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Nachrüst-Elektroantriebe gelten als technisch einwandfrei. Aber dürfen Händler sie guten Gewissens einbauen?
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Report - Nachrüstantriebe

Die große Ungewissheit

Die Spannbreite der Meinungen, wenn es um das Nachrüsten von Elektroantrieben geht, ist groß. Das Spektrum reicht von »illegal und fahrlässig« bis »einwandfrei machbar«. Ein genauer Blick auf die verschiedenen Standpunkte zeigt die Komplexität der Materie.

Es ist inzwischen eine häufige Anfrage seitens der Kunden im Fahrradhandel: »Rüste mir doch bitte mein altes Rad mit einem Elektroantrieb nach.« Und die Nachfrage wird offenbar bedient. Anders lässt es sich kaum erklären, dass gleichzeitig mit dem E-Bike-Boom ein bemerkenswert großes Geschäftsgebiet entstanden ist, auf dem verschiedene Anbieter von Nachrüstantrieben und zahlreiche auf Umbauten spezialisierte Händler um die Gunst der Kundschaft kämpfen.
Gründe für eine Nachrüstung finden sich viele. Der vermutlich offensichtlichste, aber nicht immer nachvollziehbarste Grund ist der Preis. Ein Umbau nach Wunsch kostet den Kunden beim Fachhändler eine Summe, die in der Regel zwischen 1000 und 1800 Euro liegt. Das ist zwar günstiger als ein aktuelles, hochwertiges Elektrorad, für viele Kunden aber dennoch Grund genug, für ein paar Hundert Euro mehr lieber gleich ein komplett neues E-Bike zu kaufen, statt ein älteres Rad umzubauen. Es gibt sogar bereits einige Verbraucher, die nicht mal einen teuren Akku als Ersatzteil kaufen wollen und sich stattdessen lieber auf ein Neurad setzen. Doch es gibt eben auch eine große Zahl an Kunden, die mit einer anderen Perspektive auf dieses Thema blicken.
Thilo Gauch, Geschäftsführer und Gründer von Electric Bike Solutions, dem größten Anbieter von Elektroantrieb-Nachrüstungen in Deutschland, sieht drei Motivationen für die Nachrüstung: »Es gibt sehr viele Menschen, die sich keine zwei- bis dreitausend Euro leisten können für ein neues Rad. Eine andere Motivation haben Menschen mit Spezialrädern, für die es nichts Elektrisches gibt. Wir haben gar nicht so wenige Kunden, die Tandems, Sesselräder, Liegeräder oder Trikes besitzen. Für die gibt es meist keine Antriebe und die Kunden kommen auf der Suche nach Lösungen zu uns. Die dritte Kategorie sind die totalen Freaks, die erstens ihr Rad gut finden und zweitens keine Lust haben, im Strom der Einheits-Bosch- und Shimano-Räder mitzuschwimmen. Die wollen einfach etwas Individuelles. Und da gibt es Systeme, die frei konfigurierbar sind.«
Sein Händlerkollege Stefan Schmidbauer, der sich mit Efu-Elektrofahrradumbau.de in Unterföhring bei München ebenfalls auf dieses Thema spezialisiert hat, ergänzt als bei ihm häufigsten Grund fürs Nachrüsten: »Unwahrscheinlich viele Leute haben unwahrscheinlich viele, gut erhaltene, fast neue Fahrräder im Keller. Der Gebrauchtmarkt in München ist nahezu tot. Wenn man versucht, ein Gebrauchtrad zu verkaufen, dann bekommt man fast nichts dafür. Und tolle Räder gibt es nicht erst seit gestern. Die nächsten Gründe sind, dass ihnen die Sitzposition gefällt, sie eine besondere Beziehung zum Rad aufgebaut haben oder eben das Geld nicht aufbringen können oder wollen für ein neues Modell.«
Und an dieser Stelle entfaltet sich für den Handel die ganze Problematik des Nachrüstens. Der Wunsch des Kunden nach einer Nachrüstung ist da und die Fähigkeit des Händlers im Prinzip auch – aber darf er das auch tun? Die Meinungen gehen zu dieser Frage so weit auseinander, wie man es vermutlich kein zweites Mal in der Fahrradbranche findet.

