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Der Renner vom Profi
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Handel - La Bici

Der Renner vom Profi

Seit 2002 gibt es das kleine Radsport-Fachgeschäft La Bici in Düsseldorf. Dort liegt der Fokus auf dem Fahrrad als Sportgerät, genauer: das Rennrad. Neben wohlklingenden Marken hat der Laden für viele Kunden eine weitere Anziehungskraft: Er wird von Ex-Profi Sven Teutenberg geleitet.

Wir sitzen im Hinterzimmer von La Bici, einem Radladen im Düsseldorfer Villenviertel Niederkassel. »An diesem Tisch wurde die Strecke der Tour de France 2017 geplant«, sagt mein Gegenüber Sven Teutenberg mit selbstbewusstem Lächeln. Jeder, der auch nur ein Tröpfchen Radsport im Blut hat, dürfte den Stolz, der hier mitschwingt, verstehen. Richtig: Sven Teutenberg ist nicht nur Ex-Rennrad-Profi, der in den 90er- und Nuller-Jahren in den großen Teams mit den Radstars der ersten Liga mitfuhr. Teutenberg ist auch der Mann, der ganz entscheidend dazu beitrug, dass das größte Radrennen der Welt in diesem Jahrzehnt nach Deutschland, beziehungsweise nach Düsseldorf gekommen ist. Dabei brauchte die Grande Boucle zwei Anläufe, um 2017 am Rhein zu landen – doch dazu später.
Besagter Tisch ist nämlich auch Besprechungstisch für Teutenberg und seine drei Angestellten, Beratungstisch, Plaudertisch und wohl nicht zuletzt auch Esstisch für die Mitarbeiter im 80-Quadratmeter-Laden. »Klein, aber fein« passt wohl selten so gut wie hier. Schon die Lage ist gehoben: Düsseldorf-Niederkassel ist, laut Wikipedia, ein »heterogener Stadtteil für gehobene Ansprüche«. Hier versteckt sich das La Bici in einem geklinkerten Wohn​­haus mit schmaler Fassade. Ein großer Raum, besagtes Hinterzimmer als Multifunktionsraum und, versteckt in der hinteren Ecke des Ladens, eine kleine Werkstatt. Ein Montageständer, ein Fahrrad, ein Monteur – mehr passt nicht rein, mehr muss aber auch nicht, so Teutenberg.

Feine und klingende Marken

La Bici arbeitet im Fahrradbereich mit verschiedenen klingenen Namen: Da sind heute Cannondale, Pinarello und Eddy Merckx - die Marke des für viele größten Rennfahrers aller Zeiten, darf nicht fehlen. Und dann ist da Ridley, einst Spezialist für Lackierungen, heute globaler Fahrradproduzent mit Custom-Lackierungen. Von ihm kommen derzeit die Rahmen für die für Teutenberg wichtigste Marke, La Bici. Der Kunde hat die – ausgesprochen breite – Farbwahl und kann mit der Beratung des Ex-Profis die Komponenten aussuchen. Nahezu vollständig individualisierbar also. »Das begeistert die Kunden«, sagt Teutenberg. »Sie sitzen hier mit mir am Tisch und dann finden wir zunächst zusammen raus, was der Kunde braucht.«
Er oder sie wird natürlich auch vermessen – ganz klassisch: Körpergröße, Schrittlänge, Armlänge etc. Dann wird er auf die Rolle gesetzt, und das Feintuning startet. Entsprechend der ergonomischen Vorgaben und den Komfortvorstellungen des Kunden kümmert man sich um die perfekte Sitzhaltung. »Auch bei den anderen Marken wird mit Vorbaulängen, Lenkerhöhen und so weiter jongliert, bis es passt«, erklärt Teutenberg. Und natürlich werden die Leute auf Probefahrt geschickt – lieber lang als kurz.

