10 Minuten Lesedauer
i

Business Navigator - Rohertrag

Das, was übrig bleibt

Verglichen werden meist Umsatzgrößen, aber der Rohertrag ist für die wirtschaftliche Tragfähigkeit eines Betriebs entscheidender. Diese Kennzahl genau im Blick zu haben, ist für jeden Händler und jede Händlerin elementar.

Den Umsatz zu steigern ist eine Kleinigkeit, aber gleichzeitig auch den Rohertrag mit nach oben ziehen, das ist die eigentliche Kunst«, erklärt Unternehmensberater Andreas Lübeck die Herausforderung, die hier besteht. Gleichzeitig ist der Rohertrag das, woran man wirklich arbeiten will, denn »davon lebt der Handel, davon zahlt er seine Kosten«.

Definition und Basics

Bevor es darum geht, wie man das Kunststück vollbringt, mehr Rohertrag zu erwirtschaften, muss man sich zunächst klarmachen, was »Rohertrag« genau ist. Am einfachsten geht das über ein Beispiel: Wenn etwa ein Fahrradschloss für 10 Euro netto eingekauft wird und später für 20 Euro netto verkauft wird, dann ist der Rohertrag 20 minus 10 Euro, also 10 Euro. Der Rohertrag ist also schlicht die Differenz vom Verkaufspreis netto zum Einkaufspreis netto. Die Umsatzsteuer ist in dieser Rechnung bereits abgezogen, aber sonst ist noch nichts weiter berücksichtigt.

»Für mich als Händler ist das die entscheidende Frage: Kann ich meinen Rohrtrag eigentlich in irgendeinem Fall beeinflussen?«

Thorsten Larschow, Rad & Tour Cuxhaven

Drückt man den Rohertrag in Prozent aus, hat man die Handelsspanne errechnet. Gelegentlich wird noch ein Rohertrag II berechnet, bei dem zusätzlich noch Warenbezugskosten, also etwa Transportkosten, Zölle und sonstige Ausgaben in diesem Feld mit einbezogen werden.
Ein bisschen komplizierter wird die Sache, wenn man ganze Warengruppen betrachtet. In dem Moment geht es nicht mehr um den reinen Wareneinkauf, sondern um den Wareneinsatz. Dann wird also nicht mehr einfach geschaut, was eingekauft wurde, und dieser Einkauf mit dem Umsatz verglichen. »Ich darf nur die Ware als Einkauf gegenrechnen, die ich wirklich in dem Zeitraum verbraucht habe, um den Umsatz mit der Warengruppe zu erzielen«, erklärt Lübeck.
Der Rohertrag wird in Euro angegeben. Als Händler will man wissen, wie viel Rohertrag man in einem Jahr mit einer bestimmten Warengruppe erzielt hat. Mit solchen absoluten Werten kann sich Händler A aber noch nicht mit Händler B vergleichen. Wenn Betrieb A 10.000 Euro Rohertrag mit Schlössern erwirtschaftet hat und Betrieb B 11.000 Euro, »dann sagt das relativ wenig aus«, erklärt Lübeck. »Wenn ich aber sage, ›ich hatte mit Schlössern eine erzielte Handelsspanne von 32 Prozent‹ und der andere hat 31 Prozent, dann ist das sehr wohl miteinander vergleichbar.«
Wenn man dieses Fass aufmacht, kommt man bereits auf die Besonderheiten in der Fahrradbranche zu sprechen: »Wenn ich Prozente, die ich für schnelles Zahlen oder für andere Sachen bekomme, noch reinrechne, wird das schon schwierig«, bemerkt Thorsten Larschow. Fahrradhersteller bewerben in ihren Ordermappen keine Handelsspanne, sondern einen Kalkulationsfaktor. Dabei wird vom Nettoeinkaufspreis auf den Bruttoverkaufspreis gerechnet. »Völlig idiotisch«, nennt Lübeck das. Doch bis heute ist das der Weg, wie in der Fahrradwirtschaft gerechnet wird. Der Branchenlegende nach hat der frühere ZEG-Vorstand und -Mitgründer Bernhard Lakämper diese Kalkulationsart »erfunden«. Die ZEG habe damals schon früh eigene Marken produziert und musste sich gegen übermächtige Großhändler und Hersteller durchsetzen. Diese Art der Kalkulation (»Wir haben 80 Prozent Aufschlag«) sieht so natürlich besser aus als bei herkömmlichen Berechnungsarten (»Wir haben 51 Prozent Handelsspanne«). Diese rein optische Aufhübschung hat sich über die Jahre branchenweit durchgesetzt. Probleme machte diese Art der Berechnung, als zum Jahreswechsel 2006/2007 der Umsatzsteuersatz erhöht wurde und größere Diskussionen aufkamen, wie das bei den Aufschlägen zu berücksichtigen sei, um zu einem fairen Ausgleich zwischen Herstellern und Händlern zu kommen.

