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Kunststoff bis Long-John zum Falten

Design auf der Cyclingworld - Teil 2

Weiter unterwegs auf der Cyclingworld in Düsseldorf. Der Weg führt von Plastikrädern über den Straßenkreuzer bis hin zum filigranen Klassiker.

BrekrDesign in Düsseldorf - IgusSpecialized mit dem Turbo Porto in Düsseldorf am Start.Ausgezeichnet mit einem Cyclingworld Award 2024Avnson UrbanoxLong John - aber faltbar

Form follows Function: Igus


Schon seit einigen Jahren machen die Kölner Spritzguss-Spezialisten von Igus mit ihrem Kunststofffahrrad von sich reden. Auf der Cyclingworld waren nun einige neu designte Räder zu sehen. Woran erinnern sie bloß? Vor allem die flächig einfarbigen Bikes wecken Erinnerungen ans Playmobil-Spielen. Das kommt nicht von ungefähr. Volumen und Masse müssen dort für Robustheit sorgen, wo das vergleichsweise weiche Material im Wettbewerb mit Metallen oder Carbon sonst keine Chance hat. Auch die Kunststoff-Radlager brauchen deshalb solch große Ausmaße. Tatsächlich hat Igus es geschafft, über 90 Prozent des Rads aus dem Kunststoff herzustellen, erklärt Sven Ternhardt, Head of Sales & Marketing. Und dieser Kunststoff ist aus recycelten Fischernetzen. Nachhaltiger und innovativer geht’s kaum. „Mittlerweile gehen die ersten Räder an Unternehmen im Rental-Bereich“ erklärt Ternhardt, außerdem ist auch der Werksverkehr ein Markt für Igus. Erstmals konnten Messebesucher bei der Cyclingworld die Igus-Räder fahren. Dass sie Handling und Optik der Fahrräder gelegentlich noch nicht als optimal empfanden, damit kommt man beim Hersteller gut klar. „Wir bleiben dran,“ so der Marketingleiter, „das Rad und die Komponenten werden ständig weiterentwickelt.“ 1.200 Vorbestellungen arbeitet man 2024 ab, 2025 ist die 5.000er-Marke angepeilt.
www.igus.de

Avnson Urbanox:


Volle Entfaltung für Long John
Sahabi Arouna will den Klassiker unter den Lastenrädern selbst transportfähig machen. Er hat einen Long John entwickelt, der sich falten lässt und zeigt damit wohl eine der spannendsten Entwicklung der Messe. Aufgebaut wirkt das Avnson Urbanx wie ein Bullit oder Load – ähnliche Länge (ca. 2,60 Meter), ähnliche Optik. Doch in unter einer Minute ist das Zwanzigzöller etwas ganz anderes: „Ich wollte, dass man die Ladefläche auch dann nutzt, wenn das Rad nicht gebraucht oder transportiert wird“, sagt er. Und hat ein Gelenk eingebaut – und patentieren lassen – das den Teil hinter der Ladefläche komplett nach vorn, auf die Ladefläche schwenkt. Dazu muss nur der Lenkerdom verkürzt und gekippt und der Sattel eingeschoben werden. Das Rad steht nach wie vor sicher auf dem Ständer kann aber auch auf kleinen Rollen geschoben werden. So kann es beispielsweise im Zug mitfahren, „und zwar als Gepäckstück“, erklärt Arouna, denn als das zählen Falträder bei der Bahn. Zusätzlich kann das ganze Faltpaket so „weitergekippt“ werden, dass es auf den beiden Rädern rollt. Das Gewicht soll mit Shimano Cargo-Motor und Riemenantrieb bei 38 Kilo liegen. Es können aber auch andere Mittelmotoren wie Bosch und Pinion verbaut werden. „Da ist die Nachfrage jetzt schon groß, so der Entwickler. Für um die 6.800 Euro soll der E-Laster ab der Eurobike zu haben sein.
http://avnson.com