Hier testet der Chef

Soll das Programm um neue Rahmen erweitert werden, entscheidet vor allem die Erfahrung und das technische Feingefühl des Chefs darüber, ob es ins Portfolio aufgenommen wird. Er testet das Rad ausgiebig; schließlich soll dieser neue Rahmen seinen Markennamen tragen. Viele Kunden zählen auf seine Tests: »Wenn das Rad für dich reicht, dann reicht es für mich schon lange«, ist für sie der Tenor.
Es wäre wohl nur teilweise richtig, zu sagen, die Kunden kommen mit denselben Vorstellungen »zum Bici« wie in jeden anderen Sportradladen. Natürlich zählt für manchen die Prominenz des Chefs bei der Entscheidung für den Laden, auch wenn Teutenberg sich bewusst zurückhaltend und angenehm unprätentiös verhält. Zu prahlen hat er nicht nötig. Natürlich stehen einige Pokale ganz oben auf den Regalen des Verkaufsraums, hängen Bilder eines jubelnden Radstars aus den späten Neunzigern an der Wand. Allerdings spürt man: Der Ex-Profi will damit nicht protzen, er befriedigt eher die Erwartungen des Publikums. Trotzdem gibt es auch Nachmittage wie den unseres Besuchs bei La Bici, an dem ein Mitarbeiter mehrmals ins Büro kam und nach Preisen für einen früher von Teutenberg gefahrenen Renner fragte. Und es hörte sich so an, als wäre das erste Bedürfnis des Kunden: dass er ein Rad fahren wollte, das vorher der Ex-Profi unterm Hintern hatte.

Zwei Anläufe für den Tour-Start

Die Enttäuschung dürfte groß gewesen sein, als 2006 der erste Versuch, die Tour nach Düsseldorf zu bringen, scheiterte. Dabei war man weit gekommen. Eigentlich fühlte man sich in der von Teutenberg und seiner Frau gegründeten Event-Agentur – auch mit Namen La Bici – schon sicher: Wir bekommen den Tour-Start hierhin! Doch dann starb in der Ausscheidungsphase mit dem damaligen Oberbürgermeister Joachim Erwin, der damals schon entdeckt hatte, wie viel Image-Gewinn das für die Stadt haben könnte, ein mächtiger Fürsprecher des Projekts. Mit Alexander Liebkind, Leiter des Düsseldorfer Marketing und Tourismus verstarb ein zweiter Mann aus dem Team. »Damit war die Sache praktisch gelaufen,« so Teutenberg. Die zweite Chance kam 2015, als mit Thomas Geisel ein ausgesprochener Fahrrad-Freund Oberbürgermeister wurde. Teutenberg fragte nochmal an, ob die Stadt nicht jetzt die Chance ergreifen wolle, und wenig später waren die beiden zusammen mit dem Stadtdirektor Burkhard Hintschze auf dem Weg nach Paris.
»Und wir hatten ja eigentlich die ganze Vorarbeit schon beim ersten Versuch gemacht«, erzählt Teutenberg. So kam es letztendlich doch noch zur eingangs genannten Planungssitzung am ovalen Tisch im Bici-Büro, an der unter anderem Tour-Chef Prudhomme und Event- Director Teutenberg die Strecke des Grand Departs festlegten. Und die Augen des letzeren leuchten heute noch, wenn er von der Tour in Düsseldorf erzählt, die sogar in der Leostraße, direkt vor dem eigenen Schaufenster, vorbeiführte.

Erst der Sport, dann der Laden

Das Geschäft hatte Teutenberg 2002 übernommen, als er selbst noch Profi war. Eigentlich gab es für ihn nur zwei Möglichkeiten für die Zeit nach der Sportkarriere: Entweder im Radsport bleiben, als Teamleiter oder in ähnlicher Funktion – oder den Fahrradladen. »Das viele Reisen für das Team hätte mich aber sehr abgeschreckt«, sagt der Familienmensch. »Dass meine Frau und ich den Laden hier übernehmen konnten, war ein schöner Zufall; der Vorgänger musste aufhören, und wir griffen zu.« Die ersten Jahre lief der Laden nebenher, war thematisch breiter aufgestellt, aber schon auf lange Sicht als Standbein für später gedacht. Außerdem gab es ja damals bereits die Eventagentur der Teutenbergs – spezialisiert auf Sportveranstaltungen.

