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Report - Ladenbau

Der Fahrradladen als Wohlfühlort

Die Stärke des Einzelhandels ist das Einkaufserlebnis. Mit einem guten Look werden die Menschen in den Shop gelockt, ein stimmiges Konzept aus Ladendesign, Expertise und Begleitung der Kunden sorgt dafür, dass sie wiederkommen.

Kaum stehe ich in der »Elbe Raederei«, sind Sturm und Regen vor der Tür vergessen. Wälder, Wiesen, Deiche und Elbe leuchten mir von wandhohen Fotos entgegen. Auf jedem Bild durchzieht ein breiter freier Radweg die Landschaft. Ich kenne jeden dieser Wege. Sie führen durch die schönsten Ecken der Region. Wahrscheinlich habe ich sogar schon mal auf der weißen Bank am Deich auf dem Foto gesessen. Das orangefarbene Gravelrad auf dem Podest vor der Bank wirkt wie eine Aufforderung loszufahren, am besten sofort.
In der »Elbe Raederei« macht Jan-Eric Bösch seinen Kundinnen und Kunden Lust aufs Radfahren. Im August 2023 hat er seinen Laden im Alten Land zwischen Elbe und Geest eröffnet. Damals herrschte bereits seit Monaten Katerstimmung in der Branche. Die Saison ging zu Ende, aber die Lager waren noch voll und die Preise sanken. Die Händler sparten, nur wenige investierten zu diesem Zeitpunkt noch in ein neues Ladendesign. Dabei gelten der Look eines Ladens und das Einkaufserlebnis als die Stärke des Einzelhandels. Ein neues Outfit für den Store, interessante Akzente oder ein neues Arrangement der Fahrräder sind das, was die Kunden neugierig macht und in den Laden lockt. Wenn dann der Service und die Beratung stimmen, kann ein Fahrradladen zum Treffpunkt werden.
»Gut gemacht, ist der Fahrradladen ein Ort, an dem Kunden sich wohlfühlen, immer wieder Neues entdecken und wissen, dass sie gut beraten werden«, sagt Benedikt Starke, Head of Retail Design bei dem Ladenbauer Schemberg. Das Unternehmen ist im Retail Store Design in verschiedenen Branchen aktiv und hat in den letzten Jahren Dutzende außergewöhnliche Fahrradläden realisiert. Schemberg wirbt damit, emotionale Erlebniswelten zu schaffen, die die Kundschaft begeistert. »Amazon hat ein unendliches Lager und immer den günstigsten Preis. Was die Kunden dort nicht bekommen, ist ein Einkaufserlebnis. Deshalb ist es unglaublich wichtig, dass die Kunden sich sofort wohlfühlen, wenn sie den Fahrradladen betreten«, sagt Starke.
Aus seiner Sicht haben die Fahrradhändler dafür alle Trümpfe in der Hand. Sie sind die Experten, kennen den Markt und jedes Detail zu ihren Rädern. Sie wissen, welches Rad zu wem passt, können es wie einen Maßanzug an den Käufer oder die Käuferin anpassen und es später warten und reparieren. Aber diese fachliche und handwerkliche Expertise spiegele die Inneneinrichtung oft nicht wider. Stattdessen stünde die Kundschaft in den Läden vor unübersichtlichen Lenkerparaden und einer Flut an Zubehör.
»Weniger ist mehr«, sagt Starke. Ein modernes Ladendesign funktioniere wie ein Wegweiser. Es führt die Besucherinnen und Besucher gezielt zu verschiedenen Rädern und durch die unterschiedlichen Themenwelten. Das funktioniere in großen Stores ebenso wie in kleinen Shops, in sportaffinen Mountainbike-Stores ebenso wie im Retro-Shop, der vor allem City- und Hollandräder verkauft.
Der Schlüssel zum Erfolg ist für Starke, dass das Ladendesign den Stil, die Werte und die Haltung des Händlers widerspiegelt. In der »Elbe Raederei« ist bereits der Name Teil des Konzepts. Bösch ist im Landkreis aufgewachsen. Er will in seinem Store die Region widerspiegeln. Dafür werden die Elbe, der Hafen und die Weite der Landschaft auf der 570 Quadratmeter großen Verkaufsfläche mit großformatigen und hinterleuchteten Bildern in Szene gesetzt. Gerade mal 120 Räder stehen in seinem Laden. »Die Menschen sollen sich frei im Raum bewegen können und die Räder von allen Seiten sehen«, sagt Bösch. Dazu werden sie auf verschieden hohe Podeste gesetzt oder in Raumteiler, wo sie wie gerahmte Kunstwerke wirken.