Die Praxis des Rohertrags

Doch welche Bedeutung hat der Rohertrag in der Praxis, mal abgesehen von dem Umstand, dass man ihn benötigt, um wirtschaftlich bestehen zu können?
»Für mich als Händler ist das die entscheidende Frage: Kann ich meinen Rohrtrag eigentlich in irgendeinem Fall beeinflussen?«, fragt Larschow. »Und das ist zumindest in unserer Branche beim Verkauf von Fahrrädern ein sehr, sehr schmales Fenster.« Es ist vor allem anderen der Einkaufspreis, der den Rohertrag verändern würde. »Zumindest in der Theorie ist es so, dass der Verkaufspreis fix ist«, erklärt Larschow.

Rabatte zu geben schlägt sich stärker auf den Rohgewinn aus, als vielen bewusst ist ...

»In der Praxis ist es natürlich so, dass auch der Verkaufspreis eventuell mal einer Veränderung unterliegt.« Wer da eine gewisse Ironie heraushört, liegt sicher nicht falsch, aber die Aussage hat doch auch einen fundamentalen betriebswirtschaftlichen Aspekt: In einem idealen, transparenten Markt wäre der Verkaufspreis tatsächlich fixiert. In der Realität versuchen die Kundinnen und Kunden aber regelmäßig, am Verkaufspreis zu rütteln. Die Betrachtung des Rohertrags schafft im Handel ein Bewusstsein für die Bedeutung von gegebenen Rabatten.

Rabatte schlagen stark auf Rohertrag durch

»Wenn man einen Aufschlag von 80 oder 90 Prozent hat, dann fühlt es sich für einen Händler ja immer sehr wenig an, 10 Prozent Rabatt zu geben«, erklärt Lübeck, »Aber wenn man es dann wirklich mal ausrechnet, was der Rabatt für den Rohertrag bedeutet, dann merkt man erst, wie stark dieser in die Knie geht.«
Larschow macht an einer Beispielrechnung klar, um welche Prozente und Summen es gehen kann: Angenommen, ein Händler hat ein Fahrrad mit einem Verkaufspreis von 5000 Euro im Laden stehen, das er mit einem 80-prozentigen Aufschlag eingekauft hat. Auf dieses Rad gibt er im Verkaufsgespräch einen Rabatt von 10 Prozent und verkauft es also letztendlich für 4500 Euro.

»Wenn man es dann wirklich mal ausrechnet, was der Rabatt für den Rohertrag bedeutet, dann merkt man erst, wie stark dieser in die Knie geht.«

Andreas Lübeck, Unternehmensberater

Hätte er es zum vollen Preis verkaufen können, hätte er einen Rohertrag von 1423,90 Euro verbuchen können. Da er aber die 10 Prozent Rabatt gegeben hat, ist der Rohertrag nun auf 1003,74 Euro gesunken. Der Rohertrag ist also nicht ebenfalls um 10 Prozent gesunken, sondern um 29,51 Prozent. »Das ist etwas, was viele verkennen«, beobachtet Larschow. »Durch die 10 Prozent Nachlass hast du fast 30 Prozent vom Rohertrag verloren. Ich finde, das ist das Entscheidende. Man hat unverhältnismäßig viel Ertrag verloren.« (Übungsaufgabe: Berechnen Sie, um wie viel Prozent Ihr Rohertrag sinkt, wenn Sie 6 Prozent des Umsatzes an einen Leasing-Anbieter abtreten.)

Fixkosten müssen berücksichtigt werden

Jetzt könnte man sich sagen, dass der 1003-Euro-Spatz in der Hand besser ist als die 1423-Euro-Taube auf dem Dach. Was ist also das Problem? Hier kommt noch ein anderer wesentlicher Aspekt zum Tragen. »Der wird relativ klar, wenn wir nicht von Geld reden, sondern von Prozent«, verdeutlicht Larschow. »Wenn man beim Rohertrag deutlich unter 30 Prozent liegt, dann wird man es nicht mehr schaffen, seine Kosten zu decken. Denn dieser Rohertrag ist ja der Ertrag ohne Berücksichtigung sämtlicher Kosten. Also habe ich dann nicht 1000 Euro in der Tasche, sondern ich habe dann gar nichts in der Tasche.«

... deswegen muss man sich im Fachhandel genau überlegen, wie man mit diesem Thema umgehen will und welche Rabatthöhe noch vertretbar ist.