Ein klares Nein

Für den Fahrradsachverständigen und Gutachter Dirk Zedler ist es klar, dass der Händler die Finger von Umbauten lassen soll, nein muss: »Das Produktsicherheitsgesetz und das Produkthaftungsgesetz haben sich in den letzten Jahren nicht so verändert, dass das Nachrüsten eines Elektroantriebs seitens eines Händlers erstens erlaubt und zweitens sinnvoll ist. Die Sache ist sehr eindeutig: Wenn ich das als Radhändler tue, mache ich aus einem Fahrrad eine Maschine, unterliege der Maschinenrichtlinie und muss dann als Hersteller alle Herstellerpflichten erfüllen. Ich muss eine Risikoanalyse machen, eine Stückliste bereitstellen, die Betriebssicherheit nachweisen können und die Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) testen. Ich muss all das, was ein Derby, ein Merida, ein Rotwild oder ein beliebiger anderer Elektroradhersteller macht, auch machen. Es ist ohne Wenn und Aber Pflicht. Es steht eindeutig im Gesetz: Es ist verboten, ein Produkt im Markt bereitzustellen, das nicht allen Anforderungen und Normen genügt. Und damit ist alles gesprochen.« Neben den rechtlichen Hürden sieht Zedler auch technische Probleme beim Nachrüsten: »Aus der Praxis und im Abgleich mit Ergebnissen aus unserem Prüflabor wissen wir mittlerweile, dass bei Trekkingrädern jahrelang funktionierende Bauteile beim Pedelec aufgrund der höheren Belastungen zu Ausfällen neigen. Hier fehlt dem Einzelhändler einfach die Erfahrung zur Einordnung. Wie will ein Händler, wenn er ein Fahrrad hat, das auch nur ein halbes Jahr alt und benutzt ist, wissen und belegen, dass dieses Fahrrad betriebssicher ist? Das ist eine unlösbare Aufgabe für ihn. Und dann baut er einen Elektromotor ein. Nach meiner Einschätzung ist diese Handlung eindeutig illegal und es gilt ein ganz klares Verkaufsverbot.«

Ein klares Ja, aber

Andere Akteure widersprechen der Ansicht, dass der Händler den Herstelleranforderungen nicht entsprechen könnte. Eine prominente Stimme in diesem Lager ist Ernst Brust, ebenfalls Fahrrad-Sachverständiger und Gutachter, der in den Nachrüstsätzen der neuesten Generation, insbesondere von Pendix, sehr wohl eine gangbare Lösung sieht, mit der Händler Nachrüstungen anbieten können, ohne sich auf dünnes Eis zu begeben.
Einer der Punkte, die ihn überzeugt haben, ist die Konstruktion als Mittelmotor. Während er nachrüstbare Front- und Heckantriebe nach wie vor ablehnt, sieht er die Krafteinleitung am gewohnten Ort als akzeptabel an. »Durch die Positionierung am Tretlager bringt der Antrieb eine kalkulierbare Mehrbelastung in den Rahmen ein, wodurch er sich für die Montage an einer Vielzahl von Radtypen eignet, was in unabhängigen Prüfungen bestätigt wurde.« Vor allem aber ist es der Aufwand, den Pendix getrieben hat, um die CE-Konformität zu erreichen, der das System für den Handel geeignet mache. »Es hat zwei Jahre gedauert, bis Pendix CE-konform war. Pendix hat mit seiner Entwicklung, Produktprüfung und zugehöriger Dokumentation den Stand der Technik im Nachrüstbereich auf ein neues Niveau gehoben und dem Händler eine gute Basis für die Nachrüstung in bestehende Räder gegeben.« Nun erhalte der Händler über das Unternehmen all die notwendigen Dokumente und Pflichtprüfungen, die er selbst nicht leisten kann, wie etwa eine EMV-Prüfung, Betriebsanleitung und sogar wesentliche Teile einer Risikoanalyse.
»Da bin ich wirklich überzeugt davon, dass man das so machen kann«, sagt Brust. Auf jeden Fall sei das Vorgehen im rechtlichen Rahmen abgedeckt. »Es ist nicht illegal. Ein Händler kann genauso ein Fahrrad zur Maschine umrüsten durch die Hilfe von Pendix wie ein normaler Hersteller eine Maschine herstellt.«

Wer hat Recht?