Der Sinn für Schönheit, Lebensqualität und die Verbundenheit zur Region sind in der Elbe Raederei im Design, im Sortiment und im Service spürbar.

Seine Verbundenheit zur Region setzt Bösch in seinem Sortiment fort. Mit Stevens hat er unter anderem eine Hamburger Fahrradmarke im Portfolio und sein Fahrradöl »Atlantic« bezieht er beispielsweise aus dem vier Kilometer entfernten Nachbardorf. »Ich will Teil der Region sein und der Region etwas zurückgeben«, sagt er. Deshalb ist er Mitglied im Tourismusverband, im lokalen Triathlon-Verein und bietet Fahrradleasing für die Unternehmen vor Ort. Ein Geschäftsführer aus dem Ort hat in der Elbe Raederei die Betriebsfeier für seine Mitarbeiter ausgerichtet.

Fahrradladen als »second place to be«

Für Starke ist Böschs Konzept zeitgemäß. Heute reiche es nicht mehr, Möbel in den Raum zu stellen. »Die Händler müssen mit ihrem Laden einen ›second place to be‹ schaffen, einen Ort, an dem die Menschen sich gerne aufhalten, gerne einkaufen und sich gut beraten fühlen«, sagt er.
»Die Ansprüche der Kunden an Service und Dienstleistung haben sich in den vergangenen Jahren verändert«, sagt auch Timo Herschbach, Business Development Manager bei E-motion. Das Franchise-Unternehmen verkauft seit der Gründung 2009 ausschließlich E-Bikes. Damit gehört es zu den Vorreitern in der E-Bike-Branche. Inzwischen gibt es über 100 E-motion-Shops in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Farben Grün und Weiß sind ihr Erkennungszeichen. Im Shop werden sie gerne mit verschiedenen Holzelementen kombiniert. Die hellen, großzügigen Shops, mit ihrem aufgeräumten Design, viel Platz und sorgfältig platzierten E-Bikes, sind längst ein Markenzeichen der Gruppe.

»Es erfordert Mut, sich in schwierigen Zeiten neu aufzustellen.«

Benedikt Starke, Head of Retail Design Ladenbau Schemberg

Beim Start 2009 mussten die E-motion-Händler vielen Kunden noch erklären, was ein E-Bike ist und was es kann. Inzwischen hat das Unternehmen 35 Premiummarken im Sortiment und ihre Kunden geben oft 5000 Euro und mehr für ein E-Fahrrad aus.

Individuelle Shop-Gestaltung entscheidend

»Den Preis, die Qualität und die Wertigkeit der E-Bikes müssen die Kunden als Einkaufserlebnis in jedem Shop wiederfinden«, sagt Herschbach. Um einheitliche Standards sicherzustellen, hat E-motion ein Ladendesign-Konzept entwickelt, das auf Themenwelten basiert. Sie sollen die Kundinnen und Kunden in genau die Welt und Stimmung versetzen, in der sie mit dem E-Bike unterwegs sein werden. Die Ladenbau-Spezialisten Schemberg und Designplus haben deshalb für verschiedene Bereiche von Urban über Trekking bis Performance eine Vielzahl unterschiedlicher Möbel entwickelt. Mit diesem Sortiment planen sie dann mit Herschbachs Kollegen deren E-motion-Shops. »Auf diese Weise kann jeder Inhaber seine individuellen Wünsche bei der Shop-Gestaltung sehr gut einfließen lassen«, sagt Herschbach.
So erhält jeder Shop eine individuelle Note. Was sie eint, ist das Design. Denn die Farben, Materialien und Dekore sind für die jeweilige Themenwelt klar definiert. Für den Citybereich etwa gibt es neben den Podesten in den Farben Weiß und Grün oder Holz beispielsweise auch eine Asphaltrampe oder Gitterpodeste, um einzelne E-Bikes zu betonen. Für den Trekkingbereich sind warme Holztöne typisch, und im Performance-Segment können die E-Mountainbikes in der Bergwelt auf verschiedenen Würfeln vor Bergsilhouetten in Grau- und Grüntönen präsentiert werden. Die Themenwelten sind optisch und haptisch deutlich voneinander getrennt, damit die Kundschaft sich sofort zurechtfindet.