Viel Erfahrung = viel Vertrauen

Sicher ist: Tendenziell sind die Kunden, die zu La Bici kommen, kaufkräftig. In Sachen Radsport-Erfahrung ist das Publikum aber bunt gemischt. »Es gibt viele, die neu einsteigen und sich ausführlich beraten lassen wollen.« Und wenn sie schon von Null aus starten, dann bei jemandem, dem sie ganz sicher die Kompetenz aus seiner Erfahrung heraus zuteilen. »Und wir können als kleiner Laden gut die Voraussetzungen für diese Beratung zum Einstieg bieten«, sagt Teutenberg. Bei La Bici geht’s familiär zu, die persönliche Atmosphäre im kleinen Beratungszimmer ist eine gute Basis. Außerdem spielt natürlich auch hier der Promi-Faktor mit rein: So mancher will sich dezidiert vom Chef beraten lassen. Neben den Neueinsteigern gibt es aber auch Radsport-Stammkunden, die neue Komponenten erst einmal wiegen, bevor sie sie kaufen, Teutenberg schmunzelt. »Aber erstaunlich viele Leute kaufen auch nach Marke oder sogar mit Farb- oder Designvorstellungen im Kopf.« Das trifft sich wohl gut, denn bei seiner eigenen Marke können die Kunden viel mitreden – nicht nur bei nahezu allen Komponenten, sondern auch was das Design betrifft. »Oft machen sie eigene Farbvorschläge, die wir teils auch übernehmen können.« Überhaupt: Hier am Tisch zu sitzen, die Farbpalette – angelehnt an die RAL-Farben – in der Hand zu halten und sein eigenes Rad mitzugestalten, das finden die meisten La-Bici-Anwärter einfach klasse: echtes Event-Shopping.
Ein La Bici wählen etwa die Hälfte der Käufer, die anderen 50 Prozent verteilen sich auf die Fremdmarken. »Unsere individualisierten Räder sind nicht unbedingt teurer als die der anderen Marken«, so Teutenberg, »schließlich kauft man hier auch kein Pinarello von der Stange – außer es passt genau so.« Passen soll auch die Bike-Bekleidung: Da wollen Suzan und Sven Teutenberg in Zukunft größer einsteigen. Auch hier bietet sich schließlich die lange Erfahrung des Profis in Sachen Funktionskleidung bestens an – man kann sich die langen Ausfahrten mit Sitzpolster-Tests schon vorstellen. Geplant sind eigene Kollektionen in Sachen Rennrad.

Wie Eis verkaufen: Im Winter geht nix

Reich dürfte man von einem Laden dieser Größenordnung und mit drei Mitarbeitern nicht werden, aber wer Teutenberg kennenlernt, merkt, dass das nicht sein Ziel sein dürfte. Zum einen ist da noch die Event-Agentur, die derzeit aufstockt. Die Planung und Durchführung von speziellen Events für Unternehmen wird ausgebaut, aber auch allgemein legt die Agentur laut dem Unternehmer zu. Und Angst vor großen Veranstaltungen dürften weder Suzan noch Sven Teutenberg nach dem Grand Depart 2017 haben.
Und der Laden erfüllt ja auch vor allem ein anderes Bedürfnis des Machers: Das, möglichst viele Leute aufs Rennrad zu bekommen.
Er fährt selbst im Jahr bis zu 10.000 Kilometer, vertreten sind dabei fast alle Varianten des Rennrads. Die Frage nach der Zahl der eigenen Räder Teutenbergs sparten wir uns – wahrscheinlich ist sie ohnehin nicht einfach zu beantworten.
Perspektive Pedelecs bei La Bici? Da ist der Ex-Profi skeptisch. »Natürlich bringen auch die Sportrad-Hersteller immer mehr Bikes mit Unterstützung auf den Markt. Aber in unserer Region macht das kaum Sinn«, glaubt er.
»25 Stundenkilometer Spitze mit Unterstützung ist eher langsam für ein Rennrad im Flachen, im Windschatten ist es auch ohne Unterstützung für Untrainierte nicht schwer, dranzubleiben.« Also? »Ich guck mir das die nächste Zeit mal an«, sagt er gelassen. Andererseits: »Ambitionen zu vergrößern haben wir hier allerdings nicht.« Das kann man verstehen. Was spricht gegen »Klein aber fein«?

6. Mai 2019 von Georg Bleicher
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