Brekr: Für mehr Fahrspaß in der Stadt – auch zu zweit


Es hat mit dem klassischen Fahrrad wenig zu tun, doch unter anderem in den Niederlanden ist diese Radgattung mit Sitzbank und superdicken Pneus jetzt schon erfolgreich. Nach dem Rückgang des Moped-Scooter-Verkaufs dort aufgrund der 2023 eingeführten Helmpflicht orientierten sich die Hersteller mehr am Pedelec. Das neue Brekr 250 F soll laut Felix Laumanns, Sales Manager Europa, auch hier Fuß fassen. „In Deutschland ist der Markt dafür deutlich schwieriger als anderswo“, sagt er, „aber wir glauben, dass man sich auch hier langsam für diese Mobilität öffnet.“ Die gesetzlich erlaubte Möglichkeit, zu zweit zu fahren, scheint verlockend. Außerdem hat man eigene Reifen mit 22 Zoll statt der 20er Standards entwickelt. Helfen soll auch das gerade erst mit dem iF-Design-Award ausgezeichnete, betont junge Design sowie einige Details, die andere Fatbike-Anbieter nicht haben. Zum einen ist die Sitzbank des 250 F höhenverstellbar, so lässt sich die Beinlänge etwas regulieren. Ein Entgegenkommen an die „Ergonomie-verrückten“ Deutschen. Eine weitere gute Idee: Die Seitenpanels des Bikes sind einfach abnehmbar und durch Panels mit einem anderen Look ersetzbar. „Das gefällt vor allem unseren Händlern“, erklärt Laumanns, „man braucht nicht Modelle in zig Farben vorrätig zu haben.“ So gibt es die Abdeckungen in elf angesagten Farben und mit verschiedenen Glanz-Effekten für 49 bis 249 Euro. Die zweite Konfigurationsentscheidung: kleiner (540 Wh) oder großer Akku (720 Wh)? In Deutschland gibt es bereits einige Händler, Brekr will das Netz aber deutlich ausbauen. Das 250 F kostet 2.749 Euro und ist ab Mai zu haben.
www.brekr.com

Specialized: Transport mit Turbo


Vor kurzem in Velobiz angekündigt und schon auf der Cyclingworld zu sehen: Das Specialized Turbo Porto. Das Longtail-Cargobike wirkt aufgrund der Mischung aus 24er- (vorne) und 20er-Pneus, der voluminösen Rohre, aber vor allem auch wegen der Verkleidung des kompletten Hinterbaus sehr gedrungen. Die einzelnen Elemente wurden den kräftigen Rahmenzügen wie Puzzleteile einer Karosserie angepasst. Das untere Trum des Antriebsriemen verschwindet gleich hinter der Riemenscheibe, das obere ist ganz verdeckt. Den einen Messebesucher erinnert das an die bauchigen US-Straßenkreuzer der 50er-Jahre, die andere Besucherin an den Kettenschutz des Hollandrads. Die Amerikaner beherrschen die Kommunikation über Design perfekt, wie man immer erkennen kann. So stellt sich die Frage: Wo rollt das Cargobike hin, wenn es nach Specialized geht?
Wie auch immer: Es passiert was in Sachen Formgebung am Spezialrad.
www.specialized.com

Mika Amaro: Klassischer Stil mit moderner Funktion

Seit 15 Jahren entwickelt Michael Nagler, Gründer von Mika Amaro, urbane Stahlräder. Bislang vor allem Bikes im klassischen Auftritt aus den Achtzigerjahren: dünne CroMo-Stahlrohre, oft für klassische Mixte-Rahmen, mit gerader, fein konisch zulaufender Gabel. Seit einiger Zeit gibt’s das auch mit Scheibenbremsen. Zeigt: Nagler stuft die Funktion mindestens genauso wichtig ein wie Traditionstreue.
Für 2024 gibt es nun das erste Gravel-Modell mit geradem Lenker. Es eher an Design der 90er Jahre angelehnt. Auch hier herrscht die klare Linie mit gerade gezogenen Columbus Life-Rohren: Muffenlos und schlank, klassische waagerechte Achsaufnahme am Hinterbau. Der Carbongabel mit Scheibenbremse muss allerdings die Tradition weichen. Außerdem brechen hochschultrige Carbon-Laufräder mit dem eigenen Label zusätzlich die klassische Sichtweise des Sportrads, vielleicht ein Fauxpas für Klassiker-Freunde und Vintage-Fans. Eindrucksvoll puristisch wirkt das Rad trotzdem. Das hat sich auch die Cyclingworld Award-Jury gedacht und dem Ocean Blue Graveler mit geradem Lenker den zweiten Platz beim Award „Best Urban Bike / Sport“ zugewiesen. Mit der gezeigten Ausstattung (11-Fach Alfine, Riemen, Magura-Discs) kommt das Rad gerade mal auf 9.8 Kilogramm – und auf 3.999 Euro.
www.mikaamaro.com

21. März 2024 von Georg Bleicher
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