E-motion hat aufgrund von Farbe und Design einen hohen Wiedererkennungswert, dennoch hat jeder Shop einen ganz eigenen Stil.

Seit einigen Jahren entwickeln immer mehr Fahrradmarken wie Kalkhoff, Specialized oder auch Giant eigene Point-of-Service–Systeme (POS). Auf diese Weise wollen sie ihre Räder in den Läden mit ihrer Markenbotschaft in Szene setzen. E-motion übernimmt die POS–Systeme eher selten. »Als House of Brands wollen wir unsere eigene Marke nicht verwässern«, sagt Herschbach. Ein E-motion-Shop soll über das Ladendesign weiterhin deutlich erkennbar sein. Jenseits eines Franchise-Konzepts dürften diese POS-Systeme trotzdem einen näheren Blick wert sein, wenn sie ihren Zweck erfüllen, das Ladengeschäft attraktiver zu machen.

Wohlfühlatmosphäre schaffen

Herschbach und sein Team arbeiten ständig daran, das Einkaufserlebnis mithilfe des Ladendesigns zu verbessern. Vor drei Jahren haben sie die Kasse im Eingangsbereich durch eine Willkommenstheke ersetzt. Seitdem wird der Kunde oder die Kundin dort von einem Verkäufer in Empfang genommen und begrüßt. Zur neuen Willkommenskultur gehört auch eine Kaffee-Lounge. »Es geht uns dabei nicht um den Espresso, sondern um die Frage, wie begrüße ich den Kunden und wie schaffe ich auf Anhieb eine Wohlfühlatmosphäre«, sagt Herschberg. E-motion macht es wie mit Freunden: Man bietet ihnen ein Getränk an und lädt sie ein, sich zu setzen. Mittlerweile gibt es in den neuen Shops Beratungszonen, wo die Kunden im Sitzen mit den Verkäufern ihr E-Bike konfigurieren und es dort auch per kabellosem Kartenlesegerät direkt bezahlen.

Modernisierung von Stores

Die Ladendesign-Konzepte sind in der Franchise jedoch nur erfolgreich, wenn sie für alle E-motion-Shops umsetzbar sind, für die neuen und die bestehenden. Deshalb diskutieren Herschbach und sein Team jedes Jahr mit den Partnern über neue Trends und mögliche Modernisierungen. »Unsere Kernbotschaft ist, dass man beim Ladenbausystem möglichst flexibel und modular bleiben muss«, sagt er. Auf diese Weise können Elemente umgestellt oder einzelne Themenwelten modernisiert werden. »Unser Ladendesign, die Optik unserer Stores ist unsere Visitenkarte. Der Kunde muss sagen, fahr da mal hin, das sieht cool aus, die sind modern«, sagt Herschbach. Aus seiner Sicht ist das sogar wichtiger als die Lage der Stores.

»Unsere Kernbotschaft ist, dass man beim Ladenbausystem möglichst flexibel und modular bleiben muss.«

Timo Herschbach, Business Development Manager E-motion

»Es erfordert Mut, sich in schwierigen Zeiten neu aufzustellen«, sagt Benedikt Starke. Trotzdem rät er Geschäftsführern und der Generation, die bald in Rente geht, jetzt ihre Inneneinrichtung zu modernisieren. »Wer soll einen Laden kaufen, der kein Einkaufserlebnis bietet?«, fragt er. Hinzu kommt: Die Inhaber verbringen den Großteil ihres Lebens in den Stores. »Als Händler und Mitarbeiter arbeite ich lieber in einem Laden, in dem ich mich wohlfühle«, sagt er. Außerdem ziehe ein schöner Laden Personal an und »eine schöne Warenpräsentation macht es leicht, Fahrräder und Zubehör zu verkaufen«, sagt er.
Die Elbe Raederei bestätigt seine These. Anderthalb Jahre nach der Eröffnung ist Jan-Eric Bösch zufrieden. »Das Geschäft lief besser als erwartet«, sagt er. Für ihn ist das kein Grund zum Ausruhen. In der kommenden Saison will er gemeinsame Ausfahrten und Veranstaltungen anbieten. //

28. Februar 2025 von Andrea Reidl

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