Für Ulf-Christian Blume, seines Zeichens Unternehmensberater in der Fahrradbranche, Jurist und Zweiradmechanikermeister, ist es vor allem eine juristische Fragestellung, ob der Händler umbauen darf oder nicht.
»Es kommt meiner Ansicht nach nicht darauf an, ob ein Fahrrad einen Elektro-Nachrüstantrieb im Betrieb gefahrlos aushält. Vielmehr ist die Frage zu stellen: Darf der Händler das? Die Antwort dieser Fragestellung bilden nach meiner Meinung das Produktsicherheitsgesetz nebst Kommentar. Hier liest man zweifelsfrei, dass derjenige, der eine Maschine baut (in diesem Fall ein Fahrrad zum Pedelec aufrüstet), zum Hersteller wird und eine CE-Konformität für seine Maschine erlangen muss, um sie legal in Verkehr zu bringen. Das impliziert, dass er sämtliche Vorschriften des Produktsicherheitsgesetzes, der Maschinenrichtlinie und einiger Regelungen mehr befolgen bzw. korrekt abbilden muss. Im Kommentar des Gesetztes ist wiederum zu lesen, dass der Hersteller nur dann eine CE-Konformität des Produkts erlangen kann, sofern er rechtlich, technisch und fachlich dazu in der Lage ist.«
Im Klartext bedeute dies laut Blume, dass ein Händler für einen einzelnen Umbau vom Fahrrad auf ein Pedelec genau den gleichen Aufwand in Prüfung und Dokumentation tätigen müsse, wie ein Hersteller es für eine komplette Baureihe tut. Dies impliziere eine Prüfung des Rahmens, wie auch eine genaue Gefahrenanalyse eines jeden verwendeten Bauteils. »Spätestens an dieser Stelle sehe ich die technischen und gegebenenfalls auch fachlichen Möglichkeiten des Einzelhändlers vor Ort als nicht ausreichend an, um diesen komplexen Prozess abzubilden«, sagt Blume.
Wenn der Händler mit seinem Umbau aber keine CE-Konformität erlangen kann, stehe er vor gravierenden Problemen: »Das Inverkehrbringen von Maschinen ohne CE-Konformität ist keine legale Handlung, insbesondere dann nicht, wenn damit der Endkunde auch am Straßenverkehr teilnimmt. Und das wiederum schlägt auf den möglichen Versicherungsschutz durch, der meist in Form der erweiterten Betriebshaftpflichtversicherung besteht. Das vorsätzliche Inverkehrbringen einer Maschine ohne CE-Konformität ist nach meinem Rechtsverständnis nicht versicherbar. Sollte es also mit einem zum Pedelec aufgerüsteten Fahrrad zu einem Unfall z.B. mit Personenschaden kommen, könnte die Versicherung auf die Idee kommen, im Versicherungsfall nicht zu zahlen, wenn das Fahrzeug von einem Gutachter unter die Lupe genommen worden ist«, warnt der Unternehmensberater. Auch wenn einige Produkte im Nachrüstbereich technisch gut und ausgereift seien, sieht er somit für den Händler die Nachrüstung zum Pedelec rechtlich mehr als problematisch.

Absichtlich hohe Einstiegshürden?

