine Gehaltsangabe für Fahrradverkäuferinnen in Betrieben mit über 20.000 Mitarbeitern. Diese Betriebe gibt es nicht.
Insgesamt fügen sich diese Zahlen in das Bild, das von der Fahrradbranche besteht: Ein großer, seit vielen Jahren unbefriedigter Personalbedarf trifft auf begrenzte Gehaltsmöglichkeiten im Handel und auch in der Fertigung. Das Ergebnis ist der bekannte Fachkräftemangel mit all seinen Konsequenzen, der die Branche noch länger verfolgen wird.
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