In der Beispielrechnung hätte man beim Verkauf zum regulären Preis eine Handelsspanne von 51,26 Prozent erzielt. Beim Verkauf zum reduzierten Preis liegt diese nur noch bei 36,13 Prozent. Ist das nicht noch im grünen Bereich? Hier spielt der Business Navigator seine Stärken aus, der Vergleichszahlen aus dem Handel liefern kann und insbesondere Vergleichszahlen liefern kann von Betrieben, die miteinander vergleichbar sind.
»Fixe Kosten mit 30 Prozent anzusetzen, ist schon realistisch«, sagt Lübeck, wenngleich diese Zahl je nach Betriebsgröße schon sehr unterschiedlich sein könne. »Wenn man beim Rohertrag unter diesen Wert rutscht, wird es doof.« In der Konsequenz bedeutet das auch, dass es für den Handel sinnvoll sein kann, auf ein Geschäft zu verzichten. »Das ist jedes Mal dann der Fall, wenn man in dem Bereich ist, dass man Geld drauflegt, weil man seine Fixkosten nicht decken kann. Man muss seine Fixkosten mindestens gedeckt haben«, verdeutlicht Lübeck. »Kein Deal ist dann der bessere Deal«, ergänzt Larschow.
Eine andere Perspektive gewinnt man, wenn man sich vom einzelnen Produkt löst und sich den Aspekt Mischkalkulation anschaut, der in der Fahrradbranche inzwischen zumindest bei den größeren Betrieben ebenfalls verbreitet ist. Mit Mischkalkulationen zu arbeiten bedeutet häufig, dass man bestimmte Produkte preisaggressiv anbietet und bei denen dann tatsächlich unter der Handelsspanne liegt, die man eigentlich bräuchte. Damit lockt man aber idealerweise Kundschaft in den eigenen Laden. Dort findet diese Kundschaft dann zusätzlich noch genügend andere Produkte, mit denen bessere Roherträge erwirtschaftet werden können, sodass am Ende wieder ein positives Gesamtergebnis erscheint.

30 Prozent sinkt der Rohertrag in etwa, wenn man einen Rabatt von 10 Prozent auf den Verkaufspreis gibt.

Der andere Weg, auskömmliche Erträge zu erwirtschaften, wäre natürlich, an den Fixkosten zu schrauben. »Man kann ja ohne Pro­bleme mit 10Prozent Rabatt verkaufen«, erklärt Larschow, »Dann muss man aber eventuell einen Verkäufer entlassen, oder die Räder nicht von Technikern sondern von Aushilfen montieren lassen. Wer 10 Prozent auf seine Fahrräder gibt, hat dann auch keine guten oder viel weniger Verkäufer, weil es dann auch keine intensiven Gespräche geben kann. Man hat dann seine Fixkosten reduziert und kommt mit einer geringeren Handelsspanne hin.« Da müsse man sehen, welches Geschäftsmodell man fahren wolle. Für den beratungsorientieren, stationären Fachhandel ist diese Option bis auf Weiteres von eher untergeordneter Bedeutung.
Der Rohertrag ist noch nicht der Gewinn. »Wenn man über die Jahre einen stabilen Rohertrag von 33 Prozent hat und die Kosten bei 30 Prozent liegen, dann hat man einen Gewinn von 3 Prozent. Das ist im Handelsgeschäft ja gar nicht so unüblich«, erklärt Larschow. Am Ende müssen alle ihre Gewinne auch noch versteuern. Das Handelsgeschäft ist also alles andere als trivial, den Rohertrag dabei fest im Auge zu behalten eine elementare Aufgabe. //

4. Oktober 2024 von Daniel Hrkac

Verknüpfte Firmen abonnieren

Andreas Lübeck Unternehmensberatung
Nur für Abonnenten
News
Nur für Abonnenten
Kommentare
Nur für Abonnenten
Stellenmarkt
Rad & Tour
Nur für Abonnenten
News
Nur für Abonnenten
Kommentare
Nur für Abonnenten
Stellenmarkt
Velobiz Plus
Die Kommentare sind nur
für unsere Abonnenten sichtbar.
Jahres-Abo
115 € pro Jahr
  • 12 Monate Zugriff auf alle Inhalte von velobiz.de
  • täglicher Newsletter mit Brancheninfos
  • 10 Ausgaben des exklusiven velobiz.de Magazins
Jetzt freischalten
30-Tage-Zugang
Einmalig 19 €
  • 30 Tage Zugriff auf alle Inhalte von velobiz.de
  • täglicher Newsletter mit Brancheninfos
Jetzt freischalten
Sie sind bereits Abonnent?
Zum Login