Eine häufiger genannte Kritik der Umrüstbefürworter lautet dahingehend, dass die Formulierung von möglichst hohen Anforderungen an Hersteller auch daher rührt, dass auf diese Weise den kleineren Anbietern der Weg in diesen Markt versperrt bleibt. Aufgrund von nicht leistbaren Vorgaben sollen potenzielle Wettbewerber ausgeschlossen werden. Das entbehrt zwar nicht einer gewissen Logik, klingt aber ein bisschen nach Verschwörungstheorie. Auf diese Weise ließe sich der Marktzutritt tatsächlich erschweren oder ganz verhindern. Es bleibt trotzdem fraglich, ob sich Komplettrad-Hersteller wirklich wünschen, mit gesetzlichen Anforderungen zugeschüttet zu werden, die sie ja dann auch selbst und am Ende als einzige erfüllen müssen.
Die Probleme einiger Hersteller mit Gewerbeaufsichtsämtern in jüngster Zeit sprechen zudem eine andere Sprache: »Wir haben bisher die absurde Situation, dass gute, seriöse Hersteller von der Bundesnetzagentur oder dem Gewerbeaufsichtsamt ein Ultimatum bekommen, dass sie innerhalb von vier Wochen ihre Papierarbeit korrekt machen müssen, obwohl sie technisch super sauber aufgestellt sind«, beobachtet Zedler im Markt, »während andere Leute meiner Meinung nach oft hochgradig illegal handeln, und die lässt das Gewerbeaufsichtsamt derzeit noch in Ruhe.«
Doch das ist eben der Streitpunkt. Die Umrüstanbieter und umbauenden Händler stehen auf dem Standpunkt, dass sie sehr wohl und im Unterschied zu manchem großen Pedelec-Hersteller den rechtlichen und technischen Vorgaben genügen. Besonderes Gewicht hat an dieser Stelle der relativ neue Marktteilnehmer Pendix, der sich stark darum bemüht, als Anbieter eines Nachrüst-Antriebssystems den gesetzlichen und technischen Vorgaben zu entsprechen. Christian Hennig, technischer Geschäftsführer bei Pendix, ist davon überzeugt, dass man für jeden geforderten Punkt eine Lösung gefunden hat, die technisch und rechtlich auf der sicheren Seite ist.
So unterstütze man den Händler bei den Dingen, die er selbst nicht leisten kann, wie etwa bei der EMV-Prüfung. »Wir haben die EMV-Prüfung mit verschiedenen Rädern und verschiedenen Ausstattungen durchgeführt. Die Grenzwerte haben wir immer um die Hälfte unterschritten. Wir haben so viel Luft zur Grenze, dass wir mit hoher Sicherheit sagen können, dass egal an welches Rad der Antrieb angebaut wird, die Werte aus der EMV-Richtlinie immer eingehalten werden.« Ganz analog verhält es sich mit der Risikoanalyse. »Das kann man dem Händler logischerweise nicht zumuten, dass er das so für jedes Fahrrad im Detail machen muss. Und aus unserer Sicht ist das so auch nicht notwendig.« Stattdessen hat Pendix für seinen Antrieb in Verbindung mit den verschiedenen zugelassenen Fahrradtypen eine allgemeine Risikoanalyse erstellt. »Wir stellen diese dem Händler zur Verfügung.« Dazu kommt die Checkliste, die der Händler vor Ort abarbeitet, um die Risiken einzuschätzen. »Er kann für sich festhalten, dass er alles getan hat, um das System konform einzubauen, und vor dem Anbau verschiedene Sachen am Fahrrad prüft.« Auch bei der Stückliste, in der mancher jede Schraube vermerkt sehen will, sieht er diese allerhöchsten Ansprüche nicht belegt: »Ich habe noch nicht gesehen, wo das so verlangt wird. Stattdessen liefere man eine allgemeine Original-Betriebsanleitung mit, in der eine Übergabedokumentation enthalten ist, die die Änderungen festhält, und auch eine Liste, die die Komponenten des Fahrrades aufzählt, samt Seriennummern.«

Die Praxis

Tatsächlich können nachrüstende Händler eine bemerkenswerte Erfolgsbilanz vorweisen. Thilo Gauch hat vor achteinhalb Jahren mit einem Mitarbeiter sein Unternehmen gestartet. Inzwischen arbeiten 30 Mitarbeiter für seine Firma Electric Bike Solutions, die seit ihrer Gründung über 10.000 Umrüstungen vorgenommen hat. Von der Wichtigkeit einer Produkthaftpflichtversicherung ist er überzeugt, doch hat er sie noch kein einziges Mal gebraucht. So gehört die Sorgfalt bei der Sicherheitsinspektion, bei der sofort Mängel angesprochen werden, ebenso zum Erfolgsrezept wie die Einhaltung aller rechtlichen Vorgaben.
Etwa bei jedem 20. Rad werde die Umrüstung abgelehnt. »Es ist nicht immer das Material der Grund, wenn ein Rad abgelehnt wird. Oft genug ist es die Steckachse, für die es keine passenden Motoren gibt, oder jemand will ein Spezialrad umbauen, an dem so viel spezielle Lösungen verbaut sind, dass man weiß, dass man das nicht zufriedenstellend hinbekommt. Ganz schlimm sind Super- und Baumarkträder. Das sind die meisten Räder, die wir ablehnen. Was wir ganz ablehnen, sind Carbon-Rahmen. Da trauen wir uns tatsächlich auch nicht dran. Da sieht man Vorbeschädigungen nicht und kann es entsprechend nicht einschätzen«, erklärt Gauch.
Auch Händlerkollege Schmidbauer kommt auf ähnliche Ablehnungsquoten. »Natürlich lehne ich auch Räder ab. Das muss ich machen. Wegen der Produkthaftpflicht, aber vor allem auch zum Schutz des Menschen. Es gibt ja Kunden, die von der Technik gar nicht viel Ahnung haben. Da muss ich die Courage und den Sachverstand haben, ›Nein‹ zu sagen, wenn die Stabilität nicht gegeben ist oder die vorhandenen Komponenten minderwertig sind.« Er schätzt, dass er etwa 3 % der Räder komplett ablehnt. In 10 % der Fälle sei es nötig, zusätzlich Komponenten auszutauschen.
Was die rechtlichen Fragen angeht, sieht sich Gauch auf der sicheren Seite, nicht zuletzt durch den Volljuristen, den er zu seinem Team zählt. Die Maschinenrichtlinie ist seiner Ansicht nach keineswegs so formuliert, dass seine Arbeit unmöglich wäre. »Es muss keiner eine zerstörende Prüfung machen von einem Rahmen, den er nur einmal hat.« Und auch die Risikoanalyse ist seiner Überzeugung nach mit den Mitteln des Händlers möglich. »Man kann eine Risikoabschätzung abgeben, warum man glaubt, dass man die Norm einhält. Das ist deutlich schwieriger, als zerstörend zu prüfen.« Grundsätzlich sei es aber möglich. »Man weiß etwa, welche Kräfte ein Stahlrahmen aufnehmen kann und welche Kräfte wirklich wirken. Ein Rad, das auf Scheibenbremsen ausgelegt ist, kann schon mal per Definition das Vierfache an Kräften aufnehmen von dem, was unser Motor abgibt. Deswegen muss das halten. Dazu muss man prüfen, ob es die drei Kilogramm Masse aushält.«

Ein klares Nein, aber

Ist es für die Nachrüster also nun möglich, den rechtlichen und technischen Vorgaben zu entsprechen oder nicht? Auch im ZIV verfolgt man das Thema sehr aufmerksam. »Wir stehen dem Thema Nachrüstung eher zurückhaltend gegenüber. Das hängt damit zusammen, dass sich die praktische Umsetzung der Nachrüstung haftungsrechtlich sehr schwierig gestaltet«, erklärt ZIV-Frontmann Siegfried Neuberger. »Das Problem ist, dass der Händler, wenn er ein Fahrrad eines Kunden vor sich hat, nicht die Möglichkeit hat, die Bauteile zu prüfen. Da diese Prüfungen die Bauteile meist zerstören, ist diese Vorgehensweise nicht praktikabel und viel zu aufwendig. Durch eine rein beschauende Prüfung kann er jedoch aus unserer Sicht nicht abschätzen, ob die Bauteile dafür geeignet sind, die höheren Belastungen eines Elektrorades ohne Schaden zu ertragen. Da der Händler durch den Einbau eines Elektroantriebes in ein Fahrrad zum Hersteller wird, muss er eine umfassende Risikoanalyse vornehmen, die auch z. B. den Nachweis über die Betriebsfestigkeit aller relevanten Fahrradkomponenten enthält.«
Dennoch will sich Neuberger nicht komplett gegen eine Umrüstung aussprechen. »Man kann nicht sagen, dass eine Nachrüstung illegal ist. Grundsätzlich darf der Händler Umbauten vornehmen, wenn diese z. B. durch Freigaben des Fahrzeug- oder Komponentenherstellers legalisiert sind. Wir haben gemeinsam mit anderen Verbänden und Prüfhäusern einen Leitfaden für den Bauteiletausch bei E-Bikes entwickelt.« Allerdings kommen zusätzliche Herausforderungen durch neue Normen auf die Umbauer zu. »Der Nachweis durch den Händler, dass z. B. ein Rahmen, eine Gabel oder ein Lenker/Lenkervorbau – eventuell sogar im gebrauchten Zustand – den Anforderungen der Sicherheitsnormen entspricht, ist aus unserer Sicht realistisch nicht möglich. Die neue EN 15194 für E-Bikes, die verabschiedet ist und Anfang 2018 auch als DIN EN 15194 zur Verfügung stehen wird, verlangt im Vergleich zu Fahrradteilen nach ISO 4210 höhere Prüfkräfte für E-Bike-Komponenten. Ob die verbauten Bauteile diesen Anforderungen entsprechen, kann der umbauende Fachhändler weder sehen noch prüfen. Er trägt jedoch durch den Umbau die volle Verantwortung als Hersteller und dokumentiert dies durch die Anbringung des CE-Zeichens und das Unterschreiben der Konformitätserklärung.«

Ja oder Nein?

Es gibt also deutlich unterschiedliche Einschätzungen und Vorstellungen, mit welchem Aufwand Händler arbeiten müssen, wenn sie ein Fahrrad nachträglich mit einem Elektroantrieb ausrüsten wollen. Derzeit stehen sich die verschiedenen Positionen diametral und recht unversöhnlich gegenüber. Was soll also der Händler tun, wenn ihn ein Kunde mit einem Umbauwunsch anspricht? Aus juristischer und technischer Sicht scheint es trotz aller Bemühungen noch einige Ungewissheit zu geben, ob er den Vorgaben nun ausreichend nachkommen kann oder nicht. Dazu kommen die Herausforderungen durch neue Normen für Elektrofahrräder. Nachrüster wie Pendix sind der Ansicht, dass sie sehr wohl ein System samt Prüfungsvorgaben geschaffen haben, das den gesetzlichen Vorgaben entspricht und praktikabel ist. Und der Handel hat in seiner bisherigen Praxis mehr oder weniger belegt, dass er im Stande ist, funktionierende Umbauten herzustellen. Bisher sei auch kein einziger Fall bekannt, in dem ein vom Fachhandel umgebautes Fahrrad versagt hätte und es zu einem schweren Unfall gekommen wäre. Das ist eine gute Bilanz für eine rund zehnjährige Umbaugeschichte. Entsprechend gibt es auch keine oder nur sehr wenig Rechtsprechung zu diesem Thema. Ob das aber eine ausreichende Grundlage ist, um sich trotz der bestehenden Ungewissheit auf dieses Geschäftsfeld einzulassen, muss jeder Händler für sich entscheiden. Auf jeden Fall wäre es wünschenswert, wenn sich die Unsicherheit bezüglich der Rahmenbedingungen in absehbarer Zeit auf verbindliche Weise auflösen ließe. Idealerweise geschähe das nicht im Rahmen eines Gerichtsprozesses, in dem ein vom Fachhändler umgebautes Elektrofahrrad in einen Unfall verwickelt war.

9. Oktober 2017 von Daniel Hrkac
Velobiz